Noch heute, 50 Jahre nach seinem Todessturz in Monza, streiten sich die Leute, ob Jochen Rindt ein Deutscher oder Österreicher war. Am 18. April 1942 in Mainz geboren, am 11. September 1970 in Graz zu Grabe getragen.
Kurz: Als Waise mit deutscher Staatsangehörigkeit wuchs er bei seinen Grosseltern in Österreich auf. Jochens Eltern, die in Mainz eine Gewürzmühle betrieben, kamen 1943 bei einem Luftangriff in Hamburg ums Leben.
Jochens Grossvater wollte, dass er Deutscher bleibt. «Aber ich fühle mich immer mehr als Österreicher», sagte Rindt auf die ewige Frage der Journalisten.
«Sonst hast du kein langes Leben!»
Es ist der 5. September 1970. Ein warmer Sommertag in Monza. Kurz nach 11 Uhr sitzen wir gemeinsam auf der Boxenmauer. Wir blasen den Rauch in die Luft. Jochen lässig mit einer grossen Brille mit dunklen Gläsern. Ich als Grand-Prix-Greenhorn mit zehn Rennen und Zigarre. Jochen rauchte mehr als später ein gewisser Paradiesvogel namens James Hunt.
Rindts bester Freund, Jackie Stewart, schlendert vorbei und sagt: «Jochen, hör endlich mit diesem Scheiss auf. Sonst hast du kein langes Leben!»
Parabolica wird zum Verhängnis
Jochen lachte, zog weiter an seinem Glimmstengel. Rund vier Stunden später war der Lotus-Superstar und WM-Leader tot.
Gestorben um 15.45 Uhr in der berüchtigten Parabolica. Im Abschlusstraining brach bei Tempo 280 am Eingang eine der umstrittenen innenliegenden Bremswellen.
Rindt hatte keine Chance
Rindt, offenbar nicht richtig angegurtet, wurde nach dem Knall links in die Leitplanken vorne mit den Füssen aus dem Auto gerissen. Das Lenkrad und das Armaturenbrett zerfetzten seinen Brustkorb, die Halsschlagader und die Luftröhre. «Er war sofort tot», sagte Stewart und stoppte alle Gerüchte. Die Fahrt mit der Ambulanz ins Spital war eine Farce.
An den Boxen musste Rindts Frau Nina gestützt werden. Sie hatte einem Frauenmagazin einmal verraten: «Immer wenn ich in einem Schaufenster ein schwarzes Kleid sehe, habe ich es gekauft. Ich wusste, ich würde es sicher mal brauchen!»
Rindt: «Ich kann auch abnehmen!»
Der Tod war in der Familie Rindt, mit Kleinkind Natascha, ein unausgesprochenes Thema. Am 9. Mai 1969 hatte Jochen Rindt seinem für die Leichtbau-Konstruktion seiner Rennwagen bekannten Chef Colin Chapman einen Brief geschrieben: «Ich bin beunruhigt. Wir müssen gewisse Teile stärker machen. Wenn du unbedingt Gewicht einsparen willst, kann ich auch einige Kilo abnehmen!»
Chapman, der immer als britischer Gentleman auftrat, liess jedoch keine Kritik zu. «Am besten ist ein Rennauto, wenn es sich nach dem Sieg in alle Einzelteile auflöst.»
Der Lotus 72, der erste keilförmige Bolide, war der Geniestreich von Chapman vor 50 Jahren. Fünf GP-Siege brachte Rindt nach Monza mit. Er schien unschlagbar. Doch er dachte immer öfters an den Rücktritt.
Zweifel am Auto
Im Tunnel zum Fahrerlager auf dem Red Bull-Ring hängen sieben Porträts von Weltmeistern an der Wand. Bei jedem dieser Fotos kann man einen Knopf drücken. Dann kommt die Originalstimme des Stars. Für eine Minute.
Bei den verewigten Worten von Jochen Rindt läuft es dir kalt den Rücken runter: «Ich weiss, dass ich ein guter Rennfahrer bin. Ich habe grosses Vertrauen in meine Fähigkeiten. Das gleiche würde ich nie über mein Auto sagen. Da habe ich Zweifel.»
Der meist knorrige Typ, mit einem wunderbaren Talent ausgestattet, ahnte wohl das Drama voraus.
Marko: «Tödliches Risiko»
Sein Grazer Jugendfreund Helmut Marko (77): «Jochen realisierte, dass er bei Lotus ein tödliches Risiko eingeht. Er hatte irgendwie genug, vertraute Chapman nicht mehr. Er wollte sich auf sein Formel-2-Team konzentrieren, dass er mit Freund Bernie Ecclestone betrieb. Fittipaldi und ich hätten dort gemeinsam fahren sollen.»
Der Tod in Monza zerstörte alle Pläne des Jochen Rindt. Und wenige Wochen später wurde der Grazer aus Mainz als bisher einziger Pilot zum Weltmeister posthum ausgerufen.