Vorhang auf für die Paralympics in Paris
Viel Spektakel und Wirbel um Tattoos und eine Transfrau

17 Tage nach der Schlussfeier der Olympischen Spiele wartet Paris mit dem nächsten sportlichen Grossereignis auf. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Paralympics.
Publiziert: 27.08.2024 um 20:01 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2024 um 20:10 Uhr
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Die Eröffnungsfeier der Paralympics finden auf den Champs-Élysées und der Place de la Concorde statt.
Foto: Paris 2024
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Was sind die Paralympics?

Sie sind die grössten Wettkämpfe für Athleten und Athletinnen mit einer Körper- oder Sehbehinderung. Sie werden vom Internationalen Paralympische Komitee (IPC) organisiert, das eine bis 2032 abgesicherte Partnerschaft mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) führt. Die «Paralympians» sehen sich als eigenständige Bewegung, die über Leistung und Wettbewerb wahrgenommen werden wollen. Dagegen stehen die «Special Games», die jeweils ein Jahr vor den Paralympics stattfinden. Diese sind die grösste Veranstaltung für Menschen mit geistiger Behinderung. Sie steht für Inklusion und rückt die Freude am Sport, Wertschätzung, Gleichstellung, Integration und Akzeptanz von Menschen mit geistiger Behinderung ins Zentrum.

Wo findet die Eröffnungsfeier statt?

Nach der Eröffnung der Olympischen Spiele auf der Seine, die zum ersten Mal ausserhalb eines Stadions stattfand, wird Paris am 28. August ab 20.00 Uhr die Eröffnung der Paralympischen Spiele auf den Champs-Élysées und der Place de la Concorde feiern. Es ist ein ähnliches Spektakel zu erwarten wie am 26. Juli. Erwartet werden 4400 paralympische Athletinnen und Athleten aus 184 verschiedenen Delegationen und 50'000 Zuschauer. Die Abschlussfeier wird am 8. September im Stade de France stattfinden, dann erlischt auch das paralympische Feuer.

Wie sicher ist die Veranstaltung?

Rund 25'000 Polizeibeamte werden für die Sicherheit der Paralympics in Paris sorgen. Zusätzlich werden 10'000 private Sicherheitsbeamte des Organisationskomitees Paris 2024 eingesetzt. Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es keine nennenswerten Drohungen gegen die Veranstaltung. Das ist nicht ganz die Hälfte der Sicherheitskräfte, die noch bei den Olympischen Spielen eingesetzt wurden.

Das Schweizer Team in Paris

27 Sportler (8 Männer, 19 Frauen) umfasst die Schweizer Delegation – so viele wie seit 16 Jahren nicht mehr. Sie treten in den Sportarten Badminton, Rad, Dressurreiten, Judo, Leichtathletik, Rudern, Schwimmen, Schiessen und Tennis an. Mindestziel sind 14 Medaillen – so viele, wie es in Tokio vor drei Jahren geworden sind.

Schweizer Delegation für Paralympics

Badminton: Cynthia Mathez, Luca Olgiati, Ilaria Renggli.

Cycling: Franziska Matile-Dörig, Flurina Rigling, Celine van Till, Timothy Zemp, Benjamin Früh, Fabian Recher, Sandra Stöckli.

Dressurreiten: Nicole Geiger.

Judo: Carmen Brussig.

Leichtathletik: Fabian Blum, Beat Bösch, Catherine Debrunner, Patricia Eachus, Alexandra Helbling, Marcel Hug, Licia Mussinelli, Manuela Schär, Elena Kratter, Abassia Rahmani.

Rudern: Claire Ghiringhelli.

Schwimmen: Nora Meister, Leo McCrea.

Sportschiessen: Nicole Häusler.

Tennis: Nalani Buob.

Badminton: Cynthia Mathez, Luca Olgiati, Ilaria Renggli.

Cycling: Franziska Matile-Dörig, Flurina Rigling, Celine van Till, Timothy Zemp, Benjamin Früh, Fabian Recher, Sandra Stöckli.

Dressurreiten: Nicole Geiger.

Judo: Carmen Brussig.

Leichtathletik: Fabian Blum, Beat Bösch, Catherine Debrunner, Patricia Eachus, Alexandra Helbling, Marcel Hug, Licia Mussinelli, Manuela Schär, Elena Kratter, Abassia Rahmani.

Rudern: Claire Ghiringhelli.

Schwimmen: Nora Meister, Leo McCrea.

Sportschiessen: Nicole Häusler.

Tennis: Nalani Buob.

Hat die Schweiz ein Nachwuchsproblem?

