SRF-Korrespondentin Mirjam Mathis
«Olympia wird zur ganz grossen Herausforderung»

Seit Sommer 2022 berichtet Mirjam Mathis (38) für SRF aus Paris. Nun steht in Frankreich mit den Olympischen Spielen Grosses an, verbunden mit riesigen Problemen.
Publiziert: 28.02.2024 um 20:05 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2024 um 20:24 Uhr
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Mirjam Mathis ist seit 2022 Frankreich-Korrespondentin fürs Schweizer Fernsehen und berichtet auch über Themen zu Olympia.
Foto: SRF/Oscar Alessio
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Blick: Was überwiegt rund vier Monate vor Olympiastart in Paris: die Vorfreude, oder die Angst vor möglichen Terroranschlägen?
Mirjam Mathis: Olympia-Euphorie oder Vorfreude sind hier noch nicht wirklich zu spüren – eher Besorgnis und Unmut.

Welches sind die Hauptsorgen der Menschen?
Die betreffen beispielsweise die Sicherheit, das befürchtete Verkehrschaos, die zu erwartenden steigenden Preise in allen Sparten.

Die Veranstalter wirbeln, suchen verzweifelt nach privaten Sicherheitskräften. Es heisst, es fehlen noch rund 20'000 Personen.
Ja, das ist ein grosses Thema. Der Verband der privaten Sicherheitskräfte spricht sogar von einem viel grösseren Mangel. Bereits ohne Olympia würden in Frankreich rund 20'000 Sicherheitskräfte fehlen. Und für die Spiele brauche es zusätzlich 25'000 private Sicherheitskräfte.

Welche Leute werden da rekrutiert?
Studenten, Arbeitslose, neuerdings auch Rentner. Bedingung ist, sie müssen über 18 sein. Interessierte bekommen eine dreiwöchige Ausbildung. Die Frage ist, wie seriös selektioniert werden kann bei diesem riesigen Personalmangel.

Werdegang von Mirjam Mathis

Mirjam Mathis wurde 1985 geboren und ist in Nidwalden aufgewachsen. Nach der Matura studierte sie in Genf und in Madrid und schloss mit dem Bachelor of Arts in Internationalen Beziehungen ab, danach absolvierte sie am MAZ den Masterlehrgang in Journalismus. 2011 stiess sie zum SRF. Nach der Ausbildung wurde sie Redaktorin und Moderatorin für das Regionaljournal Zentralschweiz bei Radio SRF. Seit 2014 ist Mirjam Mathis Fernseh-Korrespondentin von SRF – zuerst in der Westschweiz, seit Sommer 2022 berichtet sie aus Frankreich, unter anderem auch über die Olympischen Spiele, die im Juli beginnen. Mirjam Mathis wohnt mit ihrer Familie vor den Toren von Paris.

Mirjam Mathis ist seit Sommer 2022 Frankreich-Korrespondentin für SRF.
SRF/Oscar Alessio

Mirjam Mathis wurde 1985 geboren und ist in Nidwalden aufgewachsen. Nach der Matura studierte sie in Genf und in Madrid und schloss mit dem Bachelor of Arts in Internationalen Beziehungen ab, danach absolvierte sie am MAZ den Masterlehrgang in Journalismus. 2011 stiess sie zum SRF. Nach der Ausbildung wurde sie Redaktorin und Moderatorin für das Regionaljournal Zentralschweiz bei Radio SRF. Seit 2014 ist Mirjam Mathis Fernseh-Korrespondentin von SRF – zuerst in der Westschweiz, seit Sommer 2022 berichtet sie aus Frankreich, unter anderem auch über die Olympischen Spiele, die im Juli beginnen. Mirjam Mathis wohnt mit ihrer Familie vor den Toren von Paris.

Es werden auch viele Frauen gesucht, weil Männer keine Frauen abtasten dürfen. Gibt es genügend Frauen, die sich melden?
Nein, aber auch die Rekrutierung der Männer ist ein Problem.

Probleme wegen Olympia gibt es auch in Polizeikreisen. Warum der Unmut?
Weil für die Polizei ein generelles Ferienverbot für die Zeit während Olympia und den Paralympics ausgesprochen wurde – dann sind aber Schulferien. Viele sind da also ganz direkt und familiär betroffen. Immerhin bekommt jetzt jede Polizistin und jeder Polizist je nach Einsatzort zwischen 1000 und 1900 Euro Sonderprämie als Ausgleich.

