Obwohl sie in der Regel mehr austeilt als kassiert, ist sich Weltklasse-Karateka Elena Quirici Schmerzen gewohnt. Sie gehören zu ihrem Leben als Sportlerin dazu. Damit hat sie keine Probleme. Zuletzt ging die Powerfrau aus dem Aargau aber doch zu Boden. Und blieb liegen. Der Tiefschlag kam nicht auf dem Tatami, sondern auf Facebook. Was war passiert?
Der Karate-Weltverband teilte dort völlig überraschend mit, dass die bereits für Olympia qualifizierten Athletinnen – zu ihnen gehört auch Quirici – sich nun doch wieder neu qualifizieren müssen. «Es war ein Schock. Auf diesem Weg so eine Nachricht zu erhalten, ist brutal. Ich dachte daran, alles hinzuschmeissen», so Quirici.
Weltverband öffnet das Ranking plötzlich wieder
Diese Gedanken sind nun, einige Tage später, verflogen. Und auch die vielen Tränen getrocknet. Trotzdem sitzt der Stachel des Frust bei der Powerfrau aus dem Aargau tief. Schliesslich wurde offiziell im März erklärt, dass die Rankings im Karate wegen der Corona-Pause eingefroren würden.
Als zweitbeste der Welt war sich Quirici sicher: Sie würde 2021 nach Tokio reisen. Nun ist alles anders. «Man will jenen, die den Cut knapp nicht geschafft haben, nochmals eine Quali-Gelegenheit geben», so Quirici.
Das tönt auf den ersten Blick fair. Und ist es dennoch nicht. Denn: Erstens wurde den Athleten etwas anderes mitgeteilt. Zweitens gab es in Quiricis Kategorie (unter 68 Kilo) vor Corona ganze 21 Turniere, wo man Quali-Punkte sammeln konnte. Und drittens leistete sich Quirici für Tokio erstmals ein Profi-Jahr, um perfekt vorbereitet zu sein – ein finanzieller Kraftakt. «Die Nachricht war deshalb ein Schlag ins Gesicht. Ich finde das alles extrem ungerecht», so Quirici.
Das Herz sagt: Noch ist es nicht vorbei
Man habe ihr grosses Ziel einfach direkt vor ihrer Nase wieder weggenommen, so Quirici. «Nun werde ich alles geben, um mich erneut zu qualifizieren», kündigt sie an. Sie weiss genau, wie hart dies wird. Denn: Gerade einmal zehn Frauen weltweit schaffen es nach Tokio – ihre Kategorie wird mit jener über 68 Kilo zusammengelegt. Um sicher zu gehen, muss Quirici im Mai Europameisterin werden oder danach den letzten Weltcup gewinnen. Verrückt. «Wenn mein Herz gesagt hätte: «Das schaffe ich nicht mehr», hätte ich aufgehört. Doch das tut es nicht.»
Noch ist der Schock bei Quirici nicht verflogen. Mutter, Vater, Brüder und der spanische Freund – er ist ebenfalls Karateka – geben ihr Halt. Und schliesslich weiss die Schweizer Olympia-Hoffnung, was sie tun muss: Aufstehen. Das macht Quirici schon ihr ganzes Leben lang.