1. Der erste Stein. Bei Paris–Roubaix erhält der Sieger keinen Pokal, sondern ein Kopfsteinpflaster. Schon bei meiner ersten Teilnahme, 2004, hatte ich geahnt: Dieses Rennen liegt mir. Zwei Jahre danach gewann ich erstmals. Der Siegesstein ist zwischen 12 und 16 Kilogramm schwer, und weil ich Krämpfe in Beinen und Arme hatte, konnte ich ihn kaum in die Höhe halten.
2. Ein grosser Irrtum. Normalerweise wollen alle nach Paris–Roubaix nur etwas: nach Hause. Aber nach meinem Sieg 2006 haben wir etwas Aussergewöhnliches gemacht: Wir riefen in unserem Hotel in Belgien, wo wir die Nächte zuvor verbracht haben, an. Und tatsächlich: Sie hatten noch Platz für unser Team – das waren etwa 30 Leute. Wir liessen es uns an diesem Abend gut gehen, haben gegessen, getrunken und gefestet. Viele meinen noch heute, auf dem Bild würde ich einen Stumpen rauchen – es ist aber ein Waffel-Röhrli mit Schlagrahm. Es war ein mega Abend.
3. Triumph des Freundes. 2007 war ich locker drauf, wie dieses Foto zeigt. Allerdings rege ich mich gerade auf, dass ich damals keinen Helm trug. Beim Rennen schauten alle auf mich. Also habe ich meinem CSC-Teamkollegen Stuart O’Grady, den man im Bild rechts sieht, gesagt: Mach du es! Und Stuart wurde tatsächlich Erster – für mich war es, als hätte ich gewonnen. Der Radsport ist ein Geben und Nehmen, ich habe Stuart auch schon ein paar Mal daheim in Australien besucht – wir sind Freunde.
4. Der Wald von Arenberg. Dieser Abschnitt von Paris–Roubaix ist nicht nur sehr schwierig, sondern vor allem mythisch – so wie die Alpe d’Huez bei der Tour de France. Bei meinem zweiten Sieg 2010 schoss ich als Erster in den Wald rein und wieder raus. So mochte ich es am liebsten, denn damit konnte ich auf den extrem schlechten Pavés meine Linie fahren. Ich bin in Arenberg übrigens nie gestürzt.
5. Tochter mit dem Bäri. Giuliana ist auf diesem Bild, es ist ebenfalls von 2010, noch keine vier Jahre alt. Sie wartet mit ihrem Bäri, den sie über alles liebte, im Ziel. Meine Frau Stefanie und Giuliana in Roubaix zu wissen, war sehr motivierend: Ich fuhr so nicht nur von A nach B, sondern von A zu meiner Familie.
6. Motor? Nein, Top-Form. Giuliana verstand natürlich nicht, warum ich 2010 einen Stein gewonnen hatte – es war mein Zweiter. Der Sieg bedeutet mir aber sehr viel, er war wohl mein grösster bei Paris–Roubaix. 50 Kilometer fuhr ich alleine und gewann solo – es war wie in einem Film. Später warf man mir vor, ich hätte einen Elektromotor im Rahmen gehabt. Die Wahrheit ist, dass damals die Beine gesprochen haben, ich war super in Form. Auch die Taktik, das Team, das Selbstvertrauen – das Paket stimmte zu 100 Prozent.
7. Spartacus wehrt sich. Drei Jahre später setzte ich mich im Zweiersprint gegen Sep Vanmarcke, den Belgier, durch. Vor allem erinnere ich mich noch, wie an jenem Tag das ganze Peloton gegen mich fuhr. Es gab unzählige Attacken mit dem Ziel, mich zu isolieren. Damals sagte ich meinem Sportlichen Leiter: «So habe ich keine Chance, alle sind gegen mich.» Er meinte nur: «Du bist doch Spartacus, oder?» Er spielte auf meinen Spitznamen an und weckte meinen Ehrgeiz. Ich wechselte in einen Zerstörermodus, überschritt mein Limit walzte alles platt. Meine Gegner dachten wohl, ich hätte sie nicht mehr alle. Aber es hat geklappt. Am Ende war ich so kaputt, dass meine Betreuer mich hochheben mussten.
8. Ausgelaugt. 2014 erreichte ich Roubaix in einer Spitzengruppe mit neun weiteren Fahrern. Ich wurde Dritter und war happy. Man kann nicht immer gewinnen, bei weitem nicht. Das Foto zeigt, welche Spuren die 257 Kilometer mit Staub und Dreck bei mir hinterlassen hatten. Ich war total ausgelaugt.
9. Wie Eis auf dem Trottoir. Mein letztes Paris–Roubaix im Jahr 2016. Und mein einziger Sturz im Rennen! Auf dem Pavé-Abschnitt Mons-en-Pévèle erwischte es mich. Das Pflaster war ein wenig matschig. Ich fuhr in der Mitte, machte wohl aber im genau falschen Moment eine Pedalumdrehung, gab zu viel Druck – vielleicht war die Kadenz auch zu hoch. Ein Fehler, klar. Aber auch Pech. Es war, wie wenn im Winter ein halber Quadratmeter des Trottoirs vereist ist und man genau dorthin tritt. Das Rennen war vorbei – ich verlor zu viel Zeit.
10. Fauxpas auf der Ehrenrunde. Wegen des beschriebenen Sturzes kam ich als abgehängter Fahrer ins Velodrome. Auf der Ehrenrunde griff ich eine Fahne – doch sie war schwerer, als ich gedacht hatte. Der Unfall war nicht schlimm, aber etwas peinlich. Letztlich bin ich aber sehr glücklich mit meiner Bilanz bei Paris–Roubaix: Zwölf Teilnahmen, drei Siege und drei weitere Podestplätze. Ich wurde wohl für dieses Rennen geboren.