Sich am Geburtstag eine Auszeit nehmen? Das kennt Marlen Reusser nicht. Schon vor zwei Jahren feierte sie beim WM-Zeitfahren in Belgien ihren 30. und wollte sich ein Gold-Geschenk machen. Es klappte um 10 Sekunden nicht – Silber. Am Mittwoch strebt die Bernerin aus Hindelbank erneut Gold an, diesmal bei der EM in Drenthe (Holland). Und schon wieder hat sie Geburtstag, Reusser wird 32 Jahre alt.
Schafft sie es, wäre der Erfolg doppelt speziell. Denn: Reusser wurde schon 2021 und 2022 Europameisterin. «Das wäre etwas Aussergewöhnliches, weshalb es für mich einen gewissen Reiz hat. Es wäre toll, wenn es klappen würde.»
Sicher ist: Reusser zählt auf den 28,6 flachen Kilometern zu den Top-Favoritinnen. Nach der Aufgabe bei der WM («Ich hatte keinen Bock mehr») hat sie die Batterien bei einem Bikepacking-Trip mit Freund Hendrik Werner aufgeladen. Diese Auszeit habe sie dringend gebraucht, so Reusser. «Mir geht es massiv besser, ich habe das Tief überwunden», sagt sie.
Küng will Revanche
Am gleichen Tag will auch Stefan Bissegger (25) sein EM-Zeitfahr-Trikot verteidigen. Seine Chancen stehen aber schlechter: Erstens stecken Bissegger die Strapazen der dreiwöchigen Vuelta in den Knochen und zweitens ist seine Form nicht wie in den vergangenen Jahren. «Die Beine waren nicht wie erhofft. Die Frage wird sein, wie viel Benzin ich in der kurzen Pause auffüllen konnte», so der Thurgauer.
Gut möglich also, dass Stefan Küng (29) auf den 29,6 Kilometern das grössere Schweizer Ass sein wird. Vor einem Jahr unterlag er Bissegger im Gold-Kampf um weniger als eine Sekunde. «Das war sehr ärgerlich. Darum ist es mein Ziel, das Trikot zurückzuholen», sagt Küng. Er holte 2020 und 2021 den EM-Titel. Seine grössten Konkurrenten sind wohl Wout van Aert (29, Be) und der zehn Jahre jüngere Joshua Tarling aus Grossbritannien.