Hosen-Zoff um Schurtenberger
Nach dem zweiten Gang stapft Sven Schurtenberger (33) verärgert in Richtung Kampfrichtertisch. Soeben hat er This Kolb platt bezwungen. Trotzdem erhält der Luzerner nicht die Maximalnote. Vor dem Gang zieht ihm der Kampfrichter einen Viertelpunkt ab. Seine Hose sei zu locker gewesen. «Er sagt mir, ich solle den Gurt um ein Loch anziehen. Das habe ich getan», erklärt er nach dem Sieg am Kampfrichtertisch. «Du hast kein Loch angezogen», widerspricht der Platzkampfrichter. «Ich habe nachgezogen. Du hörst es doch klöpfen», entgegnet der Schwinger. Die Aussenmikrofone vom SRF nehmen den Dialog auf. Weil es nach der ersten Verwarnung aus Sicht des Platzkampfrichters nicht besser wurde, bestraft er Schurtenberger. So will es das technische Regulativ.
«Du musst nicht mit mir diskutieren», betont der Platzkampfrichter und ergänzt: «Du bist verantwortlich für die Hose. Fertig jetzt!» Der Mann am Kampfrichtertisch ignoriert Schurtenberger und ruft die nächste Paarung aus: «Aeschbacher und Rotach.» Dann fordert der Luzerner den Platzkampfrichter auf, seinen Gurt zu lösen. «Das geht mich nichts an», antwortet dieser. Jener am Tisch versucht es und hat grösste Mühe. Kopfschüttelnd meint Schurtenberger: «Wenn du die Hosen so eng anziehen musst, tut es mir leid.»
Blick spricht Schurtenberger am Mittag auf die Szene an. «Das Regulativ ist schwammig ausgelegt. Aber ich will nicht näher darauf eingehen. Das müssen sie jetzt oben klären.» Zum Schluss schlägt der 140-Kilo-Koloss versöhnliche Töne an: «Der Platzkampfrichter und ich durften etwas lernen.»
Modefans auf frischer Tat ertappt
Die Dichte an Edelweisshemden ist am Nordostschweizerischen in Meilen ZH aussergewöhnlich hoch. «Viele sehen so aus, wie wenn diese gerade frisch aus der Verpackung kämen», meint SRF-Kommentator Stefan Hofmänner während der Liveübertragung. So entlarven sich die Modefans gleich selbst. Damit Ski-Star Marco Odermatt ein solcher «Fehler» nicht unterläuft, liess er sich einst vom Eidgenossen Pirmin Reichmuth beraten. «Vor meinem ersten Besuch an einem Eidgenössischen habe ich Pirmin gefragt, was ich für diesen Anlass anziehen soll. Seine Antwort: ‹Ganz sicher kein Edelweisshemd, weil man daran den Modefan erkennt ...›»
Sensation – auch dank der Einteilung
Loïc Pasquier (22) feierte am Samstag den grössten Erfolg seiner Karriere. Er triumphierte überraschend am Waadtländer Kantonalen. «Die Einteilung war speziell», gibt der Sieger gegenüber Blick zu. Die vier Eidgenossen Thomas Sempach, Romain Collaud, Sven Hofer und Lario Kramer wurden teilweise mehrfach gegeneinander eingeteilt. Das führte zu einem überraschenden Schlussgang-Duell. Pasquier traf auf Jürg Stucki (22). Und machte mit diesem kurzen Prozess. Nach sieben Sekunden konnte er sich als Sieger feiern lassen. «Am Morgen hatte ich kein gutes Gefühl», erklärt er am Tag danach. Mit jedem Sieg stieg das Selbstvertrauen.
Besonders beeindruckend: Vor diesem Triumph hatte Pasquier erst einen Kranz zu Hause – 2022 holte er ihn als Siebter am Neuenburger Kantonalen. Zum Schwingen fand der Fribourger ungefähr mit zehn Jahren. Neben dem Sport arbeitet der 1.94-Meter-Mann als Landwirt. «Den Siegermuni habe ich nach Hause genommen», berichtet er stolz. Sein nächstes Ziel ist der Kranzgewinn am Südwestschweizerischen in Riaz. Das Fest wird von seinem Schwingklub La Gruyère organisiert.
Orlik-Ärger wegen eines Viertelpunktes
Trotz des Sieges im fünften Gang ist Armon Orlik sichtlich enttäuscht. Der Bündner verpasst im Eidgenossen-Duell gegen Martin Hersche die Maximalnote. Bevor er seinen Gegner noch einmal vom Boden aufnehmen kann, legt sich dieser auf den Rücken. «Schade, habe ich es dort verhauen», sagt Orlik nach dem Fest. Auf die Schlussgang-Teilnehmer Werner Schlegel und Domenic Schneider fehlt ihm ein viertel Punkt. «Ich fühlte mich super. Das macht es umso ärgerlicher.» Im sechsten Gang verpasst er gegen Lars Voggensperger den Sieg. «Dieser Kampf ging in die Hose. Lars stellte sich sehr gut ein auf mich.» Letztlich klassierte sich Orlik auf dem starken zweiten Rang.
