Gladbach-Trainer Gerry Seoane über Omlin, Elvedi und Kramer
«Ich bin dankbar, dass der Klub an mir festgehalten hat»

Gerry Seoane geht in seine zweite Bundesliga-Saison mit Borussia Mönchengladbach. Im grossen Interview verrät er, warum Jonas Omlin Captain bleibt, ob Nico Elvedi immer noch auf dem Sprung ist, und wer seine Meisterkandidaten sind.
Publiziert: 22.08.2024 um 15:37 Uhr
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Aktualisiert: 22.08.2024 um 15:39 Uhr
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Gerry Seoane ist einer, der im Training immer anpackt, wenns sein muss ...
Foto: Borussia Moenchengladbach via Getty Images
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Alain KunzReporter Fussball

Blick: In Leverkusen hatten Sie eine traumhafte erste und eine albtraumhafte zweite Saison, die für Sie vorzeitig endete. Bei Gladbach war die erste schwach. Wird nun die zweite umso besser?
Gerry Seoane: (lacht) Ich hätte nichts dagegen. Im Fussball kann man solche Dinge nicht miteinander vergleichen. Das sind andere Klubs, andere Ausgangslagen.

War die letzte Saison, in der Gladbach knapp dem Abstieg entronnen ist, eine Art Übergangssaison?
Nein, das war der erste Schritt in Richtung Neugestaltung einer Mannschaft. Zuvor war Gladbach sehr erfolgreich dank vieler verdienter Spieler, die den Klub in den letzten zwei Jahren verlassen haben wie Sommer, Kramer, Stindl, Hofmann, Thuram, Bensebaini, Jantschke, Herrmann. Diese Spieler haben eine Ära geprägt. Wir haben letzte Saison damit begonnen, diese Positionen neu zu besetzen. Das braucht Zeit.

Dass es am Ende so eng werden könnte, hatte niemand einkalkuliert?
Wir haben gewusst, dass sich gewisse Schwierigkeiten entwickeln können nach diesem Umbruch. Dass es so eng wurde, zeigt auf, wie kompetitiv diese Liga ist. Wir haben viel zu viele Punkte nach Führung liegenlassen. Die fehlten uns dann irgendwann immer mehr.

Ich behaupte mal, Sie wären heute nicht mehr bei allen Bundesligisten da, wo Sie in Gladbach sind: im Amt.
Das ist gut möglich, und klar bin ich dankbar, dass der Klub an uns festgehalten hat. Das spricht für die Werte, welche die Borussia mir auch in den Gesprächen vermittelt hat. Denn wir waren uns des Drucks bewusst, der aufgrund der erfolgreichen Vergangenheit von aussen entstehen kann. So gehen wir geschlossen den Borussia-Weg, der die Verjüngung und Verkleinerung des Kaders vorsieht, alles unter Einhaltung der finanziellen Vorgaben. Wir wissen aber auch, dass wir nun mittelfristig eine positive Entwicklung der Resultate vorlegen müssen.

Die Einstelligkeit in der Tabelle ist das Saisonziel, hat man lesen können. Dann kann man doch gleich sagen Europa, wie das ihr Goalie getan hat, denn nur der Neunte war letzte Saison unter den Einstelligen nicht europäisch …
Wenn wir uns an unsere Handlungsziele halten – weniger Tore erhalten, stabiler stehen, mehr Aggressivität gegen den Ball, mehr Ballbesitz, mehr dominante Phasen in den Spielen – dürfen wir den Anspruch haben, in der oberen Tabellenhälfte zu sein. Die Bundesliga ist aber, wie erwähnt, sehr kompetitiv. Neben den Top 4, also Bayern, Leverkusen, Dortmund und Leipzig, gibt es einen grossen Teil sehr ambitionierter Klubs. Frankfurt, Stuttgart, Freiburg, Wolfsburg, um nur einige zu nennen. Die haben zuletzt alle besser performt als wir. Aber das Potenzial haben wir, den einen oder anderen Rang gutzumachen. Allerdings es ist so eng, dass man schnell auf Rang 12 oder 13 steht, wenn man nicht top performt.

