Auf seiner Mailbox ertönt eine belgische Stimme. Sein Vater ist Belgier. Er spricht perfekt Flämisch und wohnt in Middelkerke (Be) an der Nordseeküste. Und vor allem: Seine Verlobte ist Belgierin! «Stimmt», sagt Johan Jacobs (24) und ergänzt: «Aber ich fühle mich durch und durch als Schweizer.»
Seit fünf Jahren lebt der hierzulande unbekannteste Schweizer Rad-Profi mit seiner Freundin Charlotte in Belgien. «Wir lernten uns auf Mallorca kennen. Ich war im Trainingslager und sie in den Ferien. Durch gemeinsame Freunde kamen wir ins Gespräch», erzählt Jacobs. Dass aus diesem Gespräch schon bald Liebe wurde, war für den in Berg am Irchel ZH aufgewachsene 1,92-Meter-Mann auch sportlich ein Glücksfall. Warum? Weil er zu dieser Zeit auch im Radquer stark fuhr und nach seinem Umzug nach Belgien die Begeisterung der Menschen für den Sport hautnah erleben durfte. «Hier ist Radsport eine Religion», schwärmt er.
Flandernrundfahrt als Heimspiel
Das Training und die Rennen im Schlamm prägten Jacobs. Letztlich war es aber der Strassenradsport, der ihn am meisten reizte. Ende 2019 unterschrieb er einen Vierjahresvertrag bei der spanischen Equipe Movistar. «Ich bin kein Sprachgenie, aber auch Spanisch lernte ich rasch. Mittlerweile verstehe ich alles», sagt Jacobs.
Bei der Flandernrundfahrt am Sonntag (ab 13.40 Uhr live SRF 2) zählt «JJ» trotzdem nicht zu den Anwärtern auf einen Spitzenplatz. Er ist als Helfer für Leader Ivan Garcia Cortina vorgesehen. Gut möglich, dass er den Spanier mit einigen Tipps zu den Tücken des welligen Parcours einweihen wird. «Ich kenne die Strassen sehr gut, denn ich trainiere viel in dieser Region», so Jacobs. Er selbst gilt als tempoharter Fahrer, der in Flachetappen, aber auch in Zeitfahren Stärken hat.
Bei schlechtem Wetter ist Jacobs schuld
Sicher ist schon jetzt: Sollte es während des Rennes regnen, wird sich Jacobs einige Sprüche anhören müssen. «Stimmt», sagt er lachend. «Die anderen Schweizer im Feld werfen mir oft vor, was für ein Scheiss-Wetter in Belgien herrsche. Als wäre ich dafür verantwortlich!» Man merkt: Jacobs wird eben doch – zumindest spasseshalber – als «halber Belgier» angesehen.
Noch weiss Jacobs nicht, wo er künftig wohnen wird. Er schliesst es nicht aus, wieder in die Schweiz zu ziehen. Dafür müsste sich aber seine Freundin, die als Verkaufsleiterin für sechs Hotels in Westflandern arbeitet, ebenfalls neu orientieren. «Das ist Zukunftsmusik», sagt Jacobs. Sein aktueller Fokus liegt derzeit sowieso nur auf der Flandernrundfahrt – egal, ob nun Sprüche kommen oder nicht.