Alfredo Binda wurde von den eigenen Landsleuten ausgebremst, weil er zu gut war
Die verrückteste Bestechung in der Geschichte des Radsports

Er war gut – zu gut. Alfredo Binda dominierte in den 1920er-Jahren den Giro derart, dass die Organisatoren ihren eigenen Landsmann bestachen.
Publiziert: 03.10.2020 um 12:33 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2020 um 13:46 Uhr
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Alfredo Binda war der erste Radstar Italiens.
Foto: Instagram
Mathias Germann

Italien und Radsport. Das passt einfach. Gino Bartali (1914-2000), Fausto Coppi (1919-1960), Felice Gimondi (1942-2019) – die Namen zergehen jedem Velofan auf der Zunge. Alle waren sie Legenden. Auch während des 103. Giro dürfte an sie erinnert werden. Doch es gibt einen Rad-Helden, der nur selten im gleichen Atemzug mit dem Trio Infernale genannt wird: Alfredo Binda (1902-1986). Zu Unrecht. Denn: Er hält mit fünf Gesamtsiegen – gemeinsam mit Coppi und Eddy Merckx – noch immer den Giro-Bestwert.

Binda gewann aber mehr Etappen, 41 insgesamt. Nur Sprinter Mario Cipollini (53), der um die Jahrtausendwende fast unschlagbar war, hat einen Sieg mehr. Auf einen Vergleich mit Binda liess sich aber nicht einmal Rad-Casanova Cippolini, dem sein Aussehen mindestens so wichtig war wie seine Erfolge, ein. «Ich wie Binda? Machen wir keine Witze, ich könnte höchstens sein Kellner sein», sagte Cipollini.

Ein kompletter Rennfahrer

Geboren in Cittiglio in der Provinz Varese, holte sich Binda 1925 mit erst 23 Jahren den ersten Giro-Gesamtsieg. Und das bei seiner Premiere. Im Jahr darauf wurde er Zweiter, danach dreimal nacheinander Erster. Er war der erste italienischen Radstar – auch, weil dem Schönling die Frauenherzen nur so zuflogen. Für den Organisator des Rennens, die Gazzetta dello Sport, wurde Binda jedoch zum Problem. Denn: Seine Dominanz war erdrückend.

Die Folge? Langeweile und sinkende Auflagen. Tatsächlich gewann Binda 1927 den Giro mit fast einer halben Stunde Vorsprung auf den Zweiten. Dazu hamsterte er 12 von 15 Etappen. Heute wäre sowas unvorstellbar. Auch 1928 und 1929 war der «Trompeter von Cittiglio» schlicht zu gut. Dabei nahm man ihm seine Vita nicht einmal übel, auch wenn er mit 16 Jahren nach Nizza (Fr) übergesiedelt war. Nein, es war schlicht das fehlende Drama, welches den Giro-Organisatoren missfiel. Für sie war darum klar: Binda durfte 1930 nicht beim Giro antreten!

22'500 Lire Bestechung

Doch wie würden sie das anstellen? Nach einigen schlaflosen Nächten war der Plan geschmiedet. Gazzetta-Chef Emilio Colombo besuchte seinen Namensvetter Emilio Bozzi, seines Zeichen Boss von Legnano, dem Hersteller von Bindas Velo. Er fragte: «Was wollt ihr dafür, dass Alfredo den nächsten Giro auslässt?» Bozzi besprach sich mit Binda. Dieser prognostizierte, dass er wie davor die Gesamtwertung und sechs Etappen gewinnen würde – er rechnete die Preisgelder zusammen und kam so auf 22'500 Lire. Colombo war schockiert, willigte aber ein. Die Bestechung war gelungen.

Binda fuhr die Tour de France, die er aber nicht beendete. 1933 gelang ihm schliesslich der fünfte und letzte Giro-Sieg. Hätte er drei Jahre davor nicht an sein Portemonnaie gedacht, wäre er noch heute alleiniger Giro-Rekordhalter.

Das müssen Sie über den Giro 2020 wissen

Der 103. Giro d'Italia ist vieles, aber sicher nicht normal. Erstens: Er findet im Oktober statt wie üblich im Mai statt. Zweitens: Der Parcours wurde im Sommer verändert. Drittens: Parallel dazu laufen andere Rennen. Der Grund dafür ist klar – Corona. Immerhin: Während die Zahl der Corona-Infektionen in vielen Ländern wieder ansteigt, blieb sie in Italien zuletzt stabil.

Vorsichtsmassnahmen gibt es – wie an der Tour de France – trotzdem genügend. So wurden die 176 Fahrer längst getestet, an den Ruhetagen kommen weitere Untersuchungen dazu. Neu ist: Im Verdachtsfall dürfen die Organisatoren einen Fahrer ebenfalls zum Abstrich bitten. Was, wenn der Athlet positiv ist? Renndirektor Mauro Vegni zur Gazzetta dello Sport: «Dann isoliere ich ihn, Und ich teste weiter, jeden Tag und alle um ihn herum. Wenn es sein muss, auch drei, vier Tage hintereinander.» Von der «Zwei-Fälle-Regel» wie in Frankreich, wo ein ganzes Team bei zwei positiven Tests nach Hause geschickt wäre, hält Vegni nichts.

Der Giro startet in Sizilien und nicht wie eins geplant in Ungarn. 3497 harte Kilometer warten – es gibt drei Zeitfahren und unzählige Anstiege. Viele Top-Shots fehlen, die Anwärter auf den Gesamtsieg sind Geraint Thomas (34, Gb), Adam Yates (28, Gb), Jakob Fuglsang (35, Dä) und Steven Kruijswijk (33, Ho). Drei Schweizer sind am Start: Simon Pellaud (27), Kilian Frankiny (26) und Danilo Wyss (35) – alle sind sie Helfer.

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