Es dämmert in Rickenbach im Baselland, am Ende des Gesprächs wird es dunkle Nacht sein. Karli Odermatt (78) sitzt am Tisch seines Wohnzimmers, neben sich ein prickelndes Mineralwasser, vor sich verschiedene Dokumente ausgebreitet. Odermatt hat auch einen Stapel Briefe vor sich: «Letzte Woche kamen an einem Tag 40.» Mit Drohungen wie: «Du wirst das nächste Jahr nicht mehr erleben, wenn Du nicht Degen deine Stimme gibst!» oder «Tauch nie mehr in der Stadt auf, wenn Du Degen nicht wählst, die Reaktion der Basis wird folgen!»
Auch deshalb sagt Odermatt: «Ich habe die Nase voll von David Degen. Nach den aktuellen Ereignissen, der superprovisorischen Verfügung und der monatelangen Verbreitung und Darstellung von Unwahrheiten will ich an die Öffentlichkeit. Ich möchte transparent darüber informieren, warum ich alles unternehme, um den FC Basel vor Schaden zu bewahren.»
Odermatt, die Klub-Legende, ist Verwaltungsrat der FCB Holding. Er und Peter von Büren hätten den Verkauf von Bernhard Burgener (63) an David Degen (38) absegnen müssen – doch dann blockierte eine superprovisorische Verfügung die Entscheidung.
Für ihn ist klar: «Ich nehme mein Amt, die Sorgfaltspflicht und die Verantwortung als Mitglied des Verwaltungsrates sehr ernst. Und dazu gehört auch die Unabhängigkeit meiner Stimme. Ich unterstütze und tue alles dafür, dass es dem FC Basel gut geht und er erfolgreich diese schwierigen Zeiten und Herausforderungen übersteht. Es ist auch wichtig, dass der FC Basel auch sportlich wieder auf die Erfolgsspur zurückfindet.»
Dass er ein enger Freund von Bernhard Burgener sei, habe damit nichts zu tun. «Jeder weiss, dass wir uns nahe sind. Aber hier geht es mir um die Fakten, die ich nun endlich auf den Tisch legen will.»
Odermatt führt sechs Punkte an, die er hier darlegt.
Thema 1: Centricus
Juni 2020. Basel-Boss Bernhard Burgener findet mit Centricus einen Partner, der bereit ist, 40 Prozent der Anteile von ihm zu übernehmen. «Burgener schlug David Degen vor, die verbleibenden 60 Prozent zu gleichen Teilen zu teilen», sagt Odermatt. «So wäre die Kontrolle weiterhin in Basler Händen geblieben – bei den beiden.» Degen lehnt dies ab und macht ein Gegenangebot. Aus Sicht von Odermatt war dieses «derart anmassend, dass Bernhard es ablehnte». Odermatt behauptet weiter: «Gleichzeitig wurden die an Degen ausgehändigten Dokumente und Informationen über Centricus der Presse zugespielt und die Fans gegen Centricus aufgebracht, sodass Chaoten die Fassade der Geschäftsstelle des FC Basel mit respektlosen Aussagen verunstalteten.» Und weiter: «Was David Degen verschwieg, war, dass er selbst gemäss einem E-Mail vom 13. Juli 2020 den Vermittler von Centricus davon zu überzeugen versuchte, dass Centricus mit ihm, David Degen, den Deal machen sollte und nicht mit Burgener.»
