Super-Sprinter Cavendish (39) überstand Depressionen und ist nun Tour-Rekordsieger
Mutig wie ein Löwe und schlau wie ein Fuchs

Mark Cavendish musste auf dem Weg zu seinem 35. Tour-Sieg unten durch. Einige belächelten ihn, andere hatten Mitleid. Der Brite hat es allen Kritikern gezeigt.
Publiziert: 04.07.2024 um 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2024 um 09:07 Uhr
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Im November 2021 wurde Mark Cavendish schwer verletzt von der Bahn in Gent abtransportiert.
Foto: imago images/Panoramic International
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Mathias GermannReporter Sport

Im November 2021 liegt Mark Cavendish liegt schwer verletzt auf der Bahn von Gent (Be). Zwei Rippen sind gebrochen, eine davon hat ein Loch in seine Lunge gebohrt. «Ich bin damals nur wegen meiner Kinder aufgestanden», erzählt der Brite später. Er wird mit der Trage abtransportiert und ins Spital gebracht.

Seine Familie erlebt alles hautnah mit. Auch Ehefrau Peta Todd, ein früheres Seite-3-Girl, ist bei ihm. Irgendwann kommt die Entwarnung, Cavendish geht es den Umständen entsprechend gut. Für viele ist dennoch klar: Der Super-Sprinter von der Isle of Man, dem Ort der berühmt-berüchtigten Motorradrennen, wird nie mehr aufs Velo zurückkehren.

Und heute? Da ist Cavendish, wegen seiner unzähligen Erfolge zum Ritter geschlagen, der umjubelte Held. Er feiert bei der Tour de France seinen 35. Etappensieg – 16 Jahre nach seinem ersten an der Tour 2008 – und lässt damit «Kannibale» Eddy Merckx (34 Siege) stehen. Auf dem Podest jubelt er mit seinen vier Kindern in die Menschenmenge. «Was bringt es, etwas im Leben zu erreichen, wenn man es nicht mit seinen Liebsten, vor allem seinen Kindern, teilen kann?», fragt er rhetorisch.

«Willst du deine Karriere so beenden?»

Dabei wollte Cavendish das Velo nach der letzten Saison an den Nagel hängen. «Und endlich mal am Morgen wieder ausschlafen», wie er erklärte. Es kam anders, weil ihn Astana-Teamchef Alexander Winokurow nach einem Schlüsselbeinbruch fragte: «Willst du deine Karriere so beenden?» Nein, das wollte er nicht.

Und so quälte sich der Brite noch einmal – auch im letzten Juni über die unzähligen Berge der Tour de Suisse. Bei einigen erzeugte das Mitleid, bei anderen Bewunderung. Cavendish, der dem Übernamen «Cannonball» (Kanonenkugel) lange nicht mehr gerecht worden war, war beides egal. Er wollte Merckx bei der Tour überholen. Genau dies hat er nun geschafft. «Mark ist der grösste Sprinter der Geschichte», würdigt ihn Tour-Direktor Christian Prudhomme.

Depressionen machten ihn fertig

Cavendish hat nicht nur viel gewonnen (165 Rennen) und war oft verletzt. Nein, er litt auch am Pfeifferschen Drüsenfieber und an Depressionen. Zu Letzteren sagte er auf Eurosport einmal: «Depression assoziiert man einfach mit Traurigkeit, aber du bist nicht nur traurig. Ich habe so oft versucht, ein Bild zu malen, aber du kannst einfach nicht. Du hast entweder überhaupt keine Gefühle oder du handelst und reagierst völlig irrational.»

Auf dem Velo hat Cavendish sein rüpelhaftes Image abgelegt – er hat gemerkt, dass er nicht mehr die schnellsten Beine hat. Warum er trotzdem noch gewinnt? Einfach: Cavendish ist nach wie vor mutig wie ein Löwe und schlau wie ein Fuchs. Genau so holt er, obwohl er keinen Anfahrer im Team mehr hat, seinen 35. Tour-Sieg. Es gibt keinen, der ihm auch nicht Sieg Nummer 36 zutrauen würde.

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