Brignone gibt gegen Gut-Behrami auf
«Lara wird alle vier Kugeln gewinnen»

Kugel-Freude in Are (Sd)? Nein! Lara Gut-Behrami muss sich bis zum Weltcupfinale gedulden. Sie wird im Riesenslalom Dritte. Für Siegerin Federica Brignone (33) ist trotzdem klar: Gut-Behrami ist die Ski-Königin des Winters.
Publiziert: 09.03.2024 um 18:20 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2024 um 19:03 Uhr
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Platz 3 in Are, Kugel-Entscheidung vertagt: Lara Gut-Behrami muss noch etwas auf den Riesen-Disziplinensieg warten.
Foto: imago/Bildbyran
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Mathias GermannReporter Sport

In Are (Sd) ist der Winter noch in Ordnung. Auf dem See neben dem Störtloppsbacken, wo die besten Riesenslalom-Fahrerinnen ihre Schwünge in den Schnee zaubern, drehen Langläufer und Schneetöffs ihre Runden. Im Gegensatz zur Schweiz blühen die Krokusse hier noch lange nicht, nächste Woche werden sowieso minus 14 Grad erwartet. Sara Schelin macht dies glücklich. Sie ist Ares Gemeindedirektorin und sagt: «Für unseren Tourismus ist das super. Wir haben in diesem Winter so viel Schnee wie selten. Und auch die Kälte ist wunderbar.»

Frostig ist an diesem Samstag nicht nur das Wetter, sondern auch die Stimmung von Lara Gut-Behrami (32) – zumindest unmittelbar nach dem Rennen. «Es ärgert mich, wie ich im zweiten Lauf gefahren bin», sagt sie. Es schleichen sich bei ihrer Fahrt in der Tat einige Fehler ein – Gut-Behrami schafft nur die 16. beste Laufzeit. In der Summe fällt sie damit von Halbzeit-Platz 2 auf Schlussrang 3. Ein Weltuntergang ist das nicht, würde man meinen. Aber eben: Gut-Behrami ist aus besonderem Holz geschnitzt – sie interessiert nicht nur das nackte Resultat, sondern ihre Fahrweise. «Ich hatte Mühe, das richtige Timing zu finden und konnte nie wirklich beschleunigen», sagt sie.

Brignone: «Habe schon lange aufgegeben»

Entgegen vieler Erwartungen macht Gut-Behrami die Riesenslalom-Kugel noch nicht klar. Federica Brignone (33, It) rast nach einem fulminanten zweiten Lauf von Platz 3 auf 1 und verkürzt ihren Rückstand in der Disziplinenwertung von 135 auf 95 Punkten. Heisst: Die Entscheidung fällt beim Weltcupfinale. Gut-Behrami interessiert das wenig, behauptet sie. «Ich habe immer gesagt, dass die Kugeln erst in Saalbach verteilt werden.» Tönt nüchtern. Fakt ist: Sie hätte die Vorentscheidung gerne schon in Are erzwungen. Diese Kugel ist für Gut-Behrami besonders wichtig, handelt es sich doch um ihre Lieblingsdisziplin. Sie würde sie mit knapp 33 Jahren erstmals gewinnen.

Geht vielleicht doch noch etwas schief? «Ich kann alle Lara-Fans beruhigen. Ich werde sie nicht mehr überholen», sagt Brignone. Tatsächlich reicht Gut-Behrami in einer Woche bereits ein 15. Platz – egal, was passiert. «Ich habe diesen Kampf schon lange aufgegeben. Lara fährt so stark und konstant – da ist nichts mehr zu machen.» Auch im Gesamtweltcup, wo Brignone (286 Punkte Rückstand) ebenfalls noch theoretische Chancen hat, sei alles entschieden. Würde sie Gut-Behrami also auch schon zur grossen Kristallkugel gratulieren? «Auf jeden Fall!» 

