Alinghi-Seglerin kämpfte jahrelang gegen den Krebs
«Ich hatte Todesangst!»

Die Überlebens-Chancen von Nathalie Brugger waren gering. Seit zweieinhalb Jahren prägt der Krebs das Leben der Spitzenseglerin. Trotzdem will sie im Oktober den America's Cup im Frauenteam von Alinghi Red Bull Racing gewinnen.
Publiziert: 02.05.2024 um 11:26 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2024 um 18:36 Uhr
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Die Lebensfreude ist zurück! Spitzenseglerin Nathalie Brugger spielt mit dem Wassern in einem Park in Fribourg.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Nicola AbtReporter Sport

Kaum ist die Zimmertür geschlossen, beginnt Spitzenseglerin Nathalie Brugger (38) zu weinen. Gemäss Google erhielt sie soeben ihr Todesurteil. «Die Worte des Arztes werde ich nie mehr vergessen», gesteht sie. Zweieinhalb Jahre sind seither vergangen.

Als geheilt gilt Brugger nicht. Trotzdem will die Freiburgerin im Oktober den America's Cup im Frauenteam von Alinghi Red Bull Racing gewinnen. Wer ist diese Frau? Und was hat sie erlebt? Mit Blick spricht sie erstmals ausführlich über die schwierigste Phase ihres Lebens.

Angefangen hat alles bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio 2021. Brugger ist als Segeltrainerin vor Ort. Nach einigen Tagen fühlt sie sich unwohl. «Wir assen rohen Fisch und andere spezielle Dinge. Ich dachte, das komme davon.» Zurück in der Schweiz sucht sie einen Arzt auf. Erste Untersuchungen bringen keine Erklärung.

Eine Frage beschäftigt die Seglerin

Weitere Tests schaffen dann Klarheit. Am 14. September 2021 fallen die für Brugger unvergesslichen Worte. «Sie haben Darmkrebs», erklärt ihr der Arzt. Der Krebs im Körper der Schweizerin befindet sich im vierten Stadium, ist also sehr ernst und wird als «fortgeschritten» bezeichnet. Weil Brugger eine Hygienemaske trägt, kann sie ihre Emotionen vor dem Arzt verstecken. Einmal draussen, muss alles raus. «Ich hatte einen Nervenzusammenbruch und Todesangst.»

Brugger läuft mit Odermatt und Co. am Wings for Life World Run

Seglerin Nathalie Brugger legt diesen Sonntag eine besondere Trainingseinheit ein. Sie läuft wie viele andere Athletinnen und Athleten aus dem Red-Bull-Kosmos in Zug am «Wings for Life World Run» mit. Weil der Event weltweit an diversen Orten gleichzeitig um 13.00 Uhr MEZ startet, lässt sich der Run mit rund einer viertel Million Beteiligten als grösste Laufveranstaltung der Welt bezeichnen. In der Schweiz sind rund 10'000 Teilnehmende dabei, davon 6'500 beim «Flagship Run» in Zug, der damit erstmals ausverkauft ist. Mitten im Pulk der Amateure dabei: Skistar Marco Odermatt, Leichtathletik-Weltmeister Simon Ehammer und Fechter Max Heinzer.

Auch in Neuenburg, Frauenfeld, Schaan und Lausanne wird gemeinsam gerannt. Es lässt sich aber auch auf der gewohnten Joggingroute via App teilnehmen.

Beim Wings for Life World Run starten alle weltweit zur selben Zeit. Eine Ziellinie gibt es nicht. Stattdessen setzt sich 30 Minuten nach dem Start das Catcher Car in Bewegung und überholt die Läuferschar und Rollstuhlfahrerenden nach und nach. Alle Startgelder und Spenden fliessen zu 100 Prozent in die Rückenmarkforschung und helfen dabei, Querschnittslähmung zu heilen.

Treue Gäste: Marco Odermatt und Simon Ehammer nahmen auch schon 2023 am Wings for Life World Run statt.
Red Bull

Seglerin Nathalie Brugger legt diesen Sonntag eine besondere Trainingseinheit ein. Sie läuft wie viele andere Athletinnen und Athleten aus dem Red-Bull-Kosmos in Zug am «Wings for Life World Run» mit. Weil der Event weltweit an diversen Orten gleichzeitig um 13.00 Uhr MEZ startet, lässt sich der Run mit rund einer viertel Million Beteiligten als grösste Laufveranstaltung der Welt bezeichnen. In der Schweiz sind rund 10'000 Teilnehmende dabei, davon 6'500 beim «Flagship Run» in Zug, der damit erstmals ausverkauft ist. Mitten im Pulk der Amateure dabei: Skistar Marco Odermatt, Leichtathletik-Weltmeister Simon Ehammer und Fechter Max Heinzer.

Auch in Neuenburg, Frauenfeld, Schaan und Lausanne wird gemeinsam gerannt. Es lässt sich aber auch auf der gewohnten Joggingroute via App teilnehmen.

Beim Wings for Life World Run starten alle weltweit zur selben Zeit. Eine Ziellinie gibt es nicht. Stattdessen setzt sich 30 Minuten nach dem Start das Catcher Car in Bewegung und überholt die Läuferschar und Rollstuhlfahrerenden nach und nach. Alle Startgelder und Spenden fliessen zu 100 Prozent in die Rückenmarkforschung und helfen dabei, Querschnittslähmung zu heilen.

Am selben Abend geht sie mit Freunden etwas trinken, um den Schock zu verarbeiten. «Ich genoss ab sofort jeden Moment. Ob ich das überleben würde, wusste ich ja nicht.» Obwohl sie von allen Seiten ein Google-Verbot erhält, sucht sie nach weiteren Infos im Netz. «Als Athlet willst du immer alles wissen und kontrollieren.»