Das Mail stammt von Ex-Fifa-Kommunikationsdirektor Walter De Gregorio. Er ist Vermittler von Centricus und Berater von Bernhard Burgener. SonntagsBlick hat Degen und seinen Berater Dani Büchi mit Odermatts Aussagen konfrontiert. Teilweise verweisen sie in den folgenden Antworten auf das Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Auf diesen Vorwurf antwortet Degen im Tamedia-Interview wie folgt: «Das gehört zur Stimmungsmache und stimmt einfach nicht. Bernhard Burgener wollte, dass ich mir im Frühling 2020 Centricus anhöre. Da habe ich gesagt, dass das für den FCB und damit auch für mich so nicht stimmt. Jedenfalls nicht mit Stimmrecht und nicht ohne diverse Abklärungen. Geschehen ist aber nichts. Ausser, dass mich De Gregorio später im Sommer mehrmals von der Lösung zu überzeugen versuchte, wonach Bernhard 32 Prozent der Holding-Aktien halten würde, während je 30 Prozent mir und Centricus zukämen. Ich lehnte ab. Und zuletzt, da hat mich De Gregorio am vergangenen Samstag nochmals angerufen. Ich habe ihm gesagt, dass ich kein Interesse habe, aber mich gerne mit Bernhard an einen Tisch setze und wir eine Lösung suchen müssen.» De Gregorio hält fest, dass Degen-Berater Büchi den ersten Kontakt zu ihm gesucht habe – nicht umgekehrt. Dies kann De Gregorio aufgrund von Whatsapp-Nachrichten auch beweisen.
Thema 2: TP Trinkler & Partners, Zürich
Odermatt legt ein Papier auf den Tisch. Am 29. September 2020 erhält Basel-Besitzer Bernhard Burgener einen eingeschriebenen Brief, unterschrieben von drei Personen:
Thomas Trinkler, Patrick Held und Ex-Fifa-Mann Guido Tognoni. Sie schreiben: Man stehe mit Basler Grössen in Kontakt, die den Klub gerne kaufen würden und Burgener «eine würdige, konfliktfreie Ablösung» garantieren würden.
Den drei Herren war vorgängig schon mitgeteilt worden, dass Burgener nicht verkaufen wolle. Auf diesen Fakt gehen die Absender des Briefes so ein: «Aus neutraler Sicht glauben wir einwenden zu dürfen, dass eine derart kategorische Haltung nicht nur die Lösung der bestehenden Probleme sehr erschweren würde, sondern dass dadurch auch Ihre persönliche Reputation zu leiden hätte. Zudem würde eine unfreundliche Übernahme des FC Basel mit all den unvermeidlichen Nebengeräuschen aus unserer Optik weder dem Klub noch
Ihnen als international tätiger Unternehmer dienen.»
Odermatt: «Das waren Sätze, die Bernhard Burgener als Drohung verstand», so Odermatt. Man erwarte eine Stellungnahme bis zum 7. Oktober 2020, heisst es im Papier. Und: «Eine Preisangabe wäre hilfreich.»
Odermatt erzählt: «Mit diesen Menschen versuchte David Degen, den Klub hintenherum zu kaufen, was er zu Beginn abstritt. Und er sagte, er habe damit nichts zu tun. Er habe mit den Herren nur einmal gesprochen. Wir konnten es aber beweisen, und Degen wurde dafür in seiner Rolle als Verwaltungsrat abgemahnt.»
David Degen sagt, dass er Thomas Trinkler, Patrick Held und Guido Tognoni kenne. Die Frage, wer hinter seinem Team stehe, beantwortet Degen im Interview mit Tamedia aber nicht: «Sie müssen verstehen, dass ich dazu in der aktuellen Situation nichts sagen kann.» Weil es sich um ein juristisches Verfahren handle.
Thema 3: Eric Sarasin
700 bis 800 Millionen Franken Vermögen soll die Bankiersfamilie Sarasin besitzen. Und Eric Sarasin war auch ein Thema als potenzieller Käufer, als Bernhard Heusler den Klub 2017 an Bernhard Burgener verkaufte.
Odermatt sagt nun: «Auch mit Eric Sarasin führte David Degen Gespräche über den Kauf der FCB-Anteile. Und in diesem Zusammenhang verletzte er die Vertraulichkeits- und Sorgfaltspflichten massiv.»
Odermatt kramt in seinen Unterlagen und holt E-Mails hervor. «Degen hat in seiner Rolle als Verwaltungsrat darum gebeten, die vertraulichen Halbjahreszahlen zu bekommen, um sie analysieren zu können. Was wir nicht wussten, ist, dass er sie an Sarasin weitergeleitet hat.»
Odermatt zeigt ein E-Mail von Sarasin, der Empfänger ist geschwärzt, weil er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Darin schreibt Sarasin: «Ich weiss nicht, wie es weitergeht, aber ich sende Euch unten meine Einschätzung der Halbjahreszahlen, welche ich David Degen geschickt habe. Hatte ihm sogar ein Mail an Burgener vorgeschrieben, aber ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.»
