Als er die Ziellinie überquert, ballt Matthias Kyburz (34) ganz kurz die Faust. Sofort stützt er sich auf den Knien ab. Dieser Marathon in Sevilla (Sp) hat ihn so richtig gefordert. Doch der Fricktaler hat Grosses erreicht. Er ist nun schneller als die Schweizer Marathon-Legende Viktor Röthlin (50) und neu zweitschnellster Schweizer Marathonläufer der Geschichte.
Die spezielle Konstellation: Röthlin ist Kyburz' Coach! Er steht in Sevilla bei Kilometer 40 kurz vor dem Ziel am Streckenrand, feuert als Lehrmeister seinen Schützling ein letztes Mal an, damit ihn dieser in der ewigen Bestenliste überholt. Kurz darauf hat es Kyburz geschafft, 2:06:48 steht auf der Tafel. Röthlins Bestmarke von 2008 in Tokio liegt bei 2:07:23.
Das macht Röthlin stolz: «Was für eine Freude, in der Schweizer Bestenliste einen Platz nach hinten zu rutschen. Ich habe grundsätzlich immer Freude, wenn ein Schweizer schneller läuft als ich. Aber im Fall von Matthias ist es speziell. Er hat die Leistung gezeigt, aber es freut mich, als Trainer Teil des Ganzen sein zu dürfen.»
«Er kann im Training extrem an seine Grenzen gehen»
Während Kyburz sich mit seiner Familie in Spanien von den harten 42,195 km erholt, ist Coach Röthlin bereits wieder zurück in der Schweiz. Mit einem Tag Abstand sagt er zu Blick: «Es ist eindrücklich, wie er mich im Training immer wieder verblüfft. Er kann im Training extrem an seine Grenzen gehen. Die Frage ist immer, ob er das im Wettkampf auch umsetzen kann. Und das hat er einmal mehr. Sehr beeindruckend.»
Kyburz rollt in Sevilla das Rennen von hinten auf. «Es ist natürlich motivierend, wenn man an 40. Position ist, und im Ziel Vierter», sagt der Sensations-Läufer nach dem Zieleinlauf zu «athle.ch». Da gab es durchaus auch heikle Situationen. Röthlin berichtet: «Er hat zwar eine super Gruppe erwischt, doch diese war sehr gross. Teilweise ein Gerangel. Ich bin bei 10 km bei der Verpflegungszone gestanden, da gab es auch Stürze. Er hat es gemeistert, wie ein alter Routinier.»
OL-Läufer Kyburz bald der schnellste Marathon-Schweizer?
Kyburz ist im Ziel klar bester Europäer, schlägt unter anderem Koen Naert (35, Bel), den Europameister von 2018. Wo führt das noch hin? Röthlin: «Ich bleibe dabei, im Vergleich zu seinem ersten Marathon im April 2024 in Paris hat er drei Minuten Potenzial. Eine Minute davon hat er nun rausgeholt. Die drei Minuten kann er nicht in einem Jahr gutmachen, aber wenn er gesund bleibt und die Motivation hat, harte Wege zu gehen, ist es in zwei, drei Jahren realistisch.» Nun sattelt Kyburz auf seine eigentliche Sportart um, den OL, wo er achtfacher Weltmeister ist und an der WM im Sommer endlich auch über die Langdistanz triumphieren will.
Der Marathon bleibt aber ein heisses Thema. 2:07:44 lief Kyburz vor einem Jahr in Paris bei seinem Marathon-Debüt, bei dem er sensationell die Olympia-Limite knackte. Drei Minuten abgezogen würden bedeuten: 2:04:44. Der Schweizer Marathon-Rekord vom kürzlich zurückgetretenen Tadesse Abraham (42) liegt bei 2:04:40. Geht Kyburz in Zukunft all-in, wirds spannend.