Zu den emotionalsten Kämpfen in der Karriere von Kilian Wenger (34) gehört jener auf dem Brünig 2021. Im Schlussgang stand ihm Ruedi Roschi (33) gegenüber. Der Schwingerkönig und der Sohn von David Roschi (König 1972) sind seit ihrer Kindheit befreundet. Die beiden Diemtigtaler gehörten dem gleichen Schwingklub an. Als Zimmermänner arbeiteten sie im selben Betrieb. Und von 2010 bis 2013 wohnten die Freunde in einer WG.
Das hinderte Wenger nicht daran, Roschi nach wenigen Sekunden im Sägemehl zu vergraben. «Schade, dass es nicht länger ging», sagt er lachend zu Blick. Während Roschi aktuell mit Schulterproblemen zu kämpfen hat, trat sein Freund am Freitag vom Schwingsport zurück. Was bleibt, sind viele unvergessliche Momente.
König Wenger – das Vorbild
Einen schmerzhaften Zwischenfall erlebten die beiden während der Lehrzeit. Roschi besass ein Trial-Motorrad. «Als Kilian damit fahren wollte, überschlug es ihn. Er hat sich einige Schürfwunden zugezogen.» In guter Erinnerung hat Roschi die Zeit in der gemeinsamen Wohnung. «Es war eine typische Männer-WG. Mit dem Putzen haben wir es nicht so genau genommen.»
Auf dem Schwingplatz schaute Roschi zu Wenger hoch. «Kilian war mein Vorbild. Er konnte seine Leistung auf den Punkt genau abrufen, das habe ich an ihm bewundert.» Roschi ist mit der Schwester des Schwyzer Spitzenschwingers Christian Schuler (36) liiert. Auch der fünffache Eidgenosse hat einiges zu erzählen.
Schöne Geste auf Whatsapp
Eine Episode ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. «Nach dem Brünig-Schwinget 2011 besuchten Grab, Sempach, Wenger, weitere Kranzgewinner und ich das Seenachtfest in Lungern OW. Alle konnten unbemerkt durch die Menge gehen. Ausser Kilian, der unzählige Fotos machen musste. Für mich war er der erste Superstar des Schwingsports.»
Schuler gehörte zum kleinen Kreis, der die Rücktritts-Whatsapp von Wenger erhielt. «Darin fragte er mich, wie es mir nach dem Brünig gehe. Er wusste, dass mich diese Leistung beschäftigt.» Das zeige, wie sehr er sich auch für das Leben anderer Menschen interessiere. Schuler musste den Wettkampf auf dem Brünig nach vier Kämpfen verletzungsbedingt beenden.
So blieb genügend Zeit, um den letzten Gang von Wenger zu verfolgen. «Ich habe mit ihm mitgefiebert. Ich sah, wie er litt. Ich hätte ihm den Brünig-Kranz von Herzen gegönnt. Er hätte einen schöneren Abschluss verdient.» Wenger musste sich Steven Moser geschlagen geben.
Die spezielle Aura von Wenger
Dieses Ende schmerzte auch seinen Athletiktrainer Matthias Glarner (38). Der König von 2016 behält Wenger als einen in Erinnerung, der immer besser werden wollte. «Damit ging er uns manchmal auf die Nerven – im positiven Sinne.» Als Nachwuchsschwinger forderte er die Arrivierten ständig heraus. «Um 21.35 Uhr wollte er noch einen Kampf bestreiten, obwohl das Training schon vorbei war», erzählt Glarner.
Auch die Aura des Schwingerkönigs hat Glarner beeindruckt. «Es hatte etwas Magisches, wenn er den Schwingkeller betrat.» Im Kraftraum fiel Wenger durch etwas anderes auf. «Kilian nahm nicht sehr gerne das Gewicht von den Hanteln. Das durften ich und Simon Anderegg (Ex-Schwinger und Cousin von Matthias, Anm. d. Red) erledigen», meint er schmunzelnd. Der Berner Eidgenosse Michael Wiget (25) streicht die Hilfsbereitschaft von Wenger hervor. «Er gab mir im Training viele wertvolle Tipps.»
Etwas erwähnen alle vier Weggefährten. «Kilian ist nach dem Königstitel derselbe geblieben.» Ein tolles Kompliment, wenn man bedenkt, was grosse Erfolge schon mit anderen Sportlern gemacht haben. «Er war und blieb extrem bodenständig.» Auch wegen dieser Eigenschaft wird ihn der Schwingsport schmerzlichst vermissen.