Bleiben die Abfahrts- und die Super-G-Wertungen. In diesen Disziplinen hat Gut-Behrami ein Polster von 68 respektive 69 Punkten. Auch das ist komfortabel. Brignone ist überzeugt: «Lara wird alle vier Kugeln gewinnen. Es ist unmöglich, sie noch abzufangen.» Ihr Bruder und Trainer Davide denkt ähnlich. «So wie Lara derzeit fährt, müsste sie sich selbst zerstören, damit es nicht klappt. Das wünschen wir uns nicht und es wird auch nicht passieren.»

Löcher? Keine Sicht? Gut-Behrami überzeugt auch so

Zurück zum schwedischen Winter. Während Superstar Mikaela Shiffrin (28, USA) am Sonntag im Slalom ihr Comeback geben wird, haben ihre Arbeitskolleginnen im ersten Lauf hart zu kämpfen. Fünf Zentimeter hat es in der Nacht geschneit, dazu bläst ein bissiger Wind. Die Sonne zeigt sich nie, dafür schlägt und rüttelt es wie verrückt.

«Es hat Löcher», sagt die Walliserin Camille Rast (25) nach dem ersten Lauf. «Man sieht gar nichts», meint Lokalmatadorin Sara Hector (31, Sd). «Es ist sehr schwierig», resümiert Michelle Gisin (30). Und Lara Gut-Behrami? Für sie scheinen andere Gesetze zu gelten. Spielerisch meistert sie die Tücken des Kurses. Das Limit sucht sie dabei nicht – muss sie auch nicht. Paradoxerweise läuft es im zweiten Lauf bei Sonnenschein weniger gut.

Belächelt, bemitleidet, angestachelt

Nach der Siegerehrung, mit etwas zeitlichem Abstand, ist Gut-Behramis grösster Ärger verflogen. «Auch wenn ich nicht sauber gefahren bin, ist der Podestplatz super. Ich hatte hier in der Vergangenheit ja nicht wirklich viel Erfolg.» Womit Gut-Behrami recht hat. Der Tiefpunkt war dabei die WM 2019, als sie beim WM-Riesenslalom mit 3,07 Sekunden Rückstand auf Platz 21 landete. Kaum einer traute ihr damals die Wende zu.

Die gängige Meinung war: Gut-Behrami ist satt, sie hat nach der Heirat mit Valon Behrami andere Prioritäten, sie wird bald zurücktreten. Der damalige Schweizer Alpin-Direktor Markus Wolf kritisierte ihr Alleingang mit Vater und Trainer Pauli Gut. Wolff: «Lara hat an Grossanlässen noch nie eine Goldmedaille gewonnen. Sie weiss – hart gesagt – also nicht, wie das geht. Und wir haben im Staff viele Trainer, die Athleten zu Gold geführt haben.»

Rücktritt? Gut-Behrami blickt schon voraus

Diese Zeiten sind längst vorbei. Gut-Behrami hat sich durchgesetzt, ist zweifache Weltmeisterin (2021) und Olympiasiegerin (2022). Und auch das Verhältnis mit Swiss-Ski hat sich entspannt – so wie sie auch vieles gelassener nimmt. «Ich geniesse die letzten Rennen, die ich noch habe», sagt sie. Wie viele das noch sind? SRF-Expertin Tina Weirather (33) mutmasste zuletzt, dass Gut-Behrami entgegen ihren Ankündigungen schon nach diesem Winter aufhören könnte. Ganz nebenbei macht Gut-Behrami deutlich, dass dies kein Thema ist, als sie auf Brignone angesprochen wird: «Fede fährt derzeit auf einem unglaublichen Level. Es ist schön, das zu sehen. Vielleicht kann ich es nächstes Jahr auch so machen.»

Als Gut-Behrami das sagt, haben sich die Wolken über Are verzogen. Der Winter zeigt sich nicht mehr nur von seiner rauen, sondern von seiner schönsten Seite. Und Gut-Behrami kann schon wieder lächeln.

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