Die Olympischen Spiele in Tokio sind mit Wehmut verbunden bei Max Heinzer. «Die Vorfreude ist gedämpft. Ganz anders als vor London oder Rio», verrät der 33-Jährige. Er sei froh, dass die Wettkämpfe stattfinden und er zwei Chancen habe, die Lücke in seinem Palmares zu schliessen. «Aber von Japan werden wir leider nicht viel mitbekommen.»
Einen Hauch von Japan holt sich der Fechter vor den Spielen. Mit Blick besucht er das Kumaizasa-Dojo im luzernischen Obernau und wechselt für einmal die Waffe. Von Hugo Ulrich, Inhaber des 5. Dan, erhält er eine Einführung in die Kampfkunst der japanischen Samurai – faszinierend, aber auch makaber.
Das muss der Schweizer Fahnenträger schnell merken. Als er die Schwerter sieht fragt er: «Und mit denen wurden wirklich Menschen getötet?» Ulrich antwortet mit einer Anekdote. «Die zum Tod verurteilten wurden im alten Japan jeweils aufeinander gestapelt.» Dann habe es einen Schnitttest gegeben. «Mit einem Hieb hat man geschaut, durch wie viele man hindurch kommt.» Heinzer hört gebannt zu – und kreideweiss.
Im Tempel in Obernau geht es weniger gefährlich zu und her. Praktiziert wird Iai-Do, eine friedliche Variante der Kampfkunst. Der Zentralschweizer lernt das Schwert zu begrüssen, einige Schnitt-Techniken. Höchste Konzentration ist gefragt, denn jeder Handgriff ist fest vorgegeben. Gearbeitet wird mit Holzschwertern.
Ohne Blut gehts aber nicht. Zu jeder Aktion, die Heinzer erlernt, gehört das sogenannte Shiburi. «Das bedeutet, das Blutwegspritzen», erklärt Hugo Ulrich. «Das war schon ein bisschen makaber», sagt er nach der Lektion. «Aber auch extrem spannend. Am meisten beeindruckt hat mich die Tradition, die dahinter steckt und der Ablauf, der immer genau stimmen muss.»
Heinzer muss böser werden
Und auch diese dunkle Seite kann Heinzer, der abwechslungsreiche Trainings ohnehin liebt, im Moment irgendwie gut gebrauchen. Denn er merkt, dass ihm die Wettkämpfe fehlen. Nur einen einzigen hatte er wegen Corona in den letzten 16 Monaten. Er sei fast etwas zu lieb geworden in letzter Zeit. «Ich bin ein lieber Papi. Die zwei Kinder und meine Frau geben mir so viel Liebe. Das Böse, das man im Kampf manchmal braucht, fehlt manchmal.»
Der Welt- und Europameister schaut sich darum bewusst auch seine alten Siege auf Video an, um Selbstvertrauen zu tanken. Und erschrickt ab und an, mit welch fiesen Mitteln er auch schon gekämpft hat. «Ich habe auch schon meine Linsen gesucht, obwohl ich gar keine trage», verrät er. «Wenn der Gegner in einen Flow kommt, muss man das unterbrechen.»
Immer noch besser, als ihn wie die Samurai zweizuteilen.