Talent Sinisha Lüscher
«Ich will der erste schwarze Schwingerkönig werden!»

Der 15-jährige Sinisha Lüscher fällt auf. Wegen seiner Postur. Wegen seiner Hautfarbe. Wegen seiner Erfolge. Sein Triumph beim «Nachwuchs-Eidgenössischen» soll erst der Anfang sein.
Publiziert: 02.09.2021 um 17:47 Uhr
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Sein bisher grösster Erfolg: Am letzten Wochenende triumphierte Lüscher (r.) am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag.
Foto: Pascale Alpiger
Daniel Leu

Sein Trainer Gregor Bucher muss schmunzeln: «Bereits in seinem dritten Training sagte er mir: ‹Ich will der erste schwarze Schwingerkönig werden. Das ist mein grosses Ziel. Und dafür werde ich alles geben.›» Die Rede ist von Sinisha Lüscher, 15-jähriger Aargauer Schüler vom Schwingklub Olten-Gösgen. Der Sohn einer Schweizerin und eines Ghanaers fällt auf. Nicht nur wegen seiner Hautfarbe, sondern auch wegen seiner Postur. 176 Zentimeter gross, 104 Kilogramm schwer.

Am letzten Wochenende liess Lüscher seinen jugendlichen Worten beeindruckende Taten folgen und triumphierte am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag ENST in Schwarzenburg BE und wurde so Schwingerkönig bei den Junioren mit Jahrgang 2006.

Klar, der Weg zum Schwingerkönig bei den Grossen ist noch weit, sehr weit, doch wer in die ENST-Siegeliste schaut, der entdeckt einige prominente Namen, die dann später auch bei den Aktiven brilliert haben: Kilian Wenger, Remo Käser, Joel Wicki, Sämi Giger.

«Sinisha wird oft auf seine Hautfarbe reduziert»

Noch steht Lüscher erst am Beginn seiner Karriere. Er, der auch noch bei den Junioren des FC Kölliken spielt, schwingt seit 2017. Nachdem er sich im ersten Schwingtraining beinahe den Arm gebrochen hatte, packte ihn schon in der zweiten Übungseinheit der Ehrgeiz. Bucher: «In diesen viereinhalb Jahren gab es kein Training, in dem er nicht alles gegeben hat. Deshalb hat mich sein Spruch vom Schwingerkönig auch nicht überrascht. Viele Jungschwinger sagen das mal, doch Sinisha meint es definitiv ernst.»

Doch leider hatten vor allem zu Beginn seiner Karriere nicht alle Freude am dunkelhäutigen Schwinger. Im «10vor10» erzählte Lüscher, der sich zurzeit nicht weiter in der Öffentlichkeit äussern möchte, wie er gelegentlich rassistisch beleidigt wurde: «Einmal sagte mir einer: ‹Du bist ein Neger, du darfst jetzt nicht in die Dusche reinkommen.› Das war sehr schlimm.» Mittlerweile habe sich das aber gelegt, erklärte er dem «Oltner Tagblatt»: «Mit den meisten kann ich inzwischen reden, viele sind nett zu mir.»

Der Pionier

Harald Cropt (38) war der erste dunkelhäutige Schwinger. Der Sohn eines Waadtländer Winzers und einer Ärztin aus Haiti gewann während seiner Karriere 19 Kränze. 2017 trat er zurück.

Er habe sowohl positive als auch negative Erfahrungen gesammelt, erzählte er vor einem Jahr SonntagsBlick. «Als Schwarzer im Schweizer Nationalsport Schwingen fällst du unweigerlich auf. Ich habe das immer als etwas Gutes zu sehen versucht: Nach ein paar Jahren hat mich auf den Schwingplätzen jeder gekannt, jeder wusste, wer ich bin.»

Doch vor allem zu Beginn seiner Karriere gab es das eine oder andere Problem. «Bei Schwingfesten in der Ostschweiz oder in der Innerschweiz, wo die Leute konservativer sind, ist schon der eine oder andere Spruch gefallen. Nie mir gegenüber – aber meine Frau und meine Kollegen, die im Publikum sassen, bekamen mit, wie der eine oder andere laut gefragt hat: ‹Was macht der da mit unserem Sport? Das ist nicht einer von uns.›»

Mit den Schwingern habe es aber nie Probleme gegeben. «Wir sind alle Sportler und kämpfen um den Sieg, danach reicht man sich die Hand, meine Hautfarbe war nie ein Thema. Darum habe ich praktisch nur gute Erinnerungen an meine Aktivzeit.»

Persönlich kennengelernt hat Cropt Sinisha Lüscher noch nicht richtig. Am letzten Sonntag war er aber am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag vor Ort. Cropt: «Sinisha war top, er hat alle sechs Gänge gewonnen. Das war magnifique!»

