Er hat schon vier EM-Medaillen in allen Farben. Aber Tadesse Abraham (41) ist skeptisch, ob an der EM in Rom (Halbmarathon am Sonntag, 9 Uhr live SRF2) in seiner letzten Saison vor dem Rücktritt eine weitere dazukommt. Der Grund? Olympia in Paris. Abraham zu Blick: «Nun, zu einer weiteren EM-Goldmedaille könnte ich nicht nein sagen. Es ist alles möglich. Aber klar ist: Wer an einem Grossanlass eine Medaille holen will, muss sein Programm danach ausrichten. Mein Programm dreht sich aber um Paris.»
Dennoch: Da es auch in der Teamwertung Medaillen gibt und neben Abraham auch Sensations-Olympionike Matthias Kyburz (34), Marathon-Landesmeister Patrick Wägeli (33) und auch Julien Wanders (28) dabei sind, könnte in Richtung Podest etwas drin liegen.
In St. Moritz kommen die Erinnerungen an jeder Ecke hoch
Doch ein mögliches Teammitglied der starken Rom-Equipe vermisst Abraham schmerzlich. Der völlig unerwartete Tod von Adrian Lehmann (†34) riss ein heftiges Loch in die kleine Schweizer Marathonszene. Lehmann verstarb im April einige Tage nach einem Herzinfarkt. «Es ist immer noch sehr schwer. Für mich ist es bis heute nicht richtig wahr, dass Ädu jetzt auf der anderen Seite ist. Wir alle müssen sterben, doch so wie bei ihm war es einfach brutal. Leider müssen wir es akzeptieren», sagt Abraham über den Berner, der ein enger Freund und Trainingspartner war.
Der Genfer schildert, dass er vor der EM in St. Moritz im Trainingslager war. Ein Ort, der durch unzählige gemeinsame Camps voller Erinnerungen an Lehmann stecke. «An jeder Ecke, bei jedem Schritt kommen Erinnerungen auf. Aber es ist auch schön, denn so ist Ädu in allen Trainings in meinen Gedanken, in meinem Herzen und in meinem Kopf immer bei mir.»
Abraham von Gedenkidee angetan
Für Abraham ist es nicht aussergewöhnlich, dass im Einzelsport Marathon eine enge Freundschaft entsteht. Man trainiere ja oft in der Gruppe. Doch über Lehmann sagt der Läufer-Oldie: «Bei ihm war speziell, dass wir oft, ohne überhaupt ein Wort zu sprechen, denselben Gedanken hatten. Wir haben uns ohne zu reden verstanden. Manchmal frage ich mich, ob das nur bei mir so war oder ob das einfach eine Gabe von Ädu war.»
Von Plänen, dass es für Lehmann einen Gedenklauf oder sonst eine sportliche Veranstaltung zu Ehren des viel zu früh verstorbenen Läufers geben könnte, weiss Abraham nichts. «Es wäre aber natürlich eine Ehre, bei so etwas dabei zu sein.»
Doch im Herzen von Abraham läuft Lehmann sowieso bei jedem seiner vielen Schritte mit. Auch am Sonntag-Vormittag im EM-Halbmarathon durch die Römer Strassen und das Olimpico-Stadiongelände.