Es ist drückend heiss in Doha am Sonntagmorgen, gegen 30 Grad, windstill. Blick trifft Amina Seferovic (30) vor dem Hotel Hilton, wo die Angehörigen der Schweizer Nati-Stars untergebracht sind. Tochter Inaya (3) und Sohn Zayn (1) bleiben mit der Babysitterin, die aus Istanbul mitgekommen ist, im Hotel.
Amina Seferovic, eine Frau mit Bachelor-Abschluss in BWL, lernte Haris in Frankfurt kennen, als er bei der Eintracht spielte und die Deutsche für Nike arbeitete. Die Familien kannten sich schon vorher: Ihre Wurzeln liegen im gleichen bosnischen Dorf. Bis im Sommer 2022 lebte sie mit ihrem Mann Haris fünf Jahre lang in Lissabon, dort spielte der Nati-Stürmer bei Benfica.
Die perfekte Ansprechpartnerin also vor dem Spiel gegen Portugal.
Amina Seferovic, die Nati trifft am Dienstag auf Portugal. Was bekamen Sie für Feedback, als klar war, dass es zum Duell kommt?
Amina Seferovic: Erst mal kamen viele Gratulationen, auch von unseren Bekannten und Freunden aus Portugal. Jeder freut sich auf die Begegnung. Viele denken natürlich, dass die Nati der Aussenseiter in der Partie ist. Sie unterschätzen die Schweiz, ganz klar.
Wie leben die Portugiesen Fussball?
Sie lieben ihn! Sie sind sehr fanatisch und euphorisch, wenn es um Fussball geht.
Wie erleben Sie die Portugiesen als Menschen, vom Lifestyle her?
Sie leben ein sehr lockeres und entspanntes Leben. Sie sind immer gut gelaunt, nehmen nicht alles allzu ernst, sind dadurch auch generell weniger gestresst und haben mehr Spass am Leben.
Was unterscheidet die Kultur zu derjenigen in der Schweiz oder in Deutschland?
Die Portugiesen sind sehr viel offener und persönlicher. Zur Begrüssung gibts es meist nicht nur einen Handschlag, sondern Wangenküsse und eine Umarmung. Sie sind weniger distanziert im Umgang mit Menschen, unabhängig davon, ob sie diese persönlich kennen oder zum ersten Mal treffen. Der Schweizer oder Deutsche ist pünktlicher. Das mit der Zeit nehmen die Portugiesen nicht wirklich ernst. Es kann schon mal vorkommen, dass ein Termin eine bis zwei Stunden verspätet beginnt – oder es eventuell gar nicht zu dem Termin kommt. Ausserdem wird in Portugal auch sehr viel später zu Abend gegessen. Im Schnitt so gegen 21 Uhr.
Wie muss man sich in Portugal diesen Hype um Cristiano Ronaldo vorstellen?
Ronaldo ist einer der erfolgreichsten Fussballer aller Zeiten. Dass er Portugiese ist, macht die Portugiesen sehr stolz. Er ist das Herzstück des Landes, würde ich sagen, wenn es um Erfolge und Sport geht. Er ist der nationale Held und alle verehren ihn. Wenn die Portugiesen über Fussball sprechen, kann man sich fast sicher sein, dass der Name Ronaldo fällt.
Ihr wollt später mal in Portugal leben, habt ihr mal gesagt.
So ganz sicher ist das noch nicht. Allerdings werden wir Portugal sicher in Erwägung ziehen. Wir haben viel Zeit da verbracht, haben einen besonderen Bezug zum Land. Das Klima ist optimal, mit dem Atlantik liegt das Land direkt am Wasser, die Menschen sind entspannt. Alles in allem ist die Lebensqualität sehr hoch.
Habt Ihr einen Bezug zum einen oder anderen Spieler im portugiesischen WM-Kader?
Haris hat mit vielen Spielern lange zusammengespielt. Unter anderem Ruben Dias, João Felix, Ramos, João Mario. Und er hat viele als Gegner gehabt in der portugiesischen Liga. Er kennt die Spieler und ihren Spielstil also sehr gut. Und beim 1:0 zuletzt in Genf traf er ja gegen sie – hoffentlich ist das ein gutes Omen.
Über Katar wurde viel geschrieben, gerade über Menschenrechte. Wie empfinden Sie das Turnier in Doha als Konsument?
Ich bin sehr begeistert und positiv überrascht.
Das dürfen Sie in der Schweiz und Deutschland fast nicht sagen ...
Ich rede als Konsument. Mir gefällt es sehr, dass diese WM gesammelt an einem Ort stattfindet. Die letzten Jahre waren die Distanzen zu den Spielen immer weit, man musste teilweise mit dem Flugzeug anreisen, da kam die Stimmung nie so wirklich auf. Hier ist das anders. Man kann quasi jeden Tag ein anderes Spiel live besuchen. Alle Menschen so vieler Nationen sind an einem Ort. Die Stimmung ist super, alle verstehen sich miteinander. Das Turnier ist sehr gut organisiert, dafür, dass das Land quasi keine Erfahrung mit grösseren Sportveranstaltungen hat. Und die Menschen sind sehr freundlich. Es sind auch viele Menschen aus den muslimischen Nachbarländern vor Ort, sehr viele aus Saudi-Arabien, auch sie sind alle sehr freundlich und hilfsbereit. Alle sind sehr euphorisch und in guter Laune.
Sie waren auch an der WM in Russland 2018 vor Ort.
Wenn ich diese beiden Weltmeisterschaften vergleiche, würde ich diese hier als sehr viel herzlicher, höflicher, hilfsbereiter und freundlicher bewerten. Im Vergleich zu allen Turnieren, bei denen ich bisher sein durfte, ist dieses hier bisher mein persönlicher Favorit.
Wie geht Haris mit der Situation um, dass er nur Ergänzungsspieler ist?
Für ihn steht das Team an erster Stelle. Das ist bereits seine dritte WM. Es ist keine Selbstverständlichkeit, überhaupt bei einer WM dabei sein zu dürfen. Darauf kann er stolz sein. Er weiss auch, wie wichtig er in der Vergangenheit für die Nati war und weiterhin ist. Ich unterstütze ihn vor Ort, bin hier mit den Kindern. Das gibt ihm sicher Kraft.