Harald Cropt (38) war der erste dunkelhäutige Schwinger. Der Sohn eines Waadtländer Winzers und einer Ärztin aus Haiti gewann während seiner Karriere 19 Kränze. 2017 trat er zurück.

Er habe sowohl positive als auch negative Erfahrungen gesammelt, erzählte er vor einem Jahr SonntagsBlick. «Als Schwarzer im Schweizer Nationalsport Schwingen fällst du unweigerlich auf. Ich habe das immer als etwas Gutes zu sehen versucht: Nach ein paar Jahren hat mich auf den Schwingplätzen jeder gekannt, jeder wusste, wer ich bin.»

Doch vor allem zu Beginn seiner Karriere gab es das eine oder andere Problem. «Bei Schwingfesten in der Ostschweiz oder in der Innerschweiz, wo die Leute konservativer sind, ist schon der eine oder andere Spruch gefallen. Nie mir gegenüber – aber meine Frau und meine Kollegen, die im Publikum sassen, bekamen mit, wie der eine oder andere laut gefragt hat: ‹Was macht der da mit unserem Sport? Das ist nicht einer von uns.›»

Mit den Schwingern habe es aber nie Probleme gegeben. «Wir sind alle Sportler und kämpfen um den Sieg, danach reicht man sich die Hand, meine Hautfarbe war nie ein Thema. Darum habe ich praktisch nur gute Erinnerungen an meine Aktivzeit.»

Persönlich kennengelernt hat Cropt Sinisha Lüscher noch nicht richtig. Am letzten Sonntag war er aber am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag vor Ort. Cropt: «Sinisha war top, er hat alle sechs Gänge gewonnen. Das war magnifique!»

Es ist ein schwieriges und heikles Thema. Das weiss auch Bucher. «Sinisha wird oft auf seine Hautfarbe reduziert. Von seiner sportlichen Leistung redet leider kaum einer. Doch wie er trotz seiner Masse schon eine ausgeprägte Technik hat, ist beeindruckend. Das erinnert mich an den jungen Matthias Sempach.»

«Er wird seinen Weg gehen»

Für Bucher ist Lüscher ganz klar ein Glücksfall. «Wie Sinisha tickt, hat man nach seinem Titel am Wochenende gesehen. Am Montag war er ins Kantonaltraining der aktiven Solothurner eingeladen. Der Plan war es, dass er sich dort zeigt und die Gratulationen entgegen nimmt. Doch Sinisha sagte mir klipp und klar: ‹Ich will schwingen, deshalb trainiere ich gleich mit.›»

Dunkelhäutige Nationalspieler

War früher alles besser? Definitiv nicht! Heute gehören dunkelhäutige Fussballer (und auch Eishockeyspieler) zum Glück längst zum Alltagsbild. Früher aber, da war das noch gänzlich anders. In der Fussball-Nati lief 1951 erstmals ein Schwarzer für die Schweiz auf. Sein Name: Raymond Bardel. Nach zwei Länderspielen war aber bereits wieder Schluss für den Waadtländer mit afrikanischen Wurzeln.

Es sollte danach 38 Jahre dauern, bis es mit Philippe Douglas wieder ein Dunkelhäutiger in die Nati schaffte. Auch in der NLA hätte es damals kaum Schwarze gehabt, erzählte Douglas 2017 Blick: «Es war eine harte Zeit. Man musste auf das Rassistische nicht reagieren und antworten. Man musste widerstehen.»

In der Schweizer Eishockey-Nati lief 2006 mit Michaël Ngoy erstmals ein dunkelhäutiger Spieler auf. Wenig später folgte Clarence Kparghai.

War früher alles besser? Definitiv nicht! Heute gehören dunkelhäutige Fussballer (und auch Eishockeyspieler) zum Glück längst zum Alltagsbild. Früher aber, da war das noch gänzlich anders. In der Fussball-Nati lief 1951 erstmals ein Schwarzer für die Schweiz auf. Sein Name: Raymond Bardel. Nach zwei Länderspielen war aber bereits wieder Schluss für den Waadtländer mit afrikanischen Wurzeln.

Es sollte danach 38 Jahre dauern, bis es mit Philippe Douglas wieder ein Dunkelhäutiger in die Nati schaffte. Auch in der NLA hätte es damals kaum Schwarze gehabt, erzählte Douglas 2017 Blick: «Es war eine harte Zeit. Man musste auf das Rassistische nicht reagieren und antworten. Man musste widerstehen.»

In der Schweizer Eishockey-Nati lief 2006 mit Michaël Ngoy erstmals ein dunkelhäutiger Spieler auf. Wenig später folgte Clarence Kparghai.

Diese Episode beweist: Lüscher, der im nächsten Sommer die Schule abschliessen wird, wills wissen. Ab nächstem Jahr wird er bei den Aktiven teilnehmen dürfen. «Wenn keine schwerwiegende Verletzung dazwischen kommt, wird er seinen Weg gehen», prophezeit Bucher.

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