Dieser Brünig-Triumph tut Pirmin Reichmuth (28) ganz besonders gut. «Heute habe ich einige Mäuler gestopft», sagt er nach dem Schlussgang lächelnd zu Blick. In den letzten Monaten musste der 1,98-Meter-Mann viel Kritik einstecken. «Das hat mich mega verletzt», gibt Reichmuth zu.
Kritisiert wurde unter anderem sein Entscheid, sich vom langjährigen Athletiktrainer Tommy Herzog zu trennen. Aktuell schreibt der Physiotherapeut mit eigener Praxis seine Trainingspläne selber. Das würde ihn zu sehr beschäftigen, munkelten einige Schwingbeobachter. Auch aus seinem näheren Umfeld gab es kritische Stimmen.
Andere bemängelten seine körperliche Verfassung. Die Spritzigkeit würde ihm fehlen, hiess es auf den Schwingplätzen. Womit er tatsächlich kämpfte, war die Konstanz. Reichmuth verhaute immer mindestens einen Gang pro Schwingfest. Zuletzt verlor er im Anschwingen auf dem Weissenstein gegen Damian Ott.
König Wenger chancenlos
Auch im Alltag sah sich Reichmuth mit kritischen Bemerkungen konfrontiert. «Es tat mir sehr weh, wenn mich die Leute auf der Strasse ansprachen und fragten, was mit mir los sei. Dabei habe ich gar nicht so schlecht geschwungen.» Tatsächlich kann sich seine Saisonbilanz sehen lassen. Auf dem Weissenstein und auf dem Stoss belegte der Eidgenosse jeweils den zweiten Rang.
«Manchmal vergessen die Leute, dass wir auch nur Menschen sind. Der Übergang von der Nachwuchshoffnung zur Person, die jetzt dann bald aufhören muss, ist fliessend», sagt er augenzwinkernd.
Sein Sieg auf dem Brünig lässt die Kritiker vorerst verstummen. Bereits im ersten Gang zeigt der Familienvater seine Entschlossenheit. Reichmuth bezwang König Kilian Wenger. «Dabei habe ich in der letzten Nacht vor lauter Nervosität nur eine Stunde geschlafen.» So sehr habe er diesen Bergfestsieg gewollt.
Komfortable Schlussgang-Ausgangslage
Als Schlüsselgänge bezeichnet er die Kämpfe zwei und drei. Dort legt er die Berner Talente Lars Zaugg (22) und Michael Moser (19) aufs Kreuz. Beide sicherten sich am Abend den Kranz. Reichmuths Auftritt erinnerte stark an seinen ersten Sieg am Brünig 2019. Auch damals bezwang er Wenger im ersten Gang und marschierte danach mit vier weiteren Siegen in den Schlussgang. Dort wartete erneut Teilverbandskollege Joel Wicki.
Reichmuth reichte ein Gestellter zum Festsieg. «Ich war überrascht, dass Joel nicht mehr machte.» In den 14 Minuten gab es kaum einen Angriff. «Das Halt des Kampfrichters am Gangende war eine Erlösung.» Auch für die Zuschauer.
Reichmuth rettet Innerschweizer Mega-Serie
Reichmuth, der kürzlich ein Haus gekauft hat, rettete mit seinem Sieg eine 55-jährige Serie der Innerschweizer. Seit 1969 haben sie in jeder Saison ein Bergfest gewonnen. In diesem Jahr verpassten die Innerschweizer auf dem Stoos, auf dem Weissenstein und auf der Rigi den Festsieg. Noch schlimmer: Sie qualifizierten sich nicht einmal für den Schlussgang. Die letzte Chance, die Berg-Blamage abzuwenden, nutzten sie auf dem Brünig.
Vor den Augen von Samuel Giger lieferte Reichmuth eine beeindruckende Leistung ab. Schwingt der Zuger mit derartiger Überzeugen, ist er ein heisser Kandidat auf den Sieg beim Jubiläumsschwingfest Anfang September.