Ludovic Magnin, am Freitag haben Sie Ihr erstes Training beim SCR Altach geleitet. Wie wars, wieder auf dem Platz zu stehen?
Ludovic Magnin: Wunderschön und toll, obwohl es ein bisschen kalt war. Die Arbeit auf dem Platz und den sogenannten Kabinengeruch habe ich in den letzten Monaten am meisten vermisst.
Sie waren seit Ihrer Entlassung beim FCZ im Oktober 2020 während 15 Monaten ohne Klub. Wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Die ersten sechs Monate habe ich gebraucht, um abzuschalten. Für mich, für meine Familie und um meine Batterien wieder aufzuladen. In dieser Zeit habe ich alle Anfragen sofort abgeklemmt. Aber ab dem siebten Monat merkte ich, dass ich für einen neuen Trainerjob wieder bereit wäre. Je länger es dauerte, desto kribbeliger wurde ich.
Trotzdem haben Sie erst neun Monate später in Altach einen neuen Vertrag unterschrieben. Warum hat es so lange gedauert?
Das ist relativ einfach: Entweder haben sich die Klubs, zu denen ich gewollt hätