Es ist der Tiefpunkt in der sportlichen Laufbahn von Patrick Räbmatter. Am ersten Juni-Sonntag verpasst er als Eidgenosse beim Aargauer Kantonalen in Lenzburg den Kranz. Die ersten drei Ränge belegen an diesem Tag mit Schwingerkönig Christian Stucki, Joel Strebel und Andreas Döbeli drei Athleten, die alle vom selben Mann geschliffen werden. Die Rede ist vom ehemaligen Bob-Vize-Schweizer-Meister und Kranzschwinger Tommy Herzog.
«Vielleicht kann der Tommy auch mich vorwärtsbringen», denkt sich Räbmatter und meldet sich kurz nach dem Desaster von Lenzburg erstmals bei Herzog in Beromünster. Der Kraft- und Konditions-Guru erkennt das Potenzial einer Zusammenarbeit mit dem 45-fachen Kranzgewinner sofort. Herzog stellt Räbmatter trotzdem ein Ultimatum: «Ich werde dich nur trainieren, wenn du sofort aufhörst zu rauchen.»
Tatsächlich hat «Räbi» seither keine einzige Zigarette mehr angezündet. Und das Training mit Herzog scheint die gewünschte Wirkung zu bringen. Bei den Berg-Klassikern Brünig und Rigi belegte Patrick jeweils den vierten Schlussrang. «Sein grösstes Problem liegt derzeit noch im Kopf», glaubt Herzog. «Patrick besitzt eine enorme Rohkraft. Aber im Moment fehlt ihm die mentale Stärke, um diese enorme Muskelkraft im Zweikampf regelmässig gewinnbringend einzusetzen. Er hat noch gar nicht kapiert, wie stark er wirklich ist.»
Auch der Menü-Plan wird mittelfristig verändert
Herzog erkennt bei seinem neuen Schützling, der mit Vorliebe Schnitzel mit Pommes mampft, aber auch noch ordentliche körperliche Defizite: «Er bringt bei einer Grösse von 1,87 Meter 150 Kilo auf die Waage. Das ist eindeutig zu viel. Deshalb werde ich mit ihm auch den Ernährungsplan überarbeiten müssen.»
Das wird aber erst am Ende dieser Saison passieren. «Nachdem ich dem Räbi nun schon ein Rauchverbot erteilt habe, würde ich ihm wahrscheinlich komplett den Verleider machen, wenn ich ihm nun auch noch eine radikale Diät verordnen würde. Wir werden seinen Menüplan im Hinblick auf das nächste Jahr ganz behutsam verändern.»
Tattoos dienen als Andenken an den Grossvater
Bevor er den Gang in Herzogs «Folterkammer» angetreten hat, wurde Räbmatter, der im elterlichen Transport-Unternehmen als Chef-Disponent tätig ist, vor allem von einem Mann geprägt – von seinem vor 18 Jahren verstorbenen Grossvater. Wegen ihm hat er sich Sonnen auf die Ellbogen tätowieren lassen.
«Wenn ich an meinen Grossvater denke, geht für mich die Sonne auf», erklärt der 30-Jährige. «Grossvater hat schon früh gesagt, dass aus mir eines Tages ein guter Schwinger wird.» Trotzdem hat es lange gedauert, ehe der Koloss aus der Region Zofingen erstmals den Weg zum Sägemehlring gefunden hat. «Zuerst habe ich mich als Goalie beim FC Schöftland versucht. Ich war bereits 17, als mich der Ex-Freund meiner Schwester zum ersten Mal in den Schwingkeller mitgenommen hat.»
Trotz Spätstart: Räbmatter konnte bereits ein Kranzfest gewinnen – 2015 triumphierte er am Basellandschaftlichen. Dank dem königlichen Know-how seines neuen Coachs gehört Räbmatter auch heute am Basellandschaftlichen in Muttenz zu den heissesten Anwärtern auf den Festsieg.