Downhill-Weltmeisterin Balanche (33) leidet unter den Folgen ihres schweren Unfalls
«Alles ist wie ausgelöscht, ich erinnere mich an nichts»

Camille Balanche (33) weiss nicht mehr, wie sie gestürzt ist. Doch es gibt einen Augenzeuge – er hat es ihr berichtet. Das erlittene Schädel-Hirn-Trauma hat bislang keine bleibenden Schäden an den Tag gelegt. Die Ungewissheit begleitet Balanche dennoch.
Publiziert: 10.10.2023 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2023 um 09:33 Uhr
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Camille Balanche hat nach wie vor grosse Schmerzen. Der Sturz beim Weltcup in Andorra ist längst nicht auskuriert.
Foto: Pius Koller
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Mathias GermannReporter Sport

Camille Balanche (33) hat Schmerzen. Auch jetzt, als sie ihren Cappuccino hebt. «Mein Daumen und mein Oberkörper tun weh. Und mein rechter Fuss ist seit dem Unfall wie eingeschlafen», sagt sie. Die Downhill-Weltmeisterin von 2020 macht eine schwierige Zeit durch, seit sie am 25. August bei der Qualifikation zum Weltcuprennen in Andorra fürchterlich stürzte. 

Eigentlich habe sie keine grösseren Interviews geben wollen, sagt Balanche und tut es in Magglingen BE oberhalb des Bielersees dennoch – geduldig, ausführlich und offen wie eh und je. Vielleicht hilft ihr dabei, dass sie sich an den schlimmsten Tag ihrer Karriere gar nicht erinnern kann. «Stimmt», meint die Neuenburgerin schmunzelnd. «Ich erinnere mich an nichts. Auch die Woche nach dem Sturz ist wie ausgelöscht.» Dennoch kann sie einiges über den Crash erzählen. Zwar gibt es keine Videobilder, aber ein Fotograf stand unmittelbar daneben und berichtete ihr ausführlich.

«War vollgepumpt mit Medikamenten»

«Bei einem eigentlich harmlosen Sprung, erwischte mich eine Windböe», so Balanche. Sie sei etwa mit 40 km/h unterwegs gewesen, alles war wie sonst. «Und plötzlich lag ich quer in der Luft und prallte mit voller Wucht auf den harten Boden.» Balanche erlitt keine Brüche oder Risse, wurde aber mit starken Prellungen und einem Schädel-Hirn-Trauma in ein naheliegendes Krankenhaus geflogen. Einen Tag später folgte die Überführung nach Bern. «Ich war zwei Wochen lang vollgepumpt mit Medikamenten, ehe ich eine Woche in einem Neuro-Spital verbrachte.»

Balanche ist sich bewusst, dass sie bei ihrem Sturz einen grossen Schutzengel an ihrer Seite hatte. Sie ist auch froh, dass die ausführlichen neurologischen Tests bislang keine bleibenden Schäden angedeutet haben. «Noch muss man aber abwarten, was passiert, wenn ich die Intensität im Training erhöhe. Momentan mache ich wenig, weil mir gar nichts übrig bleibt. Einmal ging ich eine Stunde locker Velofahren. Ich hatte gehofft, dass es schneller gehen würde, aber leider habe ich noch immer grosse Schmerzen. Schwierig ist das Ganze, weil auch die Ärzte noch nicht genau wissen, was das Problem ist.» 

Selbst das Einkaufen macht Mühe

Fünf Kilogramm Muskelmasse hat Balanche bislang verloren. Sie darf ihren Körper, aber auch ihren Kopf, nicht überfordern. «Zu viele visuelle Reize machen mir Kopfweh. Einmal war ich Einkaufen, stand an der Kasse und wurde extrem müde.»

Besonders dankbar ist sie, ihre Lebenspartnerin und Ex-Downhillerin Emilie Siegenthaler (37) an der Seite zu wissen. «Emilie ist immer für mich da und war nach dem Unfall eine besonders grosse Hilfe. Ohne sie wäre ich wohl noch länger in Andorra im Spital geblieben, was ich auf keinen Fall wollte.»

Windmessgeräte? Fehlanzeige

Wann Balanche auf die Downhill-Strecken zurückkehren wird, steht in den Sternen. «Ich werde sicher nichts riskieren», sagt die Frau, die 2010 mit der Eishockey-Nati die Olympischen Winterspiele bestritt. An Rücktritt denkt sie nicht. Wie in jedem Jahr steht auch 2024 wieder eine WM auf dem Programm. Wo? Ausgerechnet in Andorra und auf jener Strecke, die ihr zum Verhängnis wurde.

«Ich hoffe einfach, dass man sich dem Thema annimmt. Auch andere Fahrerinnen stürzten am gleichen Ort – es ist bekannt, dass dort Windböen auftreten können. Im Skirennsport hätte man an solchen Stellen Messgeräte und Offizielle. Leider sind wir im Downhill noch längst nicht so professionell aufgestellt, obwohl auch hier schlimme Unfälle passieren können.»

«Ich gebe mir die Zeit, die ich brauche»

Man merkt: Balanches Begeisterung für Andorra hält sich in engen Grenzen. Umso mehr leuchten ihre Augen, wenn sie auf die Heim-WM 2025 angesprochen wird – sie findet im Wallis statt. «Das wird ein riesiges Fest. Ich würde mich riesig freuen, dann am Start sein zu dürfen.»

Zuerst bestreitet Balanche aber ein ganz anderes Rennen – jenes um ihre Gesundheit. Dabei muss sie in anderen Dimensionen als in Sekunden und Hundertsteln denken. «Dessen bin ich mir bewusst. Auch wenn es mir schwerfällt, gebe ich mir die Zeit, die ich brauche. Erzwingen kann ich nichts.»

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