Ja, sagt Blick-Paralympics-Experte Lukas Christen, einer der grossen Schweizer Behindertensport-Pioniere, und das sei ein gutes Zeichen. Die Suva macht bei der Arbeitssicherheit und das BFU bei der Unfallverhütung einen guten Job – mit dem Resultat, dass es weniger Unfallopfer gibt. Zudem haben wir nicht wie etwa die USA Soldaten, die verletzt aus Kriegen zurückkommen.

Gibt es in Paris ein Flüchtlingsteam?

Ja, das paralympische Flüchtlingsteam wird unter der Flagge des IPC antreten und als erstes Team bei der Eröffnungsfeier einmarschieren. Waren es in Rio noch zwei, in Tokio sechs, sind jetzt acht Sportler im Team, darunter sieben Männer. Die einzige Frau ist die Para-Taekwondo-Kämpferin Zakia Khudadadi (25) aus Afghanistan. Fahnenträger ist der kamerunische Sprinter Guillaume Junior Atangana (25).

Droht erneut eine Gender-Debatte?

Neben den sportlichen Leistungen der Athletinnen und Athleten ist ein Thema prädestiniert, um unschöne Schlagzeilen zu machen. Nach der neuseeländischen Gewichtheberin Laurel Hubbard, die 2021 als erste Transperson bei Olympia für ein Novum sorgte, wird Valentina Petrillo (50) Geschichte schreiben. Petrillo war ein Mann, zweifacher Vater, aber im falschen Körper. Vor zwei Jahren hat sie ihren Testosteronspiegel durch eine Hormontherapie so weit gesenkt, dass sie die internationalen Zulassungsbestimmungen für Para-Leichtathletik-Wettkämpfe von Frauen erfüllt. In Paris startet sie für Italien über 200 und 400 Meter in der Frauen-Wertung T12 (für Sportlerinnen mit Sehbehinderung).

Ist Paris behindertengerecht?

Es wurde zumindest ein Effort geleistet. So sind die öffentlichen Verkehrsmittel in Paris, insbesondere das Bus- und Strassenbahnnetz, barrierefrei ausgebaut worden, und alle 5288 Freiwilligen der Stadt Paris wurden im Umgang mit Menschen mit Behinderungen geschult.

Warum gibt es Diskussionen um Olympia-Tattoos?

In den letzten Jahren gab es immer wieder Verwirrung um dieses Thema. Das IPC hat sichtbare Tattoos mit Werbebotschaften verboten – so auch die olympischen Ringe. Behindertensportler, welche die Ringe tätowiert hatten, mussten diese bisher mit einem Marker abdecken, weil das sonst Werbung für die Olympischen Spiele sei, also für einen anderen Wettbewerb, eine andere Organisation. In der Vergangenheit gab es schon Disqualifikationen, wenn beispielsweise das Wasser den Marker abgewaschen hatte. Die Regel wurde aber nie konsequent durchgesetzt. Nun wurde diesem Unsinn ein Ende gemacht. Para-Sportler müssen in Paris die olympischen Ringe auf der Haut nicht mehr abdecken. 

Wie viele Sportarten gibt es?

Die ersten offiziellen Paralympischen Spiele, wie wir sie heute kennen, fanden 1960 in Rom statt. Damals nahmen rund 400 Athleten aus 23 Ländern in 8 Sportarten teil. Seitdem haben sich die Paralympics kontinuierlich zu einem weltweiten Sportereignis entwickelt und finden seit 1988 am selben Ort statt wie die Olympischen Spiele. In Paris werden innerhalb von elf Tagen 549 Medaillen-Wettbewerbe in 22 Sportarten ausgetragen, so viele wie noch nie zuvor.

Warum gibt es so viele Medaillen-Wettbewerbe?

Diese grosse Anzahl ist auf die unterschiedlichen Klassifizierungen in den einzelnen Sportarten zurückzuführen, die zu unterschiedlichen Medaillenentscheidungen führen, um möglichst gleiche Ausgangsbedingungen für alle zu schaffen.

Liste der Beeinträchtigungen

Der Paralympische Weltverband hat zehn klassifizierbare Beeinträchtigungen festgelegt. Auf Sportlerinnen und Sportler, die an internationalen Para-Wettkämpfen teilnehmen wollen, muss mindestens eine Beeinträchtigung zutreffen:
- Beeinträchtigung der Sehfähigkeit
- Kleinwuchs
- Fehlbildung/Fehlen von Gliedmassen
- Beeinträchtigung der Muskelkraft (z.B. Querschnittlähmung oder Muskelschwund)
- Beeinträchtigung der passiven Gelenkbeweglichkeit (z.B. Arthrogryposis oder Kontrakturen)
- Unterschiedliche Beinlänge
- Muskelhypertonie (erhöhte Spannung der Muskulatur, z.B. durch Zerebralparese, Hirnverletzungen oder Schlaganfall)
- Ataxie (Störung der muskulären Bewegungskoordination, z.B. durch Hirnverletzungen, Zerebralparese oder Multiple Sklerose)
- Athetose (anhaltende, unwillkürliche Muskelbewegungen, z.B. durch Zerebralparese, Hinrverletzungen oder Schlaganfall)
- Intellektuelle Beeinträchtigung (IQ kleiner oder gleich 75)

Der Paralympische Weltverband hat zehn klassifizierbare Beeinträchtigungen festgelegt. Auf Sportlerinnen und Sportler, die an internationalen Para-Wettkämpfen teilnehmen wollen, muss mindestens eine Beeinträchtigung zutreffen:
- Beeinträchtigung der Sehfähigkeit
- Kleinwuchs
- Fehlbildung/Fehlen von Gliedmassen
- Beeinträchtigung der Muskelkraft (z.B. Querschnittlähmung oder Muskelschwund)
- Beeinträchtigung der passiven Gelenkbeweglichkeit (z.B. Arthrogryposis oder Kontrakturen)
- Unterschiedliche Beinlänge
- Muskelhypertonie (erhöhte Spannung der Muskulatur, z.B. durch Zerebralparese, Hirnverletzungen oder Schlaganfall)
- Ataxie (Störung der muskulären Bewegungskoordination, z.B. durch Hirnverletzungen, Zerebralparese oder Multiple Sklerose)
- Athetose (anhaltende, unwillkürliche Muskelbewegungen, z.B. durch Zerebralparese, Hinrverletzungen oder Schlaganfall)
- Intellektuelle Beeinträchtigung (IQ kleiner oder gleich 75)

Warum treten Sportler mit unterschiedlichen Behinderungen gegeneinander an?

Entscheidend ist, welchen Einfluss die jeweilige Behinderung auf das Ausüben der Sportart hat – nicht die Art der Behinderung. Daher ist es möglich, dass sich im Wettkampf Sportlerinnen und Sportler mit optisch unterschiedlichen Behinderungen gegenüberstehen, weil sie trotzdem vergleichbare Voraussetzungen haben.

Haben die Paralympics ein Dopingproblem?

Diese Frage mit einem klaren Nein zu beantworten, wäre naiv. Allerdings ist im paralympischen Sport im Vergleich viel weniger Geld im Spiel. Der kommerzielle Anreiz, zu dopen, ist demnach wesentlich niedriger. Zudem sind die Kontrollen gleich wie im gewöhnlichen Sport. Erschwert werden Dopingkontrollen durch körperliche Beeinträchtigungen. Es braucht also geschultes und sensibilisiertes Kontrollpersonal. Im Vorfeld der Paralympics in Paris wurde vor allem Wert auf den präventiven Bereich gelegt, die Aufklärung. Bemerkenswert ist die kürzliche Aussage eines hochrangigen chinesischen Sportfunktionärs, der seine Para-Athleten vor «Störungen und Einmischungen westlicher Mächte» warnte: «Wir müssen vorsichtig sein, vor allem, wenn es um den Umgang mit Lebensmitteln, Medikamenten und Nahrungsmitteln geht.» Man kann sich also vorstellen, wie die Argumentation lauten wird, sollten chinesische Sportler des Dopings überführt werden.

In welchen Stadien finden die Wettbewerbe statt?

Insgesamt 16 Stadien oder Arenen, die auch bei den Olympischen Spielen genutzt wurden, sind auch Austragungsorte der Paralympischen Spiele – darunter das Eiffelturm-Stadion (Blindenfussball), das Grand Palais (Rollstuhlfechten und Para Taekwondo) und das Château de Versailles (Para Dressursport). War der Eiffelturm während der Olympischen Spielen noch mit den fünf Ringen geschmückt, strahlt jetzt das paralympische Logo an selber Stelle.

Wie berichtet SRF über die Paralympics?

Täglich von 18.45 Uhr bis 22 Uhr. Star-Youtuber Jahn Graf und SRF-Mann Olivier Borer werden in Zürich moderieren und in jeder Sendung einen anderen Talkgast haben. News-Moderatorin Bigna Silberschmidt realisiert als Reporterin täglich Hintergrundgeschichten zum Thema Inklusion. Der Live-Sport mit Schweizer Beteiligung oder paralympischer Vielfalt wird von den Kommentatoren Beat Sprecher und Stefan Hofmänner sowie Experte Christoph Kunz begleitet. Auch auf der SRF-Sport-Website, in der App und im Radio berichtet SRF täglich.

Wusstest du, dass …

… der Korb beim Rollstuhlbasketball 3,05 m hoch ist und damit die gleiche Höhe hat wie beim Basketball für Menschen ohne Behinderung?


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