Es ist kurz vor 15.00 Uhr am Ostersonntag, als Filippo Colombo (25) mit 60 km/h in den berühmt-berüchtigten Wald von Arenberg rast. Die Hektik? Riesig. Die Pflastersteine? Miserabel. Die Folge? «Nach etwa 100 Metern ist mein Vorderrad explodiert. Ich fuhr auf den Felgen weiter, wollte abbremsen. Doch vor mir stürzten andere Fahrer und ich über sie hinweg», berichtet Colombo.
Der Tessiner knallt mit voller Wucht auf die Pavés, der linke Ellbogen bricht. «Der Knochen war um etwa drei Zentimeter verschoben. Ich wusste sofort, was geschehen war.» Doch damit nicht genug. Colombo blickt nach hinten und sieht, wie weitere Fahrer auf ihn zurasen. «Da bin ich in den Wald neben der Strecke geflüchtet.»
Das Rennen ist für Colombo vorbei. Sein erstes Paris-Roubaix, seine erste Fahrt durch die Hölle des Nordens – sie endet im Spital. «Mein Arm hat brutal geschmerzt, ich erhielt in der Ambulanz eine Spritze und eine Tablette. Zwei andere Fahrer waren ebenfalls im Fahrzeug, auch für sie war es ein schmerzhafter Tag.» Nach der Rückkehr in die Schweiz wurde Colombo am Montagnachmittag operiert. Wie lange er ausfallen wird, ist noch unklar.
«Wie russisches Roulette»
Sicher ist: Seinen Ausflug auf das Strassenvelo – er fuhr eine Woche zuvor auch die Flandernrundfahrfahrt – bezahlt der Mountainbiker teuer. «Im Nachhinein hätte ich wohl besser auf Paris-Roubaix verzichtet. Denn nun verpasse ich den Weltcup-Auftakt in die Mountainbike-Saison.» Dieser findet vom 12. bis 14. Mai in Nove Mesto (Tsch) statt.
In der letzten Saison schaffte Colombo mit zwei Siegen den Durchbruch in der Mountainbike-Weltelite, nachdem er in jungen Jahren schon zweifacher Weltmeister in der Staffel geworden war. «Das tut mehr weh als die physischen Schmerzen. Ich muss mir nichts vorwerfen, der Sturz hätte jedem passieren können. Aber letztlich ist Paris-Roubaix wie russisches Roulette, es ist ein sehr gefährliches Rennen.»
Küng will beim Giro glänzen
Das weiss auch Stefan Küng (29), der bei weitem stärkste Schweizer Classique-Jäger. Von Stürzen bleibt er aber verschont, nach Platz 3 im Vorjahr wird er diesmal Fünfter. «Ich wollte mehr, aber es ist ein gutes Resultat. Am Ende war ich komplett leer und hatte keine Energie mehr.» Tatsächlich sind Mathieu van der Poel (28, Ho) und Wout van Aert (28, Be) eine Klasse besser als alle anderen – letztlich gewinnt Van der Poel solo, weil van Aert 15 Kilometer vor dem Ziel einen Platten erleidet.
Küngs nächstes grosses Ziel ist der Giro d’Italia (6. bis 28. Mai). Dieses Rennen hat er seit sechs Jahren nicht mehr bestritten. Warum er es fährt? Auch, weil es im Gegensatz zur Tour de France zwei statt ein Zeitfahren beinhaltet – das erste gleich zum Auftakt der Rundfahrt.