Odermatt legt weitere E-Mails vor: Es geht um Korrespondenz zwischen Sarasin und Degen. Der Banker schreibt: «Habe mir die Mühe genommen, diese lächerliche Bilanz / Gewinn- und Verlustrechnung des FCB’s auseinander zu nehmen» und «Ich habe ein Schreiben vorbereitet, dass Du zuhanden des VR’s und der Revisionsstelle einreichen solltest. Als VR hast Du, David, das Recht dazu!»
Odermatt: «Diese Mails machen zwei Dinge offensichtlich. Erstens hat David Degen vertrauliche Zahlen an Eric Sarasin weitergegeben. Zweitens hat er den Textvorschlag von Eric Sarasin dann 1:1 weitergeleitet, was wir beweisen können.»
Womit Degen wohl nicht rechnet: Sarasin und Burgener reden ebenfalls ausführlich miteinander, am 30. Oktober. Burgener sagt Sarasin klar, dass er nicht verkaufen wolle. Danach schreibt Sarasin an Burgener: «Ich habe David Degen, Thomas Trinkler, Guido Tognoni und heute Nachmittag die Anglosachsen (wohl eine englische Investorengruppe, die Redaktion) informiert, dass ich mich nach dem Gespräch mit Dir, offiziell zurückziehe, d.h. nicht mehr als ‹Spielball› für deren Spielchen zur Verfügung stehen werde.» Odermatt: «Erst versuchen drei Männer den Klub von Burgener zu übernehmen respektive an Investoren zu vermitteln, und dann merken wir, dass Degen und Sarasin auch noch mit im Boot sind. Das ist doch ein Wahnsinn.»
Auf die Frage, ob Sarasin in Degens Team eine Rolle spiele, antwortet Degen: «Ich kann jetzt nicht über ein späteres Team sprechen, wirklich. Dies ist auch noch nicht fix. Ich muss meine Leute schützen. Ich bin der Winkelried, ich kriege alles ab, was auf mich einprasselt. Es wird gerade mit so viel Dreck geworfen. Aber das ist okay, ich halte das aus. Ich habe es ja auch so erwartet.»
Dass er sich mit Sarasin über den FCB ausgetauscht habe, bestätigt Degens Berater Büchi. Und auf die Frage, ob Degen Sarasin nicht öffentliche Finanzdaten zur Analyse weitergegeben habe, antwortet Büchi: «Die Finanzzahlen des FC Basel für das Geschäftsjahr 2020 hat David Degen erst vor acht Tagen im Livestream in der Medienkonferenz von Bernhard Burgener gesehen. David Degen ist zwar Verwaltungsrat, kannte die aktuellen Finanzzahlen vorher aber gar nicht.»
Die Frage, ob Sarasin Degen ein Mail vorgeschrieben habe, das dieser praktisch 1:1 an den VR geschickt habe, beantwortet Degens Berater Büchi wie folgt: «David Degen hat sich mit Eric Sarasin über den FC Basel ausgetauscht.»
Sarasin wollte sich auf SonntagsBlick-Anfrage nicht äussern.
Thema 4: Herkunft finanzieller Mittel
Viele in Basel fragen sich, wie David Degen zu den 16,4 Millionen Franken kommt, um den FCB zu kaufen. Odermatt: «Warum führte er so viele Investorengespräche, wenn er angeblich persönlich über die Mittel verfügt? Die Finanzierungszusage bestätigt, dass 16,4 Mio. Franken sich auf seinem Bankkonto befinden. Aber die Herkunft des Geldes gibt Degen — trotz erneuter Anfrage von uns als Verwaltungsrat – nicht preis. Durch sein Verhalten schafft er nicht die notwendige Transparenz und das Vertrauen. Und damit ist alles möglich. Das Geld kann von überall herkommen.»
