Sie ist auf dem Weg zu ihrem grössten Triumph bei einem Eintagesrennen, als das Missgeschick passiert. Marlen Reusser (31) fährt 5 Kilometer vor dem Ziel geradeaus – dabei hätte sie rechts abbiegen müssen. «Ich war schon wohl nicht mehr so konzentriert. Allerdings war die Kurve auch sehr schlecht angezeigt. Letztlich ist es überhaupt nicht tragisch und eigentlich ganz lustig.»
Tatsächlich ist Reussers Vorsprung gestern so gross, dass der kleine Umweg keine Rolle spielt. Sie gewinnt den Klassiker Gent–Wevelgem nach 167 langen Kilometern bei Kälte und Regen solo mit 2:42 Minuten Vorsprung. «Auf der Zielgeraden war ich am Ende meiner Kräfte, einfach tiefgekühlt. Trotzdem wusste ich, dass ich etwas ganz Grosses erreiche. Ich werde diesen Tag nie vergessen und bin richtig stolz auf mich.»
Computer streikte – zum Glück
Das darf die Bernerin auch sein. Mit ihrem Sieg in Belgien beweist Reusser, dass sie längst nicht mehr nur Weltklasse im Zeitfahren, sondern eine komplette Rennfahrerin ist. Ihre Temposteigerung am Kemmelberg 40 Kilometer vor dem Ziel ist so gross, dass niemand ihr folgen kann. «Dabei wollte ich die Spitzengruppe eigentlich nur verkleinern», so Reusser.
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Plötzlich alleine unterwegs, macht sie sich einige Gedanken – zumal sie davon ausgeht, dass noch 50 Kilometer bis ins Ziel fehlen. «Ich hatte vorher einen Defekt und musste das Rad wechseln. Der Velo-Computer schaltete erst 10 Kilometer später ein. Als ich den Fehler bemerkte, gab mir das zusätzliche Motivation.»
«Wieder aufgetaut»
Eine Nacht nach ihrem Triumph ist Reusser immer noch überglücklich. «Und ich bin wieder aufgetaut», meint sie schmunzelnd. Am kommenden Sonntag folgt mit der Flandernrundfahrt der nächste Rad-Klassiker. Spätestens dann weiss jeder und jede: Reusser sollte man auf der Rechnung haben.