Welche Rolle spielt die Armee im Sicherheitspositiv der Spiele?
Zurzeit wird mit 10'000 Soldaten geplant, die im Osten von Paris ihren Stützpunkt haben werden. Die Zahl wird wohl noch steigen.

Heftige Diskussionen gibt es über die Eröffnungsfeier, da diese erstmals nicht in einem überschaubaren Stadion stattfindet, sondern auf und entlang der Seine. Einen Bereich von sechs Kilometern zu sichern, ist ungleich komplizierter als ein Stadion. Warum dieses zusätzliche Risiko?
Paris führt nach hundert Jahren wieder die Olympischen Spiele durch. Man will der Welt und den eigenen Leuten ein einmaliges, grandioses Spektakel bieten. Die Idee der Eröffnungsfeier auf der Seine ist ziemlich verrückt, aber sie wird bestimmt fantastische TV-Bilder liefern. Ganz bewusst will man die historischen Stätten, die Denkmäler von Paris, ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. So wird beispielsweise vor dem Eiffelturm Beachvolleyball gespielt und im Grand Palais gefochten. 

Ist denn diese Eröffnungsfeier angesichts der angespannten Sicherheitslage verantwortbar?
Die Herausforderungen für die Veranstalter sind riesig. Und die Pläne werden auch bereits angepasst. So sollen nicht mehr wie geplant 600'000 Zuschauer zugelassen werden, sondern nur noch 300'000. Die Tickets für die Zeremonie kosten übrigens jetzt schon bis zu 2500 Euro. Und die der Bevölkerung versprochenen Gratistickets konnten bisher noch nicht reserviert werden.

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«Die Tickets für die Eröffnungsfeier kosten bereits bis zu 2500 Euro»
Mirjam Mathis, Frankreich-Korrespondentin SRF
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Am 13. November 2015 wurde Paris durch islamistische Terroranschläge in den Grundfesten erschüttert – ist dieses Trauma bei den Einwohnern überwunden?
Es ist erstaunlich, wie pragmatisch die Menschen hier mit der Terrorbedrohung umgehen. Ich glaube, die Behörden machen sich darüber viel mehr Gedanken und Sorgen – müssen sie ja auch. Was war damals schiefgelaufen, was müssen wir besser machen, wie können wir das künftig verhindern?

2022 fand im Stade de France der Champions-League-Final statt. Es gab chaotische Szenen vor den Eingängen. Die Polizei überreagierte völlig, setzte Tränengas ein. Es gab 230 Verletzte. Nicht die beste Werbung für Olympia, was die Sicherheit anbelangt. Ist dieser Vorfall in Paris noch ein Thema?
Dieser Vorfall war ein Schock und lange ein grosses Thema auch hinsichtlich Olympia. Es wurde damals ein unabhängiger Bericht erstellt, in dem die Hauptverantwortung der Uefa festgehalten wurde, aber auch der Umgang der Polizei mit den Fans stark kritisiert wurde. Die französische Polizei ist leider bekannt dafür, dass sie nicht zögert, Tränengas oder Schlagstöcke einzusetzen. Dafür wurde sie im letzten Jahr anlässlich der Demonstrationen zur Rentenreform vom Europarat kritisiert.

Präsident Emmanuel Macron steht innenpolitisch arg unter Druck. Welches sind zurzeit seine grössten Baustellen?
Aktuell ist Macron mit dem Unmut der Bauern konfrontiert. Diese gehen wegen Umweltregelungen und viel administrativem Aufwand auf die Barrikaden. Sein Grundproblem ist, dass er keine Mehrheit im Parlament hat, dass er von links wie rechts angegriffen wird und seine Ideen entweder im Alleingang durchboxen muss wie die Rentenreform oder Abstriche machen muss. Zudem wird ihm immer wieder vorgeworfen, er verstehe die normalen Menschen und deren Alltag nicht.

Würde ihm ein reibungsloser Verlauf der Olympischen Spiele politisch helfen?
Politisch wohl nicht, aber seine Beliebtheitswerte würden wieder etwas steigen. Er weiss sich zu inszenieren und ist ein bekennender Sportfan. Die Bühne, die ihm Olympia bietet, wird er sicherlich nutzen wollen.

