Angelica Moser weint in Paris bittere Tränen
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4. Platz im Stabhochsprung:Angelica Moser weint in Paris bittere Tränen

«So höre ich sicher nicht auf»
Moser vergiesst Tränen – und macht nächste Kampfansage

Angelica Moser (26) gibt alles, wird aber letztlich Vierte. Eine hervorragende Leistung, die sie keinesfalls trösten kann. Sie weint bittere Tränen.
Publiziert: 08.08.2024 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2024 um 15:49 Uhr
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Angelica Moser zeigt in der Niederlage Grösse: Die Schweizer Stabhochspringerin verabschiedet sich von Paris.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Und dann bricht es aus Angelica Moser (26) heraus. Sie weint und umarmt ihre Mutter Monika, auch ihren Vater Severin und natürlich ihren Freund, den französischen Eishockeyspieler Kevin Bozon. «Ich brauchte einfach jemanden, der mich tröstet. Auch wenn es in diesem Moment eigentlich keinen Trost gibt. Sie sind alle mega stolz auf mich. Nur hilft mir das im Moment nicht.»

Moser wird beim Stabhochsprung-Finale im Stade de France Vierte. Nur Vierte? Nein, das darf man nicht sagen. Noch nie ist eine Schweizer Leichtathletin in der olympischen Geschichte so weit vorne gelandet. «Es war einer der besten Wettkämpfe meines Lebens. 4,80 Meter ist die zweitbeste Höhe, die ich jemals gesprungen bin – und das in einem Olympia-Final. Aber es war halt nicht genug.» 

Schon wieder Leder

Letztlich bleibt es dabei: Moser holt Leder statt Edelmetall. So wie bereits sieben weitere Schweizer oder Schweizer Teams in den letzten zweieinhalb Wochen. Beim Rudern (zweimal), beim Kajak Cross (Martin Dougoud), im Segeln (Maud Jayet), beim BMX (Cedric Butti), im Schwimmen (Noè Ponti) und beim Weitsprung (Simon Ehammer). Das darf doch nicht wahr sein!

Dabei beginnt der Wettkampf für Moser optimal. Sie überspringt 4,40 Meter locker und braucht bis 4,80 nie mehr als einen Versuch. Mit vier Fingern ist sie an der Medaille dran – denken alle. Auch sie? «Ich habe nicht daran gedacht. Aber es stimmt, alles lief optimal.» Dann aber, als die Latte auf 4,85 Metern gesetzt wird, stockt der Moser-Motor auf einmal.

Nicht so, dass nichts mehr ginge – bei weitem nicht. Man hat den Eindruck, dass die in Texas (USA) geborene Zürcherin die Höhe draufhat. «Stimmt. Aber bei diesen Höhen geht es halt um Millimeter, der Abstand zur Latte muss genau stimmen. Und da waren andere besser.» Nach zwei Fehlversuchen erhöht sich auf 4,90 Metern, reisst aber auch da. Aus der Traum.

Der Druck lähmte sie nicht

Moser wäre die erste Schweizerin gewesen, die eine Leichtathletik-Medaille geholt hätte. Nicht nur das: Werner Günthör war 1988 in Seoul der Letzte – bei den Männern oder Frauen –, der auf ein Olympiapodest stieg. Platz 3. So geht das Warten weiter. «Ich war so nahe dran am Podium. Das tut weh», so Moser. An der Erwartungshaltung sei sie aber nicht zerbrochen. «Ich mag Druck. Das war kein Problem.» 

Recht hat sie. Was fehlte also, abgesehen von der angesprochenen, ausgebliebenen Hilfe von Göttin Fortuna. Womöglich die Tatsache, dass sich Moser erst seit gut einem Jahr in diesen Sphären bewegt. Diamond-League-Sieg, EM-Gold, Schweizer Rekord (4,88 m) – ihre Saison 2024 ist unglaublich gut, aber die Erfahrung von mehreren Jahren auf Top-Niveau hat sie halt noch nicht. «Das ist sicher ein Faktor», gibt sie zu. 

«Ich komme zurück»

Moser weiss, dass sie schon an einem ganz anderen, schwierigeren Punkt ihrer Karriere war. Wir erinnern uns: Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio stand sie in einem leeren Stadion buchstäblich im Regen, es goss wie aus Kübeln – sie scheiterte dreimal über 4,55 Meter und sprach «von der grössten Enttäuschung in meinem Leben.» Zehn Tage danach der Tiefpunkt: Mosers Stab brach im Training, sie erlitt Muskelverletzungen am Rücken und im Brustbereich. Die Saison war futsch.

Zurück nach Paris. Vorwerfen muss sich Moser nichts. Sie zählt zu den Weltbesten in einer Sportart, die auf dem ganzen Globus betrieben wird. Bleibt die Frage: Wie geht es weiter? «So höre ich sicher nicht auf», sagt sie kämpferisch. Etwas anderes wäre auch eine Überraschung gewesen. Denn: In Moser schlummert weiterhin grosses Potenzial. «Jetzt versuche ich es halt 2028 in Los Angeles. Bis dann muss ich besser werden. Dort will ich aufs Podest.»

Und dann verlässt Moser die Mixed-Zone. Sie werde noch einige Zeit brauchen, um das Erlebte zu verdauen. Jubeln kann an diesem Abend, vor allem die australische Olympiasiegerin Nina Kennedy (27) – sie gewinnt mit 4,90 Metern. «Ich komme zurück», sagt Moser noch. Die Zeit heilt hoffentlich auch ihre Wunden. 

Sicher ist: Familie, Freunde und ihr Partner werden sie trösten – und irgendwann wird Moser stolz auf das zurückblicken, was sie an diesem warmen Abend im Norden von Paris gezeigt hat.

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