Die Augen von Murat Yakin, sie glänzen schon im April. Der Nati-Coach steht in der Lobby des Hotels Kempinski in Doha – und ist irgendwie immer noch fasziniert, dass die Schweiz das grosse Brasilien als WM-Gegner zugelost bekommen hat. «Es war für mich ein Kindheitstraum, gegen Brasilien zu spielen. Nun habe ich es als Trainer mit ihnen zu tun. Ich freue mich riesig.»
Und dies, nachdem er noch einige Monate zuvor Trainer beim FC Schaffhausen in der Challenge League gewesen ist.
Nun, ein paar Monate später, führt Yakin die Schweizer Nati in Katar an. Auf der grösstmöglichen Bühne, an einer WM. Nicht auf der Tribüne, aber im Herzen immer mit dabei ist Mama Emine (89), die in den Gruppenspielen sicher noch nicht anreisen wird.
Familie begeistert von Brasilien
Yakin verrät: «Meine Mama ist Brasilien-Fan. Vor allem von Pelé. Das hat mich von Anfang an geprägt.» Und zwar so sehr, dass einer in der Familie sogar so genannt wird.
«Meinen ältesten Bruder Bülent, er wird nächstes Jahr 70, nannten sie früher den weissen Pelé. Er spielte von der Art her so, hiess es», so Yakin. «Als ich einmal in der Schule einen Vortrag machen musste, machte ich ihn deswegen über den brasilianischen Superstar.» Yakin ist der zweitjüngste Sohn von Emine (Hakan ist der jüngste). Die beiden Brüder haben sechs Halbgeschwister.
In Münchenstein wächst die Familie auf, Murat bringt oft das Essen für die neun Personen. Und die Familie versucht, sich immer rund um Emines Geburtstag Mitte Dezember in Muttenz BL, wo sie heute wohnt, zu treffen. «Ein einziges Mal haben wir’s geschafft, dass alle kamen.» Wie viele sind das? «Ich muss sie immer wieder zählen, ich glaube 52», sagt Yakin, der mit Anja Eltern von zwei Mädchen ist.
Brasilien ist dabei immer ein Thema bei den Yakins. Murat (Jahrgang 1974) sagt, er habe Pelé (spielte bis 1977) selber nicht mehr bewusst als Spieler erlebt. Er sei vor allem von Stürmer-Legende Ronaldo fasziniert gewesen. «Meine erste bewusste WM war 1982 mit den Panini-Bildern, mit Paolo Rossi und Marco Tardelli dann im Final, wo sie Westdeutschland schlugen.» Von der WM 1978 habe er einige Highlights im Kopf, aber wenig Konkretes.
Wie sieht sein Plan gegen Brasilien aus?
Wenige Stunden nach dem Startsieg gegen Kamerun gilt Yakins Fokus bereits Brasilien. Im Final-Stadion von Lusail, das Yakin von seinem Hotelzimmer aus sieht, spielt der Rekord-Weltmeister gegen Serbien – und tanzt in der zweiten Halbzeit Samba. Yakin und sein Staff sind im Stadion und werden Zeugen des starken Auftritts. Vor allem das 2:0 von Richarlison ist eine Augenweide.
Yakin strahlt, als er am nächsten Tag beim kurzen Small Talk vom Spiel erzählt. Auch ihn haben die Brasilianer beeindruckt. Vor allem die Offensive der Seleção ist brillant, weswegen für ihn der Ausfall von Superstar Neymar keinen grossen Unterschied macht. Doch der Nati-Coach hat auch kleine Schwachstellen entdeckt. Schnelles und präzises Umschaltspiel ist der Schlüssel zum Erfolg.
Für Yakin ist die Aufgabe gegen den Titelfavoriten wie auf den Leib geschnitten. Es sind die Aufgaben, die der Taktik-Fuchs Yakin liebt. Mit dem FC Basel besiegt er zweimal Chelsea und schaltet in der Europa League Tottenham aus. Als Nati-Trainer schafft er gegen den Europameister Italien zwei Remis und besiegt in der Nations League Portugal und Spanien.
Danach der Showdown gegen Serbien
Nach dem Spiel gegen Brasilien folgt der Showdown am Freitag gegen Serbien. Nicht einfach nach der Vorgeschichte von der WM 2018 mit der Doppeladler-Geschichte. Yakin wird nicht den Fehler seines Vorgängers Vladimir Petkovic machen, das Ganze nicht zu thematisieren in der Öffentlichkeit: «Wir haben Erfahrungen gemacht und die Lehren gezogen.»
Yakin weiter: «Die Region und Nation hat ihre Geschichte, das muss man respektieren und auch filtern können. Solche Geschichten wie 2018 kann nur der Sport schreiben. Dass ausgerechnet Granit und Shaq die Tore schiessen, war besonders. Entscheidend ist diesmal, es geht allein um Sport und nicht um Politik. Und wir wünschen uns, dass dies alle Beteiligten so sehen. Wir werden es sicher individuell anschauen. Generell kann man aber sagen, dass wir uns vorbereitet haben.»