«Der 6. September 1970. Wie könnte ich diesen Tag je vergessen? Ich weinte auf dem Siegerpodest von Monza. Mein erster Grand-Prix-Sieg im fünften Rennen.
Und ich glaube, auch Enzo Ferrari hat geweint, als er mir kurz darauf am Telefon aus Maranello gratulierte. Am Montagmorgen habe ich dann mit dem Commendatore, der wie immer am Freitag kurz an den Boxen aufgetaucht war, in seinem Landhaus gefrühstückt.
Nachdenklich wegen Jochen Rindts Tod
Der 6. September 1970 war aber auch der Tag danach. Denn am Samstag hatten mir noch viele Fahrerkollegen zu meinem 31. Geburtstag gratuliert. Stunden später war Jochen Rindt tot. Gestorben in der Parabolica-Kurve.
Ich machte mir viele Gedanken über unseren Sport, dem damals fast jeder Sicherheitsgedanke fehlte. Und Sie wissen, dass ich zehn Jahre später in Long Beach selbst alles Glück brauchte, um nicht auch auf der langen Todesliste der Rennfahrer aufzutauchen.
Explosive Stimmung in Monza
Der 6. September 1970. Über 200 000 Fans, darunter mehr als 35 000 aus der Schweiz, pilgerten nach Monza. Die Stimmung war explosiv, denn Jacky Ickx stand mit seinem Ferrari auf der Pole-Position. Daneben Pedro Rodriguez im BRM.
Ich startete mit March-Superstar Jackie Stewart aus der zweiten Reihe. Einen Favoriten gab es nach Rindts Tod eigentlich nicht – so verlief das Rennen noch dramatischer.
Mit Riesentempo durch die Wälder
Sie müssen wissen, dass Monza damals noch keine Schikanen kannte. Da rasten wir mit weit über 320 km/h durch die Wälder. Das ist heute fast unvorstellbar. Aber die tollen Windschatten-Schlachten begeisterten die Massen
Klar, dass fast jede Runde die Führung wechselte. Erst bei Halbzeit beruhigte sich das Rennen, als mit Jackie Oliver auf BRM ein weiterer Leader ausgefallen war. Wie zuvor mein Teamkollege Ickx, dem die Kupplung explodierte. Und Rodriguez, dessen unheimlicher BRM-Zwölfzylinder ebenfalls den Geist aufgab.
Der Weg zum Sieg
Nach 60 von 68 Runden war klar, dass nur noch fünf Piloten für den Sieg in Frage kamen. Ich lag wenige Meter vor Jean-Pierre Beltoise im Matra und Stewart. Da habe ich mir gesagt, bei der nächsten Zieldurchfahrt riskierst du in der Rechtskurve alles, um diesen Beltoise endlich loszuwerden. Und tatsächlich lag ich dann 20 Meter vor dem Franzosen.
Zum Glück wehrte sich dann Beltoise zweimal bei einem Angriff von Stewart in der Parabolica. So lag ich schon 50 Meter vor der Meute. Doch dann der Schock: Mein Rückspiel ging kaputt – wo waren Beltoise und Stewart?
Der Triumph mit Vorsprung
Ich wartete auf die Boxentafeln: plus zwei Sekunden Vorsprung auf Stewart. Das reichte für die letzten vier Runden. Im Ziel lag Stewart 5,7 Sekunden hinter mir. Dann rasten Beltoise, Hulme und Stommelen über die Ziellinie. Zahlen und Namen, die man nach dem ersten Sieg nie mehr vergisst.
Genau wie das entsetzte Gesicht von Rennleiter Mauro Forghieri, der mich umarmte und sagte: ‹Clay, eigentlich hättest du ohne Benzin stehen bleiben sollen!›»