Manchmal tut ihr der linke Fuss sogar weh, wenn sie zum Supermarkt spaziert: Mujinga Kambundji (31) leidet schon seit Monaten. «Ich will nicht herumweinen», sagt sie. «Aber es ist im Moment nicht einfach.» Denn eine Sprinterin, die ihren Füssen nicht vertrauen kann, hat ein Problem. Die Bernerin laboriert seit Monaten an einer Entzündung in der Plantarfaszie. Das tut weh und sorgt dafür, dass sie weniger trainieren kann.
Erst zwei Wettkämpfe hat sie diesen Sommer bestritten, zuletzt am Donnerstag in Luzern, als sie über 100 m an den Start ging (11,24 Sekunden). Über 200 m und mit der Staffel wird sie in dieser Saison nicht mehr laufen, weil sie gemerkt hat, dass die Belastung in der Kurve die Probleme verstärkt.
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«Es ist nicht der schlimmste Schmerz auf der Welt», beschreibt sie ihre Entzündung. Er ist auch nicht immer gleich stark und auch nicht immer am gleichen Ort: in der Sehne stechend, an der Ferse eher dumpf, aber manchmal auch da spitz. Schmerzmittel? Nützen nur zum Teil. Bei Athletissima in Lausanne im Juni schmerzte der Fuss trotz Medikamenten, im Moment ist der Schmerz weniger präsent. «Aber er ist oft so stark, dass ich nicht voll abdrücken kann.» Das wäre aber wichtig, um schnell zu laufen.
Der Kampf mit den Schmerzen ist ein Balanceakt
Und so hat die schnellste Frau, die die Schweiz je gesehen hat, gerade einen Balanceakt vor sich. «Es gibt kein Rezept. Man darf den Fuss nicht komplett entlasten, darf ihn aber auch nicht komplett belasten. Ich weiss nicht, wie oft wir in den letzten Monaten einen Trainingsplan für die Woche gemacht haben und ihn dann doch nicht einhalten konnten. Es braucht für alles einen Plan B.»
Immerhin: Beim Meeting in Luzern war die Zeit in Ordnung dafür, dass sie erst zum zweiten Mal startete. Und in den Tagen davor und am Tag danach war sie praktisch beschwerdefrei. Ein gutes Zeichen? «Ich nehme im Moment Tag für Tag. Wenn ich keine Schmerzen habe, bedeutet es eben nicht, dass alles gut ist. Aber es ist immerhin nicht schlimmer geworden. Ich habe lernen müssen, nicht allzu weit in die Zukunft zu planen. Das habe ich für diese Saison aufgegeben.»
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Warum ein Fussbruch einfacher wäre
Es sind neue Gefühle für Kambundji, die in den letzten beiden Jahren im Hoch war und buchstäblich von Erfolg zu Erfolg eilte. So schnell wie die Bernerin war im Sprint noch nie eine Schweizerin. 2022 stellte sie über 60 m, 100 m und 200 m neue Schweizer Rekorde auf, gewann Gold (200 m) und Silber (100 m) an der Europameisterschaft in München, an der Outdoor-WM sprintete sie in den 100-m-Final, in der Halle wurde sie Weltmeisterin über 60 m und stellte die viertbeste Zeit der Geschichte auf, dieses Frühjahr holte sie Sprint-Gold an der Hallen-EM.
Da will sie wieder hin. Und dafür braucht sie Geduld. Zum Beispiel auf der Suche nach den Ursachen. Eine Entzündung in der Plantarfaszie kann eine Frage der Belastung sein, des Belags, der Schuhe, die Folge einer Fehlstellung des Fusses oder einer Fehlbelastung, die ihrerseits von einer Fehlstellung oder von technischen Fehlern herrühren kann. Herausfinden, woher das Problem kommt, ist schwierig. In der Zwischenzeit geht es darum, das Training richtig zu dosieren. Denn ein Szenario will sie auf jeden Fall vermeiden. «Du hast Schmerzen, weichst unbewusst aus und machst es noch schlimmer», beschreibt sie ihre grösste Sorge. «Es ist zum Teil fast einfacher, wenn du dir den Fuss brichst. Dann ist das Problem klar und der Fuss kann wieder zusammenwachsen.»
Ist ein Saisonabbruch ein Thema für Kambundji?
Die Hoffnung, dass es bald besser wird, bleibt jedoch. «Es gibt immer auf und abs, jetzt ist es halt gerade ein etwas längeres ab. Aber das wird nicht ewig so weitergehen. Manchmal gibt es im Leben eben schwierige Phasen, wo es nicht rund läuft und wo man dranbleiben und Lösungen suchen muss. Das kennen alle Menschen, warum soll ich eine Ausnahme sein?»
Schon unter Sportlern ist sie keine Ausnahme. Viele andere Athleten vor ihr haben mit dieser Verletzung zu kämpfen gehabt. Bei Kambundji traten die Probleme bereits letzten Sommer auf, da konnte sie die Schmerzen managen. «Man weiss einfach nicht, wie lange es dauert, das macht es schwierig. Bei manchen Athleten ging der Schmerz plötzlich weg, ohne dass sie genau wussten, weshalb.»
Das ist auch Kambundjis Wunschszenario. Bis dahin bereitet sie sich auf die WM im August in Budapest (Ungarn) vor. Ein Saisonabbruch steht nicht zur Diskussion, solange sie merkt, dass die Entzündung schwächer wird. Wenn nicht, könnte das Thema noch einmal auf den Tisch kommen. Denn ein Ziel steht über allem: Olympia 2024 in Paris. «Die Spiele habe ich natürlich im Hinterkopf. Dieses Jahr ist wichtig, nächstes Jahr noch wichtiger. Darum will ich im Oktober gesund in die Vorbereitung starten können.» Denn für ein schnelles Olympiajahr braucht Kambundji zwei Füsse, denen sie vertrauen kann.