Auf der Rennpiste erlebte Corinne Imlig, wie schön und grausam zugleich Skifahren sein kann. Sie war erst 20-jährig, als sie am 5. März 2000 in Lenzerheide ihr erstes Weltcuprennen gewann. Imlig wurde gefeiert, das «Sportpanorama» rief, sie galt als Hoffnungsträgerin in der Abfahrt.
Ihr Leben hielt sich jedoch nicht an das Ski-Drehbuch ihrer Träume. Imlig verletzte sich mehrmals schwer, vor allem der Bruch eines Halswirbels setzte ihr zu. 2005 hängte sie nach Differenzen mit dem Verband die Ski an den Nagel, sie war damals erst 26 Jahre alt.
«Ans Skifahren denke ich nur ganz selten»
16 Jahre sind seit Imligs Rücktritt vergangen, heute ist sie 42. Wir treffen sie frühmorgens vor dem Oberstufenschulhaus in Siebnen SZ. Imlig trägt Uniform und hat eine Stablampe in der Hand – sie ist mittlerweile Polizistin. «Ans Skifahren denke ich nur noch ganz selten», sagt sie.
Dann kontrolliert sie mit einem Kollegen das Velo eines Schülers – die Bremse ist schlecht eingestellt, das vordere Licht flackert. «Wir schreiben dies auf. Du flickst es, kommst auf dem Polizeiposten vorbei und zeigst es uns nochmals. In Ordnung?», fragt sie. Der Schüler nickt.
Die erste Schwyzer Weltcupsiegerin
Imlig steht im Winter immer noch regelmässig auf den Ski. Prominent ist sie längst nicht mehr, nur Insider wissen noch, was sie früher machte. «Das stört mich nicht. Ich habe das Rampenlicht noch nie gebraucht», sagt sie.
Was viele vergessen haben: Imlig war die erste Schwyzerin, die ein Weltcuprennen gewann. Nach ihr schrieb der kleine 160’000-Einwohner-Kanton eine Erfolgsstory: Die zurückgetretenen Nadja Kamer (35), Nadia Styger (43), Fabienne Suter (36) sorgten zuerst für Furore, heute sind Wendy Holdener (28) und Corinne Suter (27) die grossen Schweizer Ski-Stars.
Selbstmorde sind besonders schlimm
Imlig selbst hat als Polizistin ihre Berufung gefunden. «Die Arbeit ist extrem abwechslungsreich. Ich habe mit Menschen zu tun, bin draussen und drinnen», sagt sie. Bei ihrer Tätigkeit erlebt sie allerdings nicht nur schöne, sondern teilweise auch grausame Momente. «Besonders schlimm sind Selbstmorde. Ich fuhr einmal zu einer Wohnung, wo sich ein Mann selbst hingerichtet hatte. Wie er am Boden lag … Diese Bilder vergisst man nicht so schnell», sagt Imlig.
Um mit solchen Fällen klarzukommen, hat sie sich eine simple, aber wirkungsvolle Strategie zugelegt: «Wenn ich nach meinem Dienst nach Hause komme, gehe ich immer unter die Dusche. Dabei ist es, als würde ich alles Schlimme wegwaschen, das ich gesehen habe.»
Man merkt: Imligs früheres Leben als Skirennfahrerin ist weit weg. Gibt es dennoch etwas, das sie von früher mitgenommen hat? «Ja», sagt sie schmunzelnd. «Egal wie kalt und garstig es draussen ist – es macht mir weiterhin nichts aus. Da bin ich hart im Nehmen.»