Adrian Walther (22) besitzt eine Gabe, die sich viele Menschen wünschen. «Esse ich zwei Tage normal, bin ich fast zwei Kilo leichter.» Eine tolle Sache? Nicht für den Spitzenschwinger. Seit Jahren kämpft der Berner Doppelmeter mit seinem Gewicht. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Erlebnis kurz vor dem Kilchberger Schwinget 2021.
«Als ich auf die Waage stieg, zeigte sie 103 Kilo an», erzählt er Blick im Rosengarten in Bern. Acht Kilo fehlten im Vergleich zum Saisonbeginn. «Das habe ich gespürt.» In den Kämpfen fehlte ihm die Wucht in seinen Schwüngen. Der gelernte Hochbauzeichner wurde Sechster. «Nach den Erfahrungen am Kilchberger Schwinget musste ich etwas ändern.»
Trainingsumfeld gewechselt
Der Mann aus Habstetten bei Bolligen BE begann, mehr zu essen. Messungen ergaben, dass er an einem Trainingstag über 5000 Kalorien zu sich nehmen musste. «Manchmal ist das ein richtiger Kampf.» Vor allem im WK in Magglingen BE, wo die Belastung höher ist als im Trainingsalltag. «Nach dem Menü gibt es eine Extra-Portion Teigwaren. Egal, ob ich noch Hunger habe oder nicht.» Zudem trinkt Walther verschiedene Shakes. Auch Nahrungsergänzungsmittel, die besser auf die Bedürfnisse seines Körpers abgestimmt sind, helfen ihm.
Sein neues Essverhalten zahlt sich aus. Im Jahr 2022 verliert er während der Saison nur noch drei Kilogramm. Im Frühjahr 2023 setzt der Brünig-Sieger auch im athletischen Bereich neue Impulse. Von Tom Burri, der mit YB einige Erfolge feierte, wechselte er zu Schwingerkönig Matthias Glarner (38). «Es war Zeit für etwas anderes», begründet Walther seinen Entscheid. Nun trainiert er unter anderem mit den Spitzenschwingern Staudenmann, Curdin Orlik und Lario Kramer.
Niederlage als besondere Motivation
Im letzten Winter hat der Sohn eines Zimmerei-Inhabers nochmals acht Kilo zugenommen. Athletiktrainer Glarner spricht in diesem Zusammenhang gerne von «Qualitätsfleisch» – also Muskelmasse. «Acht Kilo mehr Fett bringen mir nichts», erklärt Walther. Gleichzeitig warnt er davor, mehr Gewicht mit mehr Erfolg gleichzusetzen. «Die zusätzliche Masse macht dich zunächst träger.» Ausserdem brauche man eine bessere Kondition. Die hat Walther über den Winter aufgebaut.
Heute wiegt er 123 Kilogramm. Das sind 20 Kilo mehr als vor dreieinhalb Jahren. Wie viel Kraft in seinen Schwüngen steckt, bekam Samuel Giger vor zwei Wochen am Schwarzsee zu spüren. Erstmals lag der 1,94-Meter-Mann im Duell mit Walther auf dem Rücken. Revanche geglückt. «Die Niederlage gegen Samuel im Unspunnen-Schlussgang hat mich im Winter zusätzlich motiviert.»
Auf der Suche nach der einen Person
Im Krafttraining stellte Walther neue Bestwerte auf. «Ich bin eher ein Kopfmensch, hinterfrage vieles. Deshalb hilft es mir, wenn ich die Fortschritte schwarz auf weiss sehe.» Der Gewichtsverlust während der Saison ist kein Thema mehr. «Das habe ich mittlerweile gut im Griff.» Den zusätzlichen Kalorien sei Dank. Eine andere Baustelle begleitet ihn aber nach wie vor.
«Manchmal fehlt mir die Spannung. Ich bin zu locker. Dort liegt bei mir noch viel Potenzial.» Im mentalen Bereich hat er schon einiges ausprobiert. Noch fehle ihm die Person, die ihn entscheidend weiterbringe. «Dazu braucht es ein grosses gegenseitiges Vertrauen.»
Worauf Walther verzichten muss
Walther sucht in allen Bereichen nach Optimierungspotenzial. Dafür verantwortlich ist sein gewaltiger Ehrgeiz. «Schon als Kind wollte ich jedes Spiel gewinnen.» Nun strebt er nach dem Königstitel. Was auch mit Verzicht verbunden ist. «Ich sehe meine Kollegen nicht mehr alle zwei Wochen. Vielleicht nur alle zwei Monate, oder einmal im Jahr.»
Grundsätzlich habe er sich aber bewusst für diesen Weg entschieden, um den grösstmöglichen Erfolg anzustreben. «Im Moment setze ich voll und ganz auf den Sport und den Beruf.» Derzeit arbeitet Walther zu 40 Prozent als Hochbauzeichner. Im Herbst wird er ein Architekturstudium beginnen. «Die Zeit als Sportler ist sehr begrenzt. Nach 35 Jahren ist es in den meisten Fällen vorbei. Deshalb will ich das Beste aus diesem Lebensabschnitt machen.»
Grosse Unterstützung von der Tribüne
Am Sonntag will Walther in Menzingen ZG den Spielverderber spielen. «Ich möchte die Innerschweizer bestmöglich herausfordern», sagt der Berner Gast. Bereits im ersten Gang wartet eine schwere Aufgabe. Walter trifft auf den wieder fitten König Joel Wicki (27). Auf der Tribüne wird ihm unter anderem sein Vater Markus die Daumen drücken. Dieser erschwang sich 1995 mit seinem berüchtigten «Links-Churz» den Eidgenössischen Kranz. Auch Walthers Mutter und seine Freundin werden vor Ort sein.