Degen selbst sagt im Interview mit Tamedia, dass die ganze Summe aus seinem eigenen Sack stamme. «Es ist mein Geld. Klar ist aber auch, dass die Summe in keinem gesunden Verhältnis zu meinen finanziellen Möglichkeiten steht. Ich bin offen, nach der Übernahme der Aktienmehrheit einen Teil meiner Aktien an Basler zu verkaufen. Je breiter der Club abgestützt ist, umso besser. Ich kann mir auch vorstellen, die Fans zu beteiligen. Das aber sind alles Themen, um die wir uns im Moment leider noch nicht kümmern können.»
Thema 5: GC
Die «Aargauer Zeitung» enthüllte, dass David Degen mit seinem Bruder bei GC einsteigen wollte. Erst streitet er dies auf Instagram ab («So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört»), dann legt die Ex-GC-Führung ein E-Mail auf den Tisch.
Für Karli Odermatt ist diese Episode ein perfektes Symbol. «Er hat in diesem Thema nicht die Wahrheit gesagt und in ganz vielen anderen Dingen ebenfalls nicht. Und solche Vorkommnisse nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Die stimmen mich nachdenklich.»
Auf die Frage, warum er in der GC-Geschichte nicht die Wahrheit gesagt habe, antwortet Degen: «Meine Kommunikation war nicht gut. Das kam falsch rüber, ich habe es falsch oder vielmehr viel zu unpräzise gesagt. Wir haben damals verschiedenen Clubs ein Businessmodell vorgeschlagen, wie man mit einem Transferunternehmen die Qualität der Spieler im Club erhöhen und gleichzeitig mit Transfers Geld verdienen kann. Mir wurde eine Falle gestellt, und ich bin reingerasselt.»
Thema 6: Yystoo-Bewegung
Vor einem halben Jahr wurde die «Yystoo»-Bewegung gegründet, die einen Neuanfang und die Absetzung von Bernhard Burgener forderte. Odermatt sagt: «Wir mussten immer wieder feststellen, dass ‹Yystoo› auf ihrer Webseite es zuliess, dass Vertreter und Angestellte bis hin zu Regierungsräten, Donald Trump und Donald Duck als Unterstützer eingetragen wurden. Ich bin heute noch erschüttert über die unseriöse Funktionsweise ihres Anmeldeformulars. Entsetzlich finde ich auch die von ‹Yystoo› massiv unterstützte Demo mit dem Verbrennen der Puppe von Bernhard Burgener und die aktuellen Drohungen gegen meine Person. Mir fehlen einfach nur die Worte.»
Und: «Ich kann nur hoffen, dass alle anerkennen, was diese Bewegung angerichtet hat. Sie hetzen die Bevölkerung auf, lassen eine öffentlich symbolische Hinrichtung zu und schauen weg. Kein Wort der Entschuldigung. Was mich aber masslos enttäuscht hat, war die inszenierte Falschmeldung unmittelbar nach der Verwaltungsratssitzung vom letzten Montag durch David Degen und seinen Berater Dani Büchi. Dies zeigte einmal mehr die Täuschungsmanöver gegenüber der Öffentlichkeit durch das Degen-Lager. Und vor allem möchte ich festhalten, dass es David Degen war, der mit der superprovisorischen Verfügung den Rechtsstreit losgetreten hat.»
Sein Schlusswort: «Ich hoffe aber trotzdem, dass diese Auseinandersetzung so schnell wie nur möglich im Interesse aller Beteiligten beendigt werden kann.»
Degen versucht sein Vorkaufsrecht nun rechtlich zu erwirken. Es werden spannende Wochen am Rheinknie folgen.
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Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 14 | 7 | 26 | |
2 | FC Basel | 14 | 20 | 25 | |
3 | FC Lugano | 14 | 6 | 25 | |
4 | Servette FC | 14 | 2 | 25 | |
5 | FC Luzern | 14 | 4 | 22 | |
6 | FC St. Gallen | 14 | 6 | 20 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 14 | 2 | 20 | |
8 | FC Sion | 14 | 0 | 17 | |
9 | BSC Young Boys | 14 | -5 | 16 | |
10 | Yverdon Sport FC | 14 | -10 | 15 | |
11 | FC Winterthur | 14 | -21 | 11 | |
12 | Grasshopper Club Zürich | 14 | -11 | 9 |