Rad-Ass Küng über die brutalsten Momente bei Paris-Roubaix
«In der Hölle gibt es keine Regeln»

Stefan Küng (29) startet zum neunten Mal in der Hölle des Nordens. Der Thurgauer erklärt, warum die Meter vor den Pavé-Abschnitten besonders gefährlich sind.
Publiziert: 08.04.2023 um 10:59 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2023 um 12:00 Uhr
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Stefan Küng in der Altstadt von Frauenfeld. Der Thurgauer erklärt, was bei Paris-Roubaix besonders gefährlich ist.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Mathias GermannReporter Sport

Manchmal sind sie rau, oft auch rutschig, ganz sicher aber brandgefährlich: die Kopfsteinpflaster bei Paris-Roubaix. Sie geben dem Rad-Klassiker seinen Spitznamen Hölle des Nordens. Auch am Sonntag werden Millionen Fans ganz genau hinschauen, wenn die Rad-Stars über die 29 Pavé-Abschnitte (total 54,5 Kilometer) in Frankreich donnern.

Was viele nicht wissen: Für viele Fahrer sind die letzten paar hundert Meter vor den jeweiligen Kopfsteinpflaster-Passagen fast noch schlimmer. «Ich bin tatsächlich erleichtert, wenn ich gut auf die Pavés komme. Denn was davor abgeht, ist krass. Da werden die Ellbogen ausgefahren, es wird gedrängt und geflucht. Freunde hat man ausserhalb des Teams auf einmal keine mehr», sagt Stefan Küng. Der 29-Jährige wurde letztes Jahr Dritter und zählt auch diesmal zu den Favoriten.

Was hinter der Rad-Anarchie steckt, ist klar: Häufig wird von einer breiten, meist zweispurigen Asphaltstrasse, auf einen wenige Meter breiten Holperweg, auf dem sonst fast nur Traktoren unterwegs sind, abgebogen. Wer nicht in den vordersten Positionen ist, dem droht eine böse Überraschung. «Das Feld wird extrem in die Länge gezogen. Wer weit hinten im Feld ist und stürzt, wegen eines Unfalls anhalten muss oder Defekt erleidet, hat das Rennen schon verloren», so Küng. Genau darum will der Thurgauer vor jedem Kopfsteinpflaster-Abschnitt achtsam sein. «Das ist die Voraussetzung, um es wieder aufs Podest zu schaffen.»

Colombo: «Da herrschte Krieg»

Nach acht Teilnahmen bei Paris-Roubaix ist Küng mit allen Wassern gewaschen. Das war nicht immer so. «Als ich 2015 das erste Mal hier antrat, wollte ich gleich vorne mitmischen. Da bin ich ziemlich auf die Welt gekommen. Vor jedem Pavé-Sektor gab es einen Massensprint. Alle Vollgas, keiner bremste. Jetzt weiss ich, dass es in der Hölle keine Regeln gibt», meint er schmunzelnd.

Weniger locker damit umgehen kann der Tessiner Filippo Colombo (25). Er fährt den Klassiker erstmals, war aber schon letzten Sonntag bei der Flandernrundfahrt dabei. «Auch dort herrschte vor den Schlüsselstellen Krieg. Das hat mich mental viel Energie gekostet.»

Stossgebet im Wald von Arenberg

Küng weiss genau, wovon Colombo spricht. Eines seiner Zwischenziele ist, den berühmt-berüchtigten Wald von Arenberg nach 161 Kilometern heil zu überstehen. «Da werde ich ein Stossgebet zum Himmel schicken, damit niemand vor mir stürzt und ich keinen Defekt erleide.»

Zwar fehlen danach noch knapp 100 Kilometer bis zum Velodrome von Roubaix – die Hektik nehme aber ab, weil sich die Spreu vom Weizen trenne, so Küng. «Dann wird mir hoffentlich der erste Pavé vom Herzen fallen.»

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