Darum gehts
- Mountainbike-Profis vor dem Nichts: Team löst sich auf, Karrieren in Gefahr
- Thomas Litscher und Kollegen finden alternative Lösungen für Weltcup-Teilnahme
- Der Ostschweizer überlegt sich eine Klage gegen die Verantwortlichen
Das Wort «verarscht» mag sehr heftig klingen, doch es trifft auf Thomas Litscher (35) und weitere betroffene Mountainbike-Profis absolut zu. Der Ostschweizer sagt: «Wir wurden angelogen. Jetzt ist meine Karriere versaut.»
Was ist passiert? Litscher hat den schlimmsten Winter seiner Karriere hinter sich. Und das liegt nicht an seinen Beinen, der Ostschweizer hat sich in der Saisonvorbereitung eigentlich gut in Form gebracht. Doch das Riesenproblem: Sein Team hat sich über Nacht in Luft aufgelöst. Litscher unterschrieb im Herbst bei einem neuen Schweizer Mountainbike-Rennstall, der vom ehemaligen Luzerner Radprofi Pirmin Lang (40) und vom velobegeisterten St. Galler Geschäftsmann Saki Tzikas (52) für den Weltcup aufgebaut wurde.
Der angebliche Hauptsponsor hatte gar nie zugesagt
Besser gesagt: Hätte aufgebaut werden sollen. Als Litscher, drei Teamkollegen und eine Teamkollegin ihre Verträge unterschrieben, wird ihnen von einem solide finanzierten Schweizer Projekt erzählt. Doch in Wahrheit hatte der angebliche Hauptsponsor, die Supermarktkette Spar, nie für den angefragten Deal zugesagt. Gemäss «NZZ» haben die Möchtegern-Teamchefs Lang und Tzikas aber den Beteiligten über Monate glauben gemacht, es komme schon gut. Bis sie im Januar reinen Tisch machen mussten: Dem Team fehlte ohne grossen Sponsor 80 Prozent des Budgets, es gibt kein Team. Ein Mega-Flop.
Litscher und Co. stehen plötzlich auf der Strasse. Zu einem Zeitpunkt, als in den Weltcup-Teams alle Plätze besetzt sind. «Ich hatte einen Zweijahresvertrag, doch plötzlich hatte ich nicht mal mehr ein Velo und fragte mich: War es das mit der Karriere, muss ich jetzt irgendwo arbeiten gehen?», sagt Litscher.
Es beginnen hektische Chaostage. Litscher will zumindest die Saison 2025 mit dem grossen Ziel Heim-WM im Wallis nicht einfach abschreiben. Er zieht ein Crowdfunding auf, das beeindruckende 15’000 Franken einbringt. Er feilt alleine bei Rennen wie dem Skoda Swiss Bike Cup in Rivera TI statt im geplanten Trainingslager in Griechenland an seiner Form.
Dann findet der Ostschweizer bei einem kleinen tschechischen Team doch noch einen Teamplatz. Eine Gage bringt das zwar nicht. Aber wenigstens Velo-Material und sicher gestellte Betreuung mit Mechanikern und Physiotherapeuten an den Rennen in Europa.
Das Leidens-Quartett holt sogar noch starke Ergebnisse
Doch beim Weltcup-Auftakt mit zwei Rennwochenenden in Folge in Brasilien sind die Opfer des Team-Flops auf sich alleine gestellt. Litscher sowie der ebenfalls betroffene Urner Fabio Püntener (25), der Fribourger Maxime L’Homme (23) und der Südafrikaner Luke Moir (23) schliessen sich zusammen. Das Quartett mietet gemeinsam ein Haus und teilt sich einen Physiotherapeuten. Ein Profi-Umfeld ist das aber nicht – bei Defekten müssen die Fahrer selber schrauben.
Verblüffenderweise kommen dennoch starke Ergebnisse heraus. Litscher holt im ersten Shorttrack Rang 4. Püntener glänzt letzten Samstag als bester Cross-Country-Schweizer auf Rang 8. Im selben Rennen fährt Moir sogar auf Platz 5 – im Ziel weint der Südafrikaner, weil er nach dem Team-Aus vor dem Nichts stand und nun in seinem erst zweiten Profi-Rennen schon in die Weltspitze fuhr.
Doch ist jetzt alles gut? Für Litscher nicht wirklich. Er hat einen Anwalt eingeschaltet. Es geht um eine mögliche Schadensersatzklage. Denn finanziell sind die Folgen happig. Statt als Profi bis Ende 2026 ein sicheres Auskommen zu haben, schlägt er sich nun 2025 irgendwie durch und wird dann voraussichtlich aufhören. «Dass ich diese Saison nun doch noch fahren kann, bringt mir wenigstens ein paar Monate mehr Zeit ein, mich um die Zeit nach der Karriere zu kümmern», sagt Litscher.
Der vermeintliche Teamchef Pirmin Lang äussert sich auf Blick-Anfrage nicht zur drohenden Klage.