Die Nervosität ist in der schwingverrückten Innerschweiz bereits vier Tage vor dem Anschwingen beim Eidgenössischen greifbar. Es ist vor allem eine Frage, die bei vielen Bewohnern in den Ur-Kantonen ein heftiges Kribbeln in der Magengegend auslöst: Wird Pirmin Reichmuth rechtzeitig fit?
Bis vor drei Wochen wurde der Zuger mit Muotathaler Wurzeln auch jenseits der Vierwaldstättersee-Region als stärkster Herausforderer von Samuel Giger gehandelt. Doch dann wurde der 27-Jährige, der in den letzten acht Jahren vier Kreuzbandrisse in Kauf nehmen musste, erneut durch eine Verletzung gestoppt. Auf dem Brünig hat der Drittplatzierte des letzten Eidgenössischen in Zug kurz nach dem souveränen Sieg gegen König Wenger im Kampf mit Severin Schwander eine Blessur an der Bizepssehne erlitten. Heute Dienstag wird Reichmuth ein paar Stunden nach einem Härte-Test im Sägemehl entscheiden, ob der ESAF-Start mit diesem Handicap Sinn macht.
Reichmuth ist Odermatts Schwing-Modeberater
Einer, der ganz besonders mit dem Brünig-Sieger von 2019 leidet, ist Alpin-Gesamtweltcupsieger Marco Odermatt (24). Weil sich Odermatt und Reichmuth mit Michael Schiendorfer den Manager teilen, kennen sich die beiden schon seit Jahren. Vor ein paar Wochen hat der Riesenslalom-Olympiasieger den fünffachen Kranzfestsieger als Testesser verpflichtet. Warum? Marco hat gemeinsam mit Beromünsters Käse-König und InterCheese-Boss Peter Häfeli ein «Odi-Fondue» entwickelt, das zu einem Drittel aus Nidwaldner Käse besteht. Während Reichmuth genüsslich mit der Zunge schnalzt, verrät Odermatt, dass er seinen «bösen» Freund auch schon als Modeberater beansprucht hat. «Vor meinem ersten Besuch an einem Eidgenössischen habe ich Pirmin gefragt, was ich für diesen Anlass anziehen soll. Seine Antwort: ‹Ganz sicher kein Edelweisshemd, weil man daran den Modefan erkennt ...›»
Reichmuth schmunzelt: «Es gibt tatsächlich viele Leute, die vor ihrem ersten Besuch an einem Schwingfest glauben, dass man bei uns ein mit Edelweissen besticktes Hemd tragen müsse. Aber das stimmt nicht.» Er selber trägt im Sägemehl übrigens auch kein Edelweiss-Hemd – Pirmin kämpft stattdessen wie sein Jugend-Idol Matthias Sempach in einem hellblauen Oberteil.
Trainer glaubt an Happy End
Marco Odermatt weiss seit dem letzten Kilchberg-Schwinget, dass es noch ein anderes Klischee gibt, dem viele Schwinger nicht gerecht werden. «Bis dahin habe ich geglaubt, dass an einem Schwingfest alle die Nationalhymne inbrünstig mitsingen. In Wahrheit waren es aber in Kilchberg nicht viele, die den Schweizerpsalm gesungen haben.» Wie textsicher ist Kollege Reichmuth bei «Trittst im Morgenrot daher?»
«Ich habe zumindest die erste Strophe unserer Hymne absolut im Griff.» Und Reichmuths Trainer Tommy Herzog glaubt daran, dass sein Schützling auch am nächsten Samstag vor dem Anschwingen in Pratteln singen wird: «Pirmin hat nach der Verletzung auf dem Brünig einen Reha-Plan für sich kreiert, den er nun perfekt durchgezogen hat. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass sein Körper den Start am ESAF zulassen wird!»
Wirklich? Reichmuth wird seine Entscheidung am Dienstagnachmittag verkünden.
