Kilian Wenger musste sich in den letzten Jahren einiges an Häme und Spott anhören. Die unbeschwerte Leichtigkeit sei schon länger weg, die Krone des Königs werde zunehmend zur Belastung. Sein verletzungsgeplagter Körper stehe im Widerspruch zur Erwartungshaltung an einen Mann, der im Schwingsport vor 14 Jahren für ein veritables sportliches Erweckungserlebnis gesorgt hat.
Wie ein Orkan fegte der 20-jährige Berner Oberländer Aussenseiter beim Eidgenössischen in Frauenfeld 2010 durch den Sägemehlring. Bruno Gisler, Ivo Laimbacher, Reto Nötzli, Mario Thürig, Jörg Abderhalden, Benji von Ah, Michael Bless und Martin Grab. Acht Kämpfe, acht Siege. Mit einer entschlossenen Eleganz und fast spielerischer Leichtigkeit, die man bis dahin nicht gesehen hatte.
Zwar begann der Boom des Nationalsports schon 2004 beim Eidgenössischen in Luzern. Aber der Königstitel von Wenger läutete eine neue Ära ein. Und war nebenbei der Auftakt zum Jahrzehnt der Berner Dominanz.
Der junge, gut aussehende Modellathlet reisst an diesem August-Wochenende im Thurgau den Zaun der Bier- und Stumpengesellschaft nieder. Und machte das Schwingen auch bei Frauen und jungen Menschen populär. Fragt man heute die Spitzenschwinger, wie sie zu diesem Sport gefunden haben, lautet die Antwort vielfach: «Ich habe 2010 das Eidgenössische und Kilian Wenger gesehen. So wollte ich auch werden.»
Der wohltuend bescheidene und bodenständige Kilian Wenger mag in den letzten Jahren nicht mehr der Topathlet vergangener Zeiten gewesen sein. Und Wenger hat auch nicht, wie beispielsweise Jörg Abderhalden, eine ganze Ära geprägt.
Und trotzdem ist sein Vermächtnis grossartig. Denn kein anderer Schwingerkönig der Neuzeit hat mit seinem Titelgewinn dem Nationalsport derart viel Frische und Energie eingehaucht und das Schwingen weit über die Szene hinaus populär gemacht und in die Moderne geführt. Das ist sein Verdienst. Und darum ist Kilian Wenger der König der Könige.
Jetzt geht er. Erhobenen Hauptes.