Dass Alinghi zusammen mit Red Bull Racing 2024 wieder um den America's Cup fährt, elektrisiert die Schweizer Segelszene. Vor allem, weil im Gegensatz zu früher die Bootsbesatzung tatsächlich den Schweizer Pass braucht. Die Schweizer Pflicht gilt auch für die kleinen America's-Cup-Klassen «Youth» (Frauen und Männer zwischen 18 und 25 Jahren) und «Women» (Frauen ab 18 Jahren).
Für diese Unterkategorien laufen aktuell in der Schweiz die Selektionen. Alinghi Red Bull Racing hat von 91 Bewerbungen 69 Kandidatinnen und Kandidaten zu den Selektionsevents in Hilterfingen BE, Brunnen SZ und Genf eingeladen. Es geht um sechs Plätze im Youth- und sechs im Women-Team. Bei den Aspiranten wimmelt es von EM- und WM-Medaillengewinnern, Olympioniken und Toptalenten.
Von Allmen verzichtet fürs Segeln auf eine Beziehung
Eine davon: Anja von Allmen (20) aus Spiez BE. Die Bernerin war bei den Juniorinnen schon Europa- und Weltmeisterin im Laser-Boot und ist die grosse Schweizer Zukunftshoffnung. Ihr Leben dreht sich voll ums Segeln. Das BWL-Studium läuft nur auf Sparflamme, eine Beziehung führt sie nicht: «Möglich wäre es, aber es kostet auch Energie. Momentan bin ich nicht bereit, diese zu investieren.»
Mehr zu Alinghi Red Bull Racing
Von Allmens ganz grosses Ziel ist Olympiagold. «In einem solch professionellen Team wie Alinghi Red Bull Racing Erfahrungen zu sammeln, ist auch für die eigene Olympiakampagne ein enormer Vorteil», sagt sie.
Also ist ihr Ausflug ins America's-Cup-Umfeld nur ein Training für Paris 2024 respektive Los Angeles 2028? Die Bernerin sagt sofort: «Dafür bin ich viel zu ehrgeizig. Ich will im Team dabei sein und diesen Cup gewinnen!»
Das Geheimnis der Sonnencreme vom Gardasee
Aufgrund ihres Alters kommt sie sowohl für die Youth- als auch für die Women-Klasse in Frage. Von Allmens nächstes Ziel ist aber erst einmal die Final-Quali im Oktober in Barcelona, wo es noch 20 Startplätze gibt.
Blick trifft die Bernerin nach dem Selektions-Event beim Segelklub Thunersee, wo von Allmen selber als Kind jahrelang übte. «Am Anfang war ich einfach die Kleine, die wegen des geringen Gewichts schnell war», sagt sie lachend. Doch sie bleibt auch schnell, als es immer mehr auf die Technik ankommt.
Schnell macht sie irgendwann auch ein Mental-Trick. Von Allmen trägt eine Sonnencreme, die sie jeweils am Gardasee kauft. «Sie hat einen spezifischen Geruch. Wenn ich ihn rieche, kommt bei mir automatisch der Fokus, mich aufs Rennen zu konzentrieren.»
Erstmals auf dem Thunersee im fliegenden Boot
Bei der Selektion ist von Allmen nicht nur am Segeln. Sie fliegt erstmals in ihrem Leben übers Wasser – Alinghi Red Bull Racing testet die Aspiranten in spektakulären Booten mit «Foils» (dt. Tragflächen), weil in Barcelona die Youth- und Women-Rennen mit über 80 km/h schnellen, fliegenden AC40-Schiffen ausgetragen werden. Von Allmen hat zuvor auf Foil-Trainings verzichtet. Denn sie vermutet, dass die Jury auch sehen wollte, wie schnell man sich auf neue Begebenheiten einstellen kann.
Neu ist für die Weltmeisterin auch das Teamwork auf dem Boot. Bei all ihren Erfolgen und bei ihrem Olympia-Projekt ist sie Einzelsportlerin. Auf dem Thunersee sind Dreier-Crews am Werk. Mit der direkten Konkurrenz gemeinsame Sache machen – das hingegen kennt sie bestens.
Bei Swiss Sailing trainiert sie gemeinsam mit der Tokio-erfahrenen Maud Jayet (27) für die Paris-Quali, obwohl es nur einen Schweizer Startplatz gibt. Deshalb gilt von Allmens Olympia-Fokus eher für 2028. Für 2024 hat sie mit dem America's Cup nun aber ein weiteres, sehr verlockendes Rennen im Visier.