Bei einer einberufenen Versammlung am Freitagmittag wollte der spanische Fussballverband bekannt geben: Luis Rubiales tritt als Präsident zurück. Das dachten alle. Tatsächlich entschuldigt sich der 46-Jährige in einer langen, emotionalen Rede beim Volk, den Spielerinnen, der königlichen Familie, bei allen. Gleichzeitig stellt er aber vehement und dreifach klar: «Ich trete nicht zurück!» Viele der Anwesenden applaudieren.
Rubiales pocht darauf, dass seine Kuss-Aktion beim WM-Final «spontan, gegenseitig und einvernehmlich» war. In der Szene soll er keinerlei sexuelle Absichten oder dergleichen gehabt haben. Stattdessen wirft er der Presse und Politikern Verunglimpfung vor: «Diese Leute versuchen, mich öffentlich hinzurichten. Ich werde gegen diese Leute vorgehen.»
Darüber hinaus spricht der Uefa-Vizepräsident von «feigem, falschem Feminismus» der Öffentlichkeit, den man vom richtigen unterscheiden müsse. Er sagt: «Meine Töchter mussten heute eine wichtige Lektion lernen: Gleichberechtigung bedeutet, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.»
Man werde ihn auch weiterhin fertigmachen wollen, es sei Teil der Kampagne. «Falsche Feministen» hätten seinen Kuss als «sexuelle Gewalt, ohne Zustimmung und Körperverletzung bezeichnet» und seien darauf aus, Personen zu zerstören. Da stelle er sich die Frage: «Um Himmels willen, was müssen Frauen denken, die tatsächlich sexuell angegriffen wurden?»
Kuss und obszöne Geste
Der Kuss an der WM ist ein weiterer Skandal in Rubiales' rund fünfjährigen Amtszeit. Im Mai 2018 wurde er zum Präsidenten des spanischen Fussballverbandes gewählt. Schon im ersten Monat seiner Amtszeit sorgte er für Schlagzeilen – wenn auch nicht ganz freiwillig.
Nach wenigen Tagen verlängerte er den Vertrag mit Julen Lopetegui (56), nur um ihn rund drei Wochen später als Trainer des Männer-Nationalteams zu entlassen.
Diese Episode ist letztlich eine Randnotiz. Denn Rubiales sorgte in der Folge mit richtigen Skandalen für Schlagzeilen. Zuletzt rund um den ersten WM-Titel der Spanierinnen. Während der Siegerehrung packte er das Gesicht von Jennifer Hermoso (33) und küsste die Stürmerin auf den Mund. Später soll er sie in der Garderobe ungefragt umarmt haben. Zuvor hatte er sich auf der Tribüne vor laufender Kamera in den Schritt gefasst – im Beisein von Fifa-Boss Gianni Infantino (53), der spanischen Königin Letizia (50) und ihrer Tochter Sofia (16).
Der Aufschrei war gross. In den sozialen Medien wurde Rubiales kritisiert, auch Hermoso wehrte sich, die Fifa kündigte ein Disziplinarverfahren an. Letztlich ist das Ganze der Tropfen, der das Fass scheinbar zum Überlaufen bringen und Rubiales seinen Posten kosten sollte. Spanische Medien berichteten am Donnerstag davon, dass er am Freitag zurücktreten werden. Alles heisse Luft.
Saudi-Deal und Sex-Party
Als Fussballer hat Rubiales nie grosse Stricke zerrissen, spielte unter anderem in der zweiten Mannschaft von Mallorca und bei Levante. Erst nach seiner Karriere sorgte er immer wieder für Aufsehen. Etwa damit, dass der spanische Supercup seit 2019 in Saudi-Arabien stattfindet. Vergangenes Jahr kam heraus, dass dahinter ein Deal mit Ex-Nationalspieler Gerard Piqué (36) steckt. Dieser soll gar der Strippenzieher dahinter gewesen sein und mit seiner Agentur Kosmos Millionen unter der Hand absahnen.
Weitere Skandale gab es 2020. Sein Onkel Juan Rubiales behauptete, er habe in seiner Villa eine Sex-Party gefeiert, die als «Arbeitsveranstaltung» verbucht und mit Geldern des Verbandes bezahlt wurde. Pikant: Kurz zuvor hatte Rubiales den Onkel als Stabschef entlassen. Der Verband stand hinter ihm und bedauerte die Aussagen.
Im gleichen Jahr soll Rubiales Sergio Ramos (37) versprochen haben, alles Mögliche zu tun, damit dieser den Ballon d'Or gewinnt. Die Wahl wurde coronabedingt abgesagt. Und 2021 musste er zweimal vor Gericht erscheinen, weil die Architektin, die sich um die Renovierung seines Anwesens kümmerte, ihm Körperverletzung und Belästigung vorwarf. Das Gericht entschied jeweils zugunsten von Rubiales.
Mit dem Kuss-Eklat ist seine Skandalakte nun um ein Kapitel reicher. (bir/che)