Übrigens - die SonntagsBlick-Kolumne
Erinnerungen an ein Reporterleben (Teil 1)

Die spannendsten Begegnungen aus 35 Jahren Sportjournalismus. Heute mit Sepp Piontek unterwegs in Grönland. Die SonntagsBlick-Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 13.03.2022 um 20:19 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2022 um 20:59 Uhr
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Foto: Thomas Meier
Felix Bingesser

Sepp Piontek, der die dänische Nationalmannschaft einst zu ungeahnten Höhenflügen geführt hat, ist eine Figur im europäischen Fussball. Der gebürtige Deutsche befindet sich in Dänemark in Frühpension, als ein exotisches Angebot kommt. Ein wenig Spesen, eine Jagdlizenz und Fischlieferungen à discrétion wird als Honorar ausgehandelt. Er wird Trainer der grönländischen Nationalmannschaft.

Im Frühherbst 2000 nimmt Piontek das Telefon ab. «Sie wollen eine Geschichte über mich machen? Dann kommen Sie mit mir nächste Woche nach Grönland.» – «Wie komme ich dahin?», frage ich. «Sie fliegen nach Kopenhagen, dann nach Kangerlussuaq und dann mit einem Kleinflugzeug nach Ilulissat. Dort treffen wir uns an der Hotelbar. Und danach geht es mit dem Schiff weiter.» – «In welchem Hotel, Herr Piontek?» – «Es gibt nur eines.»

Die Landesmeisterschaft wird in dieser Woche in Turnierform gespielt, weil die Anreise der Mannschaften mit dem Schiff Tage in Anspruch nimmt. Piontek wartet an der Hotelbar. Und gemeinsam spazieren wir am nächsten Tag zum Hafen von Ilulissat. Piontek mit dem abgewetzten alten Lederkoffer, der die ganze Welt gesehen hat. Ein Boot soll ihn und den Chronisten aus der Schweiz abholen und nach Qasigiannguit bringen. Dort wird die grönländische Meisterschaft gespielt. An einem einzigen Wochenende. In Turnierform.

Es ist ein garstiger Tag, als plötzlich zwei Männer mit einem kleinen Motorboot aufkreuzen. Piontek wird bleich und bleicher. «Mit dieser Nussschale fahre ich nicht durch die Eisberge», flucht er. Er nimmt sein Telefon, ruft den Verbandspräsidenten an und hat folgende Botschaft: «Wenn Sie mir innerhalb einer Stunde kein vernünftiges Boot für die Weiterreise organisieren können, dann trete ich als Nationaltrainer zurück. Sofort.»

Es kommt ein Kabinenboot, das sich in der Folge den Weg durch die Eisberge bahnt.

Es sind wunderbare Tage mit diesem charismatischen Mann und seinem träfen Humor. Warum tut er sich das überhaupt noch an? «Es ist die Natur. Grönland ist unendlich schön. Das ist für mich ein grosses Abenteuer. Wo gibt es so etwas sonst noch? Höchstens im Dschungel», sagt er. Grosse Fortschritte kann er mit den Grönländern nicht machen. «Die haben viel zu krumme Beine», sagt er an einem der langen Abende, die wir zusammen verbringen. Ab und zu nimmt er auch seine Tabak-Pfeife aus dem Hosensack. «Ich rauche seit einem Herzinfarkt nicht mehr. Aber es beruhigt mich, sie in den Händen zu halten.»

Was ihn denn nach so einer langen Karriere noch reizen könnte, frage ich. «Ein Angebot vom Sultan von Brunei», sagt Piontek. Und lacht. Das Angebot ist nicht gekommen. Piontek ist mittlerweile 81 Jahre alt und verbringt seinen Lebensabend auf einer dänischen Insel. Immer mit Fischlieferungen aus Grönland.

Lebenslang. So, wie es im Vertrag mit dem grönländischen Fussballverband steht.

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