Der Jodlerklub aus der Seeländer Gemeinde Diessbach BE liefert den Beweis, dass sich heimelige Klänge und die neue deutsche Härte nicht mehr fremd sind. Stephanie Auderset erklärt anlässlich der Probe, warum sie ihre drei Kolleginnen und die 20 Kameraden an diesem Wochenende nicht ans Eidgenössische nach Zug begleiten wird: «Ich habe ein Ticket für das Rammstein-Konzert in Bern erhalten. Das darf ich mir einfach nicht entgehen lassen.»
Dass eine ihrer Jodlerinnen am Samstag lieber zu den Rammstein-Klängen mit dem umstrittenen Frontmann Till Lindemann (60) abrockt, als im Zuger Casino das Lied Bergwald interpretiert, können ihre Kollegen durchaus nachvollziehen. «Es ist doch schön, wenn die jungen Leute die traditionelle wie die moderne Musik gut finden», sagt der Tenor Willi Stucki.
Der ehemalige Kranzschwinger hat selber einen ganz grossen Sohn, der in den letzten Jahren ebenfalls das Moderne mit der Tradition verbunden hat: Willi ist der «Päpu» von Schwingerkönig Christian Stucki (38).
Auszeit wegen zu viel «Gschtürm»
Der gelernte Schlosser hat früher ebenfalls als Schwinger für Aufsehen gesorgt. 1983 und 1986 hat sich der 13-fache Kranzgewinner für das ESAF qualifiziert. Nach seiner «bösen» Karriere hat es nicht allzu lange gedauert, ehe er dem Jodlerklub Diessbach beigetreten ist. Weil dies jedoch nicht ohne störende Nebengeräusche verlaufen ist, hat sich Stucki Senior eine längere Auszeit genehmigt. «Ich bin immer aus reiner Freude am Singen in den Klub gegangen, aber irgendwann war mir das «Gschtürm» in unserem Klub zu gross. Zudem wollte ich an den Wochenenden Chrigus Schwingfeste besuchen, deshalb war ich länger nicht mehr aktiv im Jodlerklub tätig.»
Nachdem sein königlicher Sprössling die Zwilchhosen nach seinem Triumph am Seeländischen nun für immer an den Nagel gehängt hat, frönt der 66-Jährige wieder mit grösster Leidenschaft dem Jodelgesang. Zumal sich die Stimmung und das Niveau unter der Dirigentin Monika Diethelm-Haldimann im Jodlerklub Diessbach stark verbessert hat. Mit der Benotung «Gut» haben sich die Diessbacher am Berner Kantonalen für das Eidgenössische qualifiziert.
«Auch Chrigu hat eine sehr gute Stimme»
Dass dieser Gesangswettbewerb ausgerechnet in Zug über die Bühne geht, betrachtet Willi Stucki als gutes Omen. «2019 ist Chrigu in Zug Schwingerkönig geworden. Entsprechend gross ist meine Hoffnung, dass wir jetzt am selben Ort für unseren Gesangsbeitrag von der Jury mit der höchsten Auszeichnung benotet werden.»
Die Vorbereitung auf dieses Grossereignis ist für Stucki jedoch nicht problemlos verlaufen. «Vor drei Wochen hatte ich irgendetwas im Hals und habe zwei Tage lang keinen Pieps mehr herausgebracht. Ich musste deshalb für zwei Proben aussetzen.» Doch rechtzeitig vor der Abfahrt nach Zug klingt Stuckis Stimme astrein.
Singt König Stucki bald im Chor?
«Willi ist ein guter, sicherer Sänger», lobt die Dirigentin. Papa Willi ist überzeugt, «dass auch Chrigu eine sehr gute Stimme hat. Er ist eben ein absolutes Multi-Talent.» Präsident Christian Lüdi hat seine Fühler nach dem zurückgetretenen Überschwinger schon längst ausgestreckt: «Beim Königs-Empfang vor vier Jahren habe ich Chrigu gefragt, ob er nach seiner Schwingerkarriere zu uns in den Jodlerklub kommen würde. Er hat mir versichert, dass Jodeln zumindest nicht das letzte sei, was er sich vorstellen könnte …»
Erobert der starke Diessbacher-Clan nach der Schwinger-Krone tatsächlich auch den Jodler-Thron? Die Antwort gibt es am Samstagabend.