Apropos Goalie: Sie haben Jonas Omlin als Captain bestätigt. Was zeichnet ihn aus?
Er übernimmt Verantwortung. Er spricht Sachen an. Er ist kommunikativ. Er stellt sich komplett in den Dienst der Mannschaft. Er geniesst ein hohes Ansehen in der Kabine, ist akzeptiert und respektiert. Er bringt alle Attribute für dieses Amt mit.

Er bleibt ja sicher. Wie siehts bei Nico Elvedi aus, der mit seinen Wechselabsichten nicht hinter dem Berg gehalten hat?
Wir hatten schon vor einem Jahr eine ähnliche Situation mit Nico. Damals wollten wir die Konstellation aus der Welt schaffen, dass sein Vertrag in einem Jahr ausläuft, sollte es nicht zu einem Transfer kommen. Am Ende hat er bis 2027 verlängert. Er hat uns nun auch diesen Sommer signalisiert, dass nach neun Jahren eine Veränderung infrage kommen kann. Da herrscht totale Transparenz. Bislang ist auf dem Markt nichts gegangen, weshalb wir fest mit ihm rechnen. Aber das Transferfenster schliesst erst Ende Monat. Da kann noch die eine oder andere Anfrage eingehen. Falls nicht, haben wir einen Topspieler eine weitere Saison bei uns.

Gerry Seoane persönlich

Gerardo «Gerry» Seoane (42) wächst als Sohn spanischer Eltern im Kanton Luzern auf. Beim FCL schafft er den Sprung zu den Profis. Später spielt er auch für Sion, La Coruña, Aarau und GC. 2011 startet Seoane im FCL-Nachwuchs seine Trainerlaufbahn, im Januar 2018 übernimmt er bei den Profis – und führt sie innert weniger Wochen vom Abstiegskampf ins internationale Geschäft. Als Lohn ernennt ihn YB zum Nachfolger von Adi Hütter. Drei Meistertitel und ein Cupsieg sind die nationale Ausbeute in Bern. Und auch international erzielt er Achtungserfolge. Er führt YB erstmals in die Champions League. In der Europa League schaltet YB Leverkusen aus, was ihm die Tür zum Job bei Bayer öffnet. Er führt die Werkself in seiner ersten Saison souverän auf Platz drei und damit in die Champions League. In der zweiten wird er nach nur 12 Pflichtspielen(mit nur zwei Siegen) im Oktober 2022 entlassen. Auf die darauffolgende Saison übernimmt er Borussia Mönchengladbach, wo er bis zur letzten Runde um den Ligaerhalt zittern muss. Dieser gelingt, mit einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz.

Gerardo «Gerry» Seoane (42) wächst als Sohn spanischer Eltern im Kanton Luzern auf. Beim FCL schafft er den Sprung zu den Profis. Später spielt er auch für Sion, La Coruña, Aarau und GC. 2011 startet Seoane im FCL-Nachwuchs seine Trainerlaufbahn, im Januar 2018 übernimmt er bei den Profis – und führt sie innert weniger Wochen vom Abstiegskampf ins internationale Geschäft. Als Lohn ernennt ihn YB zum Nachfolger von Adi Hütter. Drei Meistertitel und ein Cupsieg sind die nationale Ausbeute in Bern. Und auch international erzielt er Achtungserfolge. Er führt YB erstmals in die Champions League. In der Europa League schaltet YB Leverkusen aus, was ihm die Tür zum Job bei Bayer öffnet. Er führt die Werkself in seiner ersten Saison souverän auf Platz drei und damit in die Champions League. In der zweiten wird er nach nur 12 Pflichtspielen(mit nur zwei Siegen) im Oktober 2022 entlassen. Auf die darauffolgende Saison übernimmt er Borussia Mönchengladbach, wo er bis zur letzten Runde um den Ligaerhalt zittern muss. Dieser gelingt, mit einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz.

Gladbach war auf dem Transfermarkt nicht hyperaktiv, aber mit dem kleinen Genie Kevin Stöger und Tim Kleindienst, der für Heidenheim 12 Bundesliga-Tore gemacht hat, stossen zwei äusserst spannende Spieler zu ihrem Team.
Und Philipp Sander, der aus Kiel gekommen ist. Den darf man nicht vergessen. Das sind Spieler, die in ihren Klubs eine wichtige Rolle gespielt haben. Sie bringen Erfahrung und Persönlichkeit mit. Sie werden unserem Kader sehr guttun. Sie kennen die Bundesliga und können sofort funktionieren.