Das olympische Dorf befindet sich im Problemvorort Saint-Denis im Norden von Paris – ein gut gewählter Ort?
Grundsätzlich finde ich die Idee gut. Hier wird eine ganze Gegend nachhaltig aufgewertet, indem Infrastruktur gebaut und erneuert wird. Nach den Spielen sollen die Athletenunterkünfte in Sozial- und Familienwohnungen und in Büros umgestaltet werden. Das neu gebaute Aquatics Centre beispielsweise, worin die Wassersport-Wettkämpfe stattfinden werden, steht nach den Spielen den Bewohnern von Saint-Denis zur Verfügung. Das sind also Investitionen in die Zukunft. Aber auch hier gilt: Die Sicherheitsfrage während Olympia ist eine riesige Herausforderung.

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«Ein Streik im öffentlichen Verkehr während Olympia würde zum totalen Chaos führen»
Mirjam Mathis, Frankreich-Korrespondentin SRF
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Schwimmwettbewerbe finden auch in der Seine statt. Für Olympia wurde sehr viel Geld ausgegeben, um den Fluss zu reinigen. Die letzten hundert Jahre war es nicht möglich, in der Seine zu baden. Das klingt nach tollen Aussichten für die Pariser.
Naja, die Idee, sich ab 2025 selber in der Seine zu vergnügen, sorgt nicht für grosse Euphorie bei der Bevölkerung. Dies ist aber das grosse und ambitionierte Ziel der Pariser Stadtregierung: 1,4 Milliarden Euro wurden in den Ausbau und die Verbesserung der Infrastruktur investiert. Die Wasserqualität ist mittlerweile viel besser, dennoch konnten im letzten Sommer wegen der Verschmutzung nicht alle Test-Events für die Olympischen Spiele durchgeführt werden. Noch ist nicht sicher, ob während Olympia tatsächlich in der Seine geschwommen wird. 

Eine radikale Gewerkschaft hat jüngst einen Streikplan während Olympia im öffentlichen Nahverkehr von Paris vorgelegt – ist das bloss Säbelrasseln?
Ich habe in Frankreich die Erfahrung gemacht, dass das mehr als leere Drohungen sind. Letzte Woche zum Beispiel blieb der Eiffelturm sechs Tage lang wegen eines Streiks geschlossen. Die Gewerkschaften sind hier traditionell stark und die Franzosen streikfreundlich und bereit, sehr weit zu gehen. Ein Streik im Nahverkehr während Olympia würde tatsächlich zum totalen Chaos führen.

Auch ohne Streiks steht Paris vor grossen Problemen, was den Verkehr angeht. Man erwartet während Olympia 600'000 bis 800'000 Reisende täglich. Und das in einem System, das auch ohne die Spiele schon überlastet ist. Wie soll das gehen?
Neben der Sicherheit ist die Verkehrsüberlastung ein weiteres grosses Problem, das es zu lösen gibt. Dazu muss man aber sagen, dass bis im Sommer viele Baustellen, die jetzt noch den Verkehr erschweren, abgeräumt sein werden. In den Ausbau des öffentlichen Verkehrs wurde viel investiert, die Infrastruktur wird also besser sein als momentan. Aber klar, Verkehrsprobleme werden bei diesen Menschenmassen nicht zu vermeiden sein. Man wird in Paris diesen Sommer drei- bis fünfmal langsamer vorwärtskommen als in normalen Zeiten.

Was ja dann auch für die Einwohner gilt.
Und da wären wir beim Unmut, den ich ganz am Anfang angesprochen habe. Die Pariser werden jetzt schon aufgefordert, die Öffentlichkeit während Olympia zu meiden. Mit der Folge, dass viele die Stadt in dieser Zeit verlassen, vielleicht noch die Wohnung an Olympiabesucher vermieten, sich dann aber auf- und davonmachen werden.

Sie bleiben in Paris, werden am 26. Juli für SRF von der Eröffnungsfeier berichten und auch danach Hintergrundgeschichten liefern. Machen Sie sich wegen Olympia bereits Gedanken?
Ja, wir sind mitten in den Vorbereitungen. Mein Team beschäftigen aktuell vor allem logistische Fragen. Normalerweise haben wir bei der Recherche viel Equipment dabei, grosse Kameras, viel Gepäck. Nun suchen wir nach schlankeren Lösungen, auch was den Verkehr anbelangt. Vielleicht versuchen wir es mit Cargo-Bikes. Klar ist, Olympia wird auch für uns Journalisten eine Herausforderung.

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