Was sie dort liest, ist nur schwer verdaulich: «Es stand, ich würde sterben.» Nach einigen Tagen voller Tränen wird Brugger wütend. Eine Frage lässt sie nicht mehr los. «Warum ich?» Eine Antwort hat sie bis heute nicht gefunden.

Ihr Körper rebelliert

Mit drei Olympia-Teilnahmen gehört Brugger zu den erfolgreichsten Seglerinnen der Schweiz. Der sechste Platz bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 ist ihr sportliches Karriere-Highlight. Nun ist die Absolventin eines Sportstudiums am Tiefpunkt angelangt.

Jede zweite Woche muss sie ins Spital. Chemotherapie. Die jeweils folgenden sechs bis acht Tage seien schrecklich. «Bereits nach fünf Treppenstufen fühlte ich mich kaputt.» Sie liegt mehrheitlich im Bett. Einige Monate nach Beginn der Chemotherapie wehrt sich ihr Körper gegen die starken Medikamente. Brugger bekommt hohes Fieber, erbricht regelmässig. In dieser Zeit versucht sie, ihre Familie an schlechten Tagen von sich fernzuhalten. «Meine Eltern litten sehr. Ich wollte ihnen diesen schrecklichen Anblick ersparen.»

Schock-Anruf im Mai 2023

Immer an ihrer Seite ist Partner Will Ryan. Der australische Segler gewann in Tokio 2021 Olympia-Gold. Wenn er 20 Kilometer rennen geht, fährt sie mit einem Elektro-Trottinett nebenher. Die drei Tage vor der nächsten Chemo seien jeweils ihre «Happy Days». Da fühlt sie sich besser.

Um den Spass am Leben nicht zu verlieren, stellt das Paar eine Regel auf. «Pro Tag mussten wir einmal lachen. Das war schwierig», so Brugger. Ein Smiley auf dem Handgelenk erinnert sie an den Vorsatz. Zudem setzt sich die Freiburgerin täglich ein Ziel. Kleine Dinge, wie die Seite eines Buches lesen. «An diesen Erfolgen konnte ich mich hochziehen.»

Es geht bergauf – bis ein Telefonat im Mai 2023 alles verändert. Bei einer Nachkontrolle entdeckten die Ärzte neue Krebszellen. Brugger muss wieder in die Chemotherapie. Erneut fliessen Tränen. «Das war richtig brutal.»

Selektion geschafft trotz Chemotherapie

Da Aufgeben keine Option ist, kämpft Brugger weiter. «In dieser Zeit lernte ich, Situationen zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen.» Einige Monate später finden die ersten Selektionen für das Frauenteam von Alinghi Red Bull Racing statt. Trotz anhaltender Chemotherapie geht sie hin und übersteht den ersten Cut. Da der Cheftrainer ihr ehemaliger Olympia-Teamkollege ist, weiss er um die Qualitäten von Brugger.

Die letzte Runde des Selektionsverfahrens findet im Oktober 2023 in Barcelona statt. Aufgrund ihrer körperlichen Verfassung kann Brugger nicht aufs Wasser. Am Simulator überzeugt sie jedoch. Kurz darauf erhält sie den Anruf mit der erfreulichen Botschaft. «Ich bin im Team», sagt sie stolz.

Gleichzeitig wirkt die Chemotherapie wie erhofft. Im Januar kann sie die Bestrahlung abschliessen. Aktuell muss sie erneut alle drei Monate zur Kontrolle. Als geheilt gilt ein Krebspatient in der Regel erst nach fünf krebsfreien Jahren. «Ich bin physisch noch nicht in Bestform», erklärt Brugger. Bis zum America's Cup im Oktober bleiben noch einige Monate. «Das kommt gut», frohlockt Brugger, die ihre Lebensfreude wieder gefunden hat.

America's Cup 2024: Die Termine

Vor Barcelona findet die 37. Austragung des America's Cup statt. Dazu muss man wissen: Der America's Cup ist das Duell zwischen dem Titelhalter und dem besten Herausforderer-Team. Die Herausforderer machen zuvor im sogenannten Louis Vuitton Cup unter sich aus, wer zum America's Cup überhaupt antreten und um die älteste Sport-Trophäe der Welt segeln darf.

29. August bis 8. September: Louis Vuitton Cup, Round Robin (29.8.: Orient Express vs. Alinghi Red Bull, 14.00 Uhr live SRF2)

14. bis 19. September: Louis Vuitton Cup, Halbfinals

26. September bis 5. Oktober: Louis Vuitton Cup, Final

12. bis 21. Oktober: America's Cup (Titelverteidiger Neuseeland vs. Louis-Vuitton-Cup-Gewinner)

Vor Barcelona findet die 37. Austragung des America's Cup statt. Dazu muss man wissen: Der America's Cup ist das Duell zwischen dem Titelhalter und dem besten Herausforderer-Team. Die Herausforderer machen zuvor im sogenannten Louis Vuitton Cup unter sich aus, wer zum America's Cup überhaupt antreten und um die älteste Sport-Trophäe der Welt segeln darf.

29. August bis 8. September: Louis Vuitton Cup, Round Robin (29.8.: Orient Express vs. Alinghi Red Bull, 14.00 Uhr live SRF2)

14. bis 19. September: Louis Vuitton Cup, Halbfinals

26. September bis 5. Oktober: Louis Vuitton Cup, Final

12. bis 21. Oktober: America's Cup (Titelverteidiger Neuseeland vs. Louis-Vuitton-Cup-Gewinner)

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