Rein skitechnisch betrachtet war Thomas Tumler (35) schon lange ein Gigant. «Der Tumler hat den schnellsten Riesen-Schwung im Weltcup-Zirkus», stellte Deutschlands Ski-Papst Felix Neureuther (40) bereits im Dezember 2018 fest.
Dass der Samnauner bis zu seinem 35. Lebensjahr dennoch keinen Weltcupsieg auf dem Konto hatte, war auf zwei Gründe zurückzuführen. Erstens: Tumler hat lange Zeit unter schweren Rückenproblemen gelitten. Den Tiefpunkt erlebte er im Januar 2017: «Auf der Heimreise von Kitzbühel hatte ich derart starke Schmerzen, dass ich nicht mehr eigenständig zum Benzintanken aus dem Auto steigen konnte. In diesem Moment habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich mir das alles in Zukunft noch antun will.»
Dünnes Nervenkostüm
Um seine Gedanken zu sortieren, flog Tumler während der Heim-WM in St. Moritz in die Ferien nach Hawaii. Auf der Pazifik-Insel konnte er sein grösstes Problem lösen: «Ich habe dort ein paar Kollegen kennengelernt, die mir das passende Training für meinen Rücken gezeigt haben. Wir haben sehr viele Vulkan-Läufe gemacht. Das hat mir enorm gutgetan.»
Ein anderes Problem hat den leidenschaftlichen Bayern-Fan aber noch länger eingebremst: das dünne Nervenkostüm. «Ich war jeweils in der Nacht vor einem Rennen derart nervös, dass ich kaum schlafen konnte.»
Letztlich bekam Tumler, dessen Bruder Julian in Samnaun das elterliche Spirituosen-Geschäft weiterführt, dieses Problem mit einem hochprozentigen Hausrezept in den Griff. «Seit ich am Abend vor dem Wettkampf einen kleinen Whisky-Shot trinke, schlafe ich richtig gut.»
Und seit der Riesen-Spezialist bei den Wettkämpfen hellwach ist, läuft es ihm richtig rund: In den letzten fünf Riesenslaloms der letzten Weltcup-Saison klassierte er sich ausnahmslos in den Top 5.
Diesen Sieg hat er vorhergesehen
Und nun hat er im zweiten Riesen der laufenden Saison nach zwei dritten Rängen und einem zweiten Platz seinen ersten Weltcupsieg eingefahren. Bezeichnenderweise auf der «Birds of Prey» in Beaver Creek, wo er 2018 seinen ersten Weltcup-Podestplatz bejubeln konnte. «Als ich im letzten Sommer erfahren habe, dass Beaver Creek erstmals seit 2019 wieder ein Riesenslalom austragen wird, habe ich zu meiner Frau Svenja gesagt, dass ich dieses Rennen gewinnen werde. Ich liebe diesen Schnee und dieses Gelände. Ich bin mega stolz, dass ich es nun tatsächlich geschafft habe.»
Im Nobelskigebiet von Colorado haben grosse Samnauner Triumphe Tradition: 1989 gewann Tumlers Nachbar Martin Hangl bei der WM in Vail/Beaver Creek Gold im Super-G. Hangl ist übrigens mit der Mutter von Tumler in die Schule gegangen.
Mama Tumler durfte den grössten Moment im Leben ihres Buben leider nicht mehr erleben. Sie hat den Kampf gegen den Krebs verloren, als Thomas 19 Jahre alt war.