Stammspieler haben Sie keinen verloren.
Wir haben doch den einen oder anderen nicht unwichtigen Spieler verloren. Siebatcheu und Wöber, die ausgeliehen waren. Herrmann und Jantschke hatten in der Kabine immer noch eine wichtige Rolle inne, gerade für die Mannschaftshygiene. Das sind Spieler mit Borussia-Vergangenheit, die im Klub bleiben.

Was verlieren Sie mit Weltmeister Christoph Kramer ausser einem Sympathieträger und exzellenten TV-Analytiker – und das als aktiver Profi?
Chris war jahrelang ein Führungsspieler, auch in der Kabine. Wenn ein solcher Spieler diese Rolle auf dem Platz nicht mehr hat, ist es schwierig, diese Führungsqualitäten auszuleben. Für Chris wars nicht einfach, nicht mehr so viel Spielzeit zu haben, wie er das wollte.

Es ist also nichts vorgefallen.
Nein. Da gabs keinen Knatsch, nichts. Die Trennung erfolgte aus rein sportlichen Gründen. Chris ist 33. Er hat fünfzehn Jahre Karriere hinter sich mit der einen oder anderen Verletzung. Irgendwann rücken die jungen Spieler nach, und für die älteren ist es nicht mehr möglich, auf die gewünschten Einsatzzeiten zu kommen.

Was ist Ihnen beim tränenreichen Abschied von Christoph via Social Media durch den Kopf gegangen?
Es ist, gerade in der heutigen Zeit, beileibe keine Selbstverständlichkeit, wenn ein Spieler über so einen langen Zeitraum bei einem Klub spielt. Die Beziehung zwischen Borussia und Chris war eine sehr innige, und das wird in dem Video deutlich.

Unter dem Strich: zufrieden mit der Transferkampagne so weit?
Ja. Auch wenn wir Potenzial sehen, uns im Defensivbereich zu verbessern, wenn sich eine Möglichkeit ergeben sollte. Doch wir machen das mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, also müssten wir zuerst etwas verkaufen.

Konkret: Sollte Elvedi gehen, müssten Sie reagieren.
Klar.

Was erwarten sie für eine Bundesliga-Saison? Sicher nicht so etwas wie in der abgelaufenen mit Leverkusen?
Nein. Bayern hat sich extrem verstärkt und die Abgänge kompensiert. Leipzig hat super performt, auch wenn sie Dani Olmo verloren haben. Dortmund hat auch einiges unternommen auf dem Markt. Stuttgart hat sich in diesen Kreis hineingespielt. Es wird vorne lange sehr spannend bleiben. Aber ich glaube, dass Bayern und Bayer durch die hohe Qualität im Kader dennoch vorneweg gehen werden.

Im Pokal hat sich ihr Team gerade souverän gegen Drittligist Erzgebirge Aue durchgesetzt. Ein Indiz für die Saison ist das aber noch nicht, oder?
Ein erfolgreiches Spiel ist nie eine Garantie dafür, eine weitere gute Partie oder gar Saison folgen zu lassen. Trotzdem sind wir sehr zufrieden mit der Leistung und besonders mit dem Ergebnis, da es im Pokal im Falle eines Misserfolgs keine Möglichkeit zur Wiedergutmachung gibt.

Am Freitag gehts los mit der Bundesliga. Und das gleich gegen den Meister Leverkusen, ihren Ex-Klub …
Wir haben grosse Vorfreude, dass wir in einem Freitagabend-Spiel die Ehre haben, die Saison zu eröffnen. Wir wissen, wie tough diese Aufgabe ist. Wir wollen Bayer das Leben von Beginn weg schwer machen. Natürlich ist es für mich noch spezieller, weil es ein Ex-Klub ist. Da gibts immer noch den einen oder anderen Kontakt. Aber das ist doch schon anderthalb Jahre her. Ich habe seither zwei Mal gegen Leverkusen gespielt. Deshalb ist es nicht mehr dasselbe Gefühl wie beim ersten Mal.

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