Grosse Freude bei den Burkhalters
Das hätte Thomas Burkhalter (21) noch vor wenigen Wochen niemand zugetraut! Der Sohn von Schwing-Rentner Stefan Burkhalter (50) verlor in der Rekrutenschule als Militärpolizist rund 15 Kilogramm. Gleichzeitig kämpfte er mit Müdigkeit und fehlendem Schwingtraining. Ein Kranzgewinn in dieser Saison blieb ihm verwert. Und dann das: Am Nordostschweizerischen besiegt er vier seiner sechs Gegner und wird Dritter. Im Kampf um den Kranz bodigt er Roman Schnurrenberger knapp zwanzig Sekunden vor Schluss. Am Platzrand fiebert sein Vater mit. «Seine Unterstützung hat mir sehr geholfen», sagt der glückliche Kranzgewinner. Inzwischen hat Thomas wieder einige Kilos zugelegt. Aktuell wiegt er 106 Kilogramm, immer noch deutlich weniger als vor der RS. «Meine Ausdauer und Schnellkraft sind besser als vorher.» Mit dem Teilverbandskranz sammelt Burkhalter Argumente für eine Selektion am Jubiläumsschwinget Anfang September.
Der verflixte erste Gang
Der Berner Matthieu Burger (22) kennt keine Gnade mit sich selbst: «Ich war nicht bereit!» Wie vor einer Woche am Schwarzsee liegt Burger auch am Nordostschweizerischen nach wenigen Sekunden auf dem Rücken. War es am Bergfest noch Werner Schlegel, ist es diesmal Domenic Schneider, der ihn bezwingt. «Ich muss etwas ändern.» Was genau, weiss er noch nicht.
Seine Reaktion nach der Startpleite ist stark. Bis auf den Gang gegen den späteren Festsieger Schlegel gewinnt er alle weiteren Kämpfe. Am Abend darf er sich den Kranz aufsetzen lassen. Und das trotz suboptimaler Vorbereitung. Burger sprang für den erkrankten Fabian Staudenmann ein. Die offizielle Bestätigung erhielt der Mann aus Les Prés-d'Orvin JU am Freitagmorgen. Gleichzeitig machten sich bei ihm Grippesymptome bemerkbar. «Ich hatte Halsschmerzen und Husten. Deshalb fehlten mir heute etwas die Explosivität und die Ausdauer». Burger feierte vor wenigen Wochen am Neunburger Kantonalen seinen ersten Kranzfestsieg.
War Schneider auf dem Rücken?
Für grosse Diskussionen beim Mittagessen sorgte der Gang zwischen Andreas Döbeli und Domenic Schneider. Der Gast aus der Nordwestschweiz überdreht den 150-Kilo-Mann aus dem Thurgau am Boden. Weil sich «Dodo» angeblich ohne übermässigen Sägemehlkontakt am Rücken von der einen auf die andere Seite drehte, geben die Kampfrichter das Resultat nicht. «Wenn man die Videobilder anschaut, sagen wohl alle, die nicht aus dem Kanton Thurgau kommen, dass er unten war», meint Döbeli nach dem Fest zu Blick.
Hätte «Dodo» diesen Kampf verloren, wäre er mit dem Gestellten im vierten Gang gegen Marcel Räbsamen aus der Schlussgang-Entscheidung gefallen. Es sollte anders kommen. Zwanzig Sekunden vor Ablauf der Zeit legt Schneider Döbeli auf den Rücken. Dass es für einen Gast an einem Teilverbandsfest besonders schwierig ist, weiss der Aargauer. «Alle sind gegen dich. Deine Gegner wollen stellen, die Einteilung schaut zuerst auf alle anderen und die Kampfrichter haben vielleicht teilweise auch eine NOS-Brille an.»
Gleichzeitig betont Döbeli: «Am Ende hat mir die Einteilung eine faire Chance gegeben.» Im Kampf um den Kranz besiegte er den Teilverbandskranzer Lars Rotach. Das Wichtigste sei ohnehin die Gesundheit. Das wurde Döbeli am Samstag einmal mehr bewusst. «Wir haben Joel Strebel im Spital besucht. Wenn man das sieht, ist man einfach froh, wenn man am Abend gesund nach Hause gehen kann.» Strebel hat sich auf dem Stoos das Kreuzband gerissen und fällt für die ganze Saison aus.