Auf einen Blick
- Sandra Mäder ist unendlich traurig über den Tod von Juniorin Muriel Furrer
- Sie bietet der Familie ihre Unterstützung an
- Wie es ihr seit dem Tod von ihrem Sohn Gino Mäder geht
Blick: Sandra Mäder, wie geht es Ihnen?
Sandra Mäder: Nicht gut. In der Nacht nach Muriels Unfall habe ich kaum geschlafen. Nach jeder halben Stunde habe ich aufs Handy geschaut, ob es neue Informationen gibt. Als am Freitag die Meldung kam, dass sie verstorben ist, habe ich mich gefragt: Warum schon wieder? Es ist unendlich traurig.
Sie haben der Familie nach dem Sturz via Instagram viel Kraft gewünscht.
Ich kenne die Furrers nicht. Aber ich weiss aus eigener, schmerzlicher Erfahrung, was die Familie jetzt durchmacht. Ich würde ihnen gerne helfen, wenn sie das wünschen. Sie können mich jederzeit erreichen – heute, morgen oder wann auch immer.
Warum ist das für Sie wichtig?
Ich kann mir gut vorstellen, wie hilflos sich Muriels Familie jetzt fühlt. Allein dieser Gedanke macht auch weh. Bei Ginos Tod habe ich erfahren, wie brutal es ist, ein Kind zu verlieren.
Sie haben auch mit den Eltern von Jacopo Venzo, der 2023 nur fünf Wochen nach Gino ebenfalls bei einem Velorennen tödlich verunglückte, Kontakt. Wie lief das Ganze ab?
Ich habe mit seinem Team Kontakt aufgenommen und schon fünf Minuten danach erhielt ich die Nachricht, dass Jacopos Vater gerne mit mir reden würde. Das haben wir dann getan – dabei war es für ihn einfach wichtig, dass jemand, der eine ähnliche Erfahrung durchleben musste, zugehört hat. Mit Mutter Jessica tausche ich mich bis heute regelmässig aus. Obwohl ich kein Italienisch und sie kein Deutsch spricht, sind wir heute fast so etwas wie Freundinnen.
Haben Sie das WM-Rennen der Juniorinnen, bei dem Furrer schwer stürzte, gesehen?
Nein. Seitdem Gino nicht mehr da ist, schaue ich gar keine Wettkämpfe mehr live an – weder vor Ort, noch am TV. Am Donnerstag habe ich nach dem Rennen aber gleich die Ranglisten studiert.
Sie waren nie mehr an einem Rennen?
Eine Ausnahme gab es. Bei einem Trainingszeitfahren im Krauchthal, weil ich sehr gut mit der Mutter von Fabian Weiss befreundet bin und er dort gefahren ist.
Weiss ist einer der aufstrebenden Schweizer Profis und war am Freitag im U23-Strassenrennen im Einsatz.
Nur einen Tag nach dem schlimmen Unfall als Familie an der Strasse stehen und dem Sohn zuschauen, muss brutal schwierig sein. Im Gegensatz zu anderen Sportarten bekommt man beim Velo ja vieles gar nicht mit, man sieht seinen Liebsten vielleicht gar nie. Ich habe Ginos Name oft im Live-Tracking oder bei Live-Tickern gesucht – und wenn ich ihn auf Anhieb nicht gefunden habe, war das ein mulmiges Gefühl.
Die WM-Organisation und die UCI haben nach Absprache mit der Familie von Muriel Furrer entschieden, die WM fortzuführen. Die richtige Entscheidung?
Wir haben uns bei der Tour de Suisse nach Ginos Tod auch dafür ausgesprochen, das Rennen weiterzuführen. Natürlich, schlimme Unfälle und Verletzungen sind extrem traurig – Todesfälle sowieso. Aber die Welt bleibt nicht stehen. Und bei einer WM ist da noch ein anderer Aspekt.
Welchen?
Ich fände es gegenüber Athleten aus kleinen Radsport-Ländern wie zum Beispiel Algerien oder der Mongolei unfair, ihnen ein solches Erlebnis zu nehmen. Für sie ist so eine WM womöglich etwas Einzigartiges.
Zurück zu Ihnen. Es heisst, die Zeit heilt Wunden. Aber stimmt dies?
Wenn mir andere Betroffene sagen, dass sie über einen Schicksalsschlag hinweg sind, finde ich das mega. Aber in meinem Fall? Nein, mein Schmerz wird nie enden. Das heisst nicht, dass ich das Leben nicht lebenswert finde und auch geniesse. Aber die Gedanken an Gino kommen immer wieder hoch. Da bin ich wie eine ältere Person, die Liegewunden hat. Meine Haut heilt, ist aber dünn. Und wenn mich etwas trifft – so wie jetzt im Fall von Muriel – reisst sie wieder auf.