Schweizerin will als Wrestlerin die USA erobern
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Unter dem Namen Michelle Green:Schweizerin will als Wrestlerin die USA erobern

Schweizerin will die Wrestling-Szene erobern
«Im Ring spiele ich die Böse»

Katrin Stutz lebt unter dem Künstlernamen Michelle Green den amerikanischen Traum. Sie will als erste Schweizer Wrestlerin in den USA durchstarten. Dafür nimmt sie viele Entbehrungen in Kauf.
Publiziert: 24.01.2022 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2022 um 07:44 Uhr
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Sie lebt ihren Traum: Katrin Stutz als Michelle Green.
Foto: Mickey Bernal
Daniel Leu

Zum Schluss des Gesprächs sagt sie den Satz, den ihr Leben und ihre Einstellung dazu wohl am treffendsten umschreibt. «Ich weiss, dass es nicht wahrscheinlich ist, ich weiss aber auch, dass es möglich ist.» Katrin Stutz hat einen Traum: Sie will als Wrestlerin Michelle Green die USA erobern. Aber ja, wahrscheinlich ist das nicht, aber möglich.

Eine Stunde zuvor ist Stutz in einem Zürcher Café erschienen. Sie ist nur für kurze Zeit in der Schweiz. Wenige Tage später wird sie bereits wieder in einem Flugzeug Richtung Amerika sitzen. Ein Gespräch mit ihr ist spannend. Man weiss oft nicht, ob jetzt die Privatperson Stutz antwortet oder die Kunstfigur Michelle Green.

Via Deutschland nach Mexiko

Die Privatperson Stutz hat noch vor wenigen Jahren mit Wrestling nichts am Hut. Sie arbeitet damals im Marketing der Valora. «Als Teenager schaute ich mir im amerikanischen TV den ‹Bachelor› an. Weil direkt davor immer Wrestling lief, sah ich jeweils noch den Schluss davon. Diese Mischung aus Sport, Schauspielerei und Entertainment hat mich sogleich fasziniert», sagt sie heute.

Sie beginnt deshalb, Artikel darüber zu lesen und Podcasts zu hören. An einer Silvesterparty 2018/19 bastelt eine Kollegin für jeden eine persönliche Tischbombe mit einem Zettelchen drin. Bei ihr steht: «Katrin geht zum Wresteln.» Stutz sagt sich: Warum nicht! Im März 2019 beginnt sie an der Wrestling Academy Rorbas mit dem Training, später geht sie nach Deutschland. Doch dann kommt Corona. Eigentlich wollte Stutz zur Geburt ihrer Nichte nach Australien reisen. Doch das Land ist zu der Zeit hermetisch abgeriegelt. Also Plan B, eine Kollegin in Mexiko besuchen.

Die Planänderung ist ein Glücksfall für Stutz, denn in Mexiko zählt Wrestling zu den populärsten Sportarten. Stutz trainiert dort, und nach ihrer Rückkehr im Dezember 2020 steht für sie fest: Ich kündige meinen Job im Marketing der Migros. «Wenn du 100 Prozent Erfolg haben willst, musst du auch 100 Prozent Zeit und Energie investieren.»

Michelle Green ist die Böse

Wer Stutz heute – ein gutes Jahr später – zuhört, der merkt schnell: Das Wrestling ist wirklich ihre grosse Leidenschaft. Dass sie dafür bereit war, einen sicheren Job aufzugeben, hängt möglicherweise auch mit ihrer Lebensgeschichte zusammen. Als Diplomatentochter war sie es sich gewohnt, immer wieder umzuziehen und von neuem zu beginnen.

Geboren in Flawil (das Geburtsjahr sei Privatsache, sagt sie). Aufgewachsen in Deutschland, Indonesien, Spanien, Simbabwe. Studiert in St. Gallen an der HSG.

Das ist Katrin Stutz. Karriere aber will sie als «The International Swiss Sensation Michelle Green» machen. «Das Tolle am Wrestling: Man kann einen neuen Charakter erschaffen. Green spricht fünf Sprachen. Sie ist smart und sieht gut aus», erklärt Stutz, «im Ring spielt sie die Böse, ist auf Kohle aus und wird vom Publikum gnadenlos ausgepfiffen.» Der Name ist dabei wohlüberlegt, Michelle heisst auf Deutsch «Wer ist wie Gott?», und Green ist bekanntlich die Farbe des US-Geldes.

Das müssen Sie wissen!

Was ist Wrestling?
Eine Mischung aus Sport und Show. Das Ziel ist nicht der Sieg, sondern das Unterhalten der Zuschauer. Dabei ist schon vor dem Kampf klar, wer gewinnt und wer verliert.

Welches sind die wichtigsten Verbände?
World Wrestling Entertainment (WWE) und All Elite Wrestling (AEW). Wrestling ist längst ein Millionen-Business. So betrugen zum Beispiel die WWE-Einnahmen 2020 trotz Corona über 970 Millionen US-Dollar.

Wer sind die bekanntesten Wrestler?
Terrence Gene Bollea kennt kaum einer, doch unter seinem Künstlernamen Hulk Hogan wurde er weltberühmt. Der Amerikaner war ab den 80er-Jahren DER Wrestler. Ebenfalls ein Star ist Dwayne Johnson. Der begann als Wrestler unter dem Namen The Rock. Heute ist er ein erfolgreicher Schauspieler («Fast & Furious»).

Welche Wrestling-Frauen gibt es?
Früher mussten sie vorwiegend Klischees bedienen. Ihre Kämpfe verwandelten sich meist in freizügige Schlammschlachten. Mittlerweile hat ein Wandel stattgefunden. Zu den bekanntesten Wrestlerinnen zählt zurzeit Thunderrosa, mit der Stutz in Texas trainierte.

Wo sind die Schweizer?
Claudio Castagnoli steht seit 2006 bei WWE unter Vertrag. Ein Ritterschlag für den Luzerner. Unter dem Namen Cesaro kämpft der heute 41-Jährige noch immer regelmässig im US-TV. Der Zürcher Oliver Carter ist ebenfalls bei der WWE aktiv und tritt für NXT UK in England an.

Was ist Wrestling?
Eine Mischung aus Sport und Show. Das Ziel ist nicht der Sieg, sondern das Unterhalten der Zuschauer. Dabei ist schon vor dem Kampf klar, wer gewinnt und wer verliert.

Welches sind die wichtigsten Verbände?
World Wrestling Entertainment (WWE) und All Elite Wrestling (AEW). Wrestling ist längst ein Millionen-Business. So betrugen zum Beispiel die WWE-Einnahmen 2020 trotz Corona über 970 Millionen US-Dollar.

Wer sind die bekanntesten Wrestler?
Terrence Gene Bollea kennt kaum einer, doch unter seinem Künstlernamen Hulk Hogan wurde er weltberühmt. Der Amerikaner war ab den 80er-Jahren DER Wrestler. Ebenfalls ein Star ist Dwayne Johnson. Der begann als Wrestler unter dem Namen The Rock. Heute ist er ein erfolgreicher Schauspieler («Fast & Furious»).

Welche Wrestling-Frauen gibt es?
Früher mussten sie vorwiegend Klischees bedienen. Ihre Kämpfe verwandelten sich meist in freizügige Schlammschlachten. Mittlerweile hat ein Wandel stattgefunden. Zu den bekanntesten Wrestlerinnen zählt zurzeit Thunderrosa, mit der Stutz in Texas trainierte.

Wo sind die Schweizer?
Claudio Castagnoli steht seit 2006 bei WWE unter Vertrag. Ein Ritterschlag für den Luzerner. Unter dem Namen Cesaro kämpft der heute 41-Jährige noch immer regelmässig im US-TV. Der Zürcher Oliver Carter ist ebenfalls bei der WWE aktiv und tritt für NXT UK in England an.

Apropos Geld. Das Ziel von Stutz ist es, vom Wrestling leben zu können. «Sagen wir es so: Ich befinde mich zurzeit noch in der Investmentphase und investiere daher mein Erspartes in mein Training und meine Ziele.» Hat sie nie Zweifel, dass ihr Weg doch der falsche sein könnte? «Nein! Das Wichtigste am Ganzen: Du musst an dich glauben. Wenn du das nicht machst, warum soll es dann jemand anders machen?»

«Du musst wie ein Star auftreten»

Für 2022 hat Stutz ein klares Ziel: Sie will im nationalen US-TV auftreten. Zurzeit trainiert sie deshalb wieder in Tennessee. «Die USA ist der beste Ort, um vom Wrestling leben zu können. Längerfristig möchte sie bei einem der beiden grossen Verbände WWE oder AEW unterkommen. Schafft sie das, wäre sie ihre finanziellen Sorgen auf einen Schlag los. Helfen soll ihr dabei auch ihre Lebensgeschichte. «Ich spreche fünf Sprachen. Das ist ein interessantes Alleinstellungsmerkmal.»

Noch ist Stutz erst am Anfang ihrer Karriere. Die jährliche grösste Wrestling-Veranstaltung Wrestlemania lockt jeweils pro Tag 100'000 Zuschauer in die Football-Stadien. Ihre Kämpfe aber finden zurzeit noch in Turnhallen von Kleinstädten statt. Stundenlanges Autofahren gehört deshalb zum Alltag. Trotzdem ist Stutz ein selbstbewusstes, glamouröses Auftreten wichtig. Auch wenn die Umgebung noch das pure Gegenteil ist. «Wenn du ein Star sein willst, musst du auch wie ein Star auftreten.»

Stutz arbeitet hart für ihren amerikanischen Traum und nimmt viele Entbehrungen in Kauf. Sie trainiert unter der Woche vier Stunden täglich Wrestling. Hinzu kommen zwei Stunden Krafttraining, das Studium der Gegnerinnen, die strikte Ernährung.

Wrestling ist ihr Leben. «Wer will, findet Wege. Es ist möglich, also werde ich einen Weg finden, es ganz nach oben zu schaffen.» Aber eben: Dass Stutz es schaffen wird, ist nicht wahrscheinlich. Aber möglich!

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