Wer wissen möchte, wie Marie-Theres Nadig tickt, der muss sie nur auf ihre beiden Goldmedaillen von den Olympischen Spielen 1972 in Sapporo ansprechen. «Ich habe einfach zwei Rennen gewonnen. Mehr nicht», sagt sie noch heute dazu. Ehrlich, kauzig, bescheiden. So war «d Maite» schon immer. Nun feiert der erste weibliche Sportstar der Schweiz seinen 70. Geburtstag.
Als die damals 17-Jährige 1972 den Flieger nach Sapporo bestieg, war sie noch eine unbekannte Skirennfahrerin. Aufgewachsen in den Flumserbergen, in bescheidenen Verhältnissen. Ohne Fernseher, ohne Auto, ohne Geld für den Skilift. Die Familie war froh, wenn es aufs Brot mal Butter gab. «Ich war noch ein Kind und wusste nicht, wie die Welt tickt.»
Doch im fernen Sapporo wurde alles anders. Gold in der Abfahrt, Gold im Riesenslalom. Die Gold-Marie ward geboren. Und die scheue Berglerin stand plötzlich und ungewollt im Rampenlicht. Als sie bei ihrer Rückkehr am Flughafen Kloten vom Bundespräsidenten feierlich empfangen wurde, kaute Nadig während dessen Rede genüsslich einen Kaugummi, eingefangen von den TV-Kameras. Prompt wurde sie danach als Göre bezeichnet. «Der ganze Rummel war für mich eine Plage», sagt sie heute rückblickend.
«Ich wollte nicht die Damen von Welt spielen»
Das Beeindruckende an Marie-Theres Nadig: Sie liess sich nicht verbiegen und tat schon damals nur das, was sie für richtig hielt. Egal, was die anderen dachten.
Beispiel 1: Als sie nach Sapporo im Bundeshaus geehrt wurde, trug sie eine Jeans und nicht die vorgesehenen schönen Hosen. Die hatte sie in Bern am Bahnhof in ein Schliessfach gesteckt. «Das Bild vom Empfang kam dann in der Tagesschau. Entsprechend musste ich mir zu Hause etwas anhören.»
Beispiel 2: Ihre gewonnenen Pokale und Goldmedaillen hat sie längst verschenkt. Manchmal liess sie die Trophäen einfach im Hotel liegen. «In Italien gab es immer so Riesendinger. Ich hatte doch keine Lust, die rumzuschleppen.»
Beispiel 3: Als sie bei Werbeaufnahmen für einen neuen Verbandssponsor geschminkt wurde, wischte sie sich den Lippenstift kurzerhand einfach wieder ab. «Ich sah mich im Spiegel. Das war nicht ich. Ich wollte nicht die Dame von Welt spielen.»
«Manchmal hätte ich etwas diplomatischer sein können»
Auch nach ihrer Aktivkarriere eckte Nadig gelegentlich an. Sei es als Ski-Trainerin, sei es mit ihrer einzigartigen Art. Doch in den letzten Jahren ist es ruhiger um sie geworden. Heute lebt sie alleine in einer kleinen, gemütlichen Wohnung, im Haus ihres Neffen. Ihren 70. Geburtstag feiert sie mit ihrer Familie bei einem Essen. Das muss reichen.
Als sie im Vorfeld ihres runden Geburtstags von der «GlücksPost» gefragt wurde, was sie bereue, antwortete sie: «Bereuen nicht, aber vielleicht hätte ich manchmal etwas diplomatischer sein können.»
Unsere nicht ganz diplomatische Antwort auf diese Aussage: So ein Quatsch, Maite! Bleib genau so, wie du bist.