Die ganze Medienkonferenz zum Nachschauen
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Hussein über Doping-Knall:Die ganze Medienkonferenz zum Nachschauen

Die einst gesperrte Sandra Gasser über ihren mysteriösen Fall
«Man hat mich in eine Doping-Schublade gesteckt»

Sandra Gasser war der erste grosse Doping-Fall der Schweizer Sportgeschichte. Bis heute ist ungeklärt, was 1987 in Rom geschah. Hier erklärt sie, warum Kariem Hussein es nicht verdient hat, als Doper abgestempelt zu werden.
Publiziert: 25.07.2021 um 13:54 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2021 um 13:57 Uhr
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Sie weiss, was Kariem Hussein durchmacht: Sandra Gasser wurde 1987 wegen Dopings zwei Jahre gesperrt.
Foto: Keystone
Emanuel Gisi aus Tokio

Sandra Gasser, was geht Ihnen als erstes durch den Kopf, wenn Sie von einem neuen Doping-Fall hören?
Sandra Gasser:
«Oh nein, nicht schon wieder.» Wieder ein Fall, der das Vorurteil bestätigt, das viele Leute haben: Gute Leistung gleich gedopte Leistung. Es ist schade, wenn die Öffentlichkeit Spitzenathleten und Spitzenathletinnen, die sich nie etwas zuschulden kommen liessen, Top-Leistungen auf legalem Weg nicht zutrauen. Das tut mir als Sportlerin und als Trainerin weh. Auch heute können Top-Leistungen ohne Doping erbracht werden.

Was was denken Sie bei einem Fall wie dem von Kariem Hussein?
Er kommt an der Schweizermeisterschaft nach schwierigen Jahren voller Verletzungen und Problemen zurück, schafft die Olympia-Limite – und dann wird aus seinem schönen Tag sein schlimmster Tag. Das war bei mir ja ähnlich. Das ist hart.

Hussein wird aber weniger lange gesperrt als Sie damals.
Er hat eine Substanz eingenommen, welche im Training erlaubt ist, deshalb die reduzierte Sperre. Es ist bitter, er verpasst Olympia, muss sich erklären. Es tut mir leid für ihn, mein erster Gedanke war: Das kann doch nicht wahr sein.

Mit Ihrer Erfahrung von 1987: Was macht er jetzt durch?
Man kann es nicht ganz vergleichen. Er weiss, was schief gelaufen ist: Dass er die Lutschtabletten genommen hat, dass er das nicht hätte tun sollen. Ich wusste dagegen zuerst nicht, wie mir geschieht. Dann gab es verschiedene Theorien, bis ich zu der Überzeugung kam, dass es ein Laborfehler gewesen sein muss. Kariem kann sich sehr schnell wieder Ziele setzen, Dinge abhaken. Bei mir lief es danach lange schlecht.

Was macht das mit einem?
Ich habe mich daran gewöhnt, dass man mich in die Doping-Schublade gesteckt hat. Das heisst nicht, dass es nicht weh tut.

Wird Hussein künftig anders behandelt?
Schwierig zu sagen. Als ich nach zwei Jahren Sperre zurückkam, musste es mir egal sein, was man über mich sagt. Es sagt einem nie jemand etwas direkt ins Gesicht und selber merkt man gar nicht, dass man anders behandelt wird. Ausser, dass man vielleicht bei irgendeiner Gala nicht eingeladen ist.

Heute wechselt jeder Sportler, der eine Dopingsperre bekommt, in den Krisen-Modus. Haben Sie damals eigentlich auch so etwas wie einen Shitstorm erlebt?
Mit den Kommunikationsmitteln von heute hätte ich damals garantiert einen Shitstorm erlebt. Aber 1987 hätte man mir einen Brief schreiben müssen, um mich zu beleidigen. Heute würde ich mich sicher ganz anders beschimpfen lassen müssen von irgendwelchen Leuten. Wenn sich jemand die Mühe gemacht hat, mir zu schreiben, waren das Leute, die mich aufmuntern wollten. Wenn man mich damals noch öffentlich beschuldigt hätte – das wäre schlimm gewesen.

Wie wird man Hussein in ein paar Jahren sehen?
Ich hoffe, die Leute sehen die Sache differenziert. Für mich ist es ein Unterschied, ob jemand gezielt mit einem verbotenen Mittel dopt, um seine Leistung zu steigern. Oder ob jemand aus Versehen etwas nimmt, das eigentlich gar nichts bringt, so wie bei Kariem und im Training zugelassen ist. In diesem Sinn ist es aus meiner Sicht kein echter Doping-Fall. Darum hoffe ich, dass da nichts hängen bleibt und dass das nicht definiert, wie seine Karriere und seine Persönlichkeit gesehen werden. Es wird wohl an ihm hängen bleiben, dass er ein bisschen ungeschickt war. Ein paar Witze werden über ihn wohl gemacht werden, damit wird er leben müssen. Und ich glaube, das kann er.

Persönlich

Die Bernerin Sandra Gasser (58) war der erste grosse Schweizer Doping-Fall. Sie wurde nach ihrem 3. Platz im 1500-Meter-Lauf an der Leichtathletik-WM 1987 positiv auf ein synthetisches Anabolikum getestet und für zwei Jahre gesperrt. Bis heute ist die Schuldfrage nicht geklärt. Dem Anti-Doping-Labor in Rom sollen gravierende Fehler unterlaufen sein. So gab es beträchtliche Abweichungen zwischen A und B-Probe. Heute ist Gasser Nachwuchstrainerin beim ST Bern.

Die Bernerin Sandra Gasser (58) war der erste grosse Schweizer Doping-Fall. Sie wurde nach ihrem 3. Platz im 1500-Meter-Lauf an der Leichtathletik-WM 1987 positiv auf ein synthetisches Anabolikum getestet und für zwei Jahre gesperrt. Bis heute ist die Schuldfrage nicht geklärt. Dem Anti-Doping-Labor in Rom sollen gravierende Fehler unterlaufen sein. So gab es beträchtliche Abweichungen zwischen A und B-Probe. Heute ist Gasser Nachwuchstrainerin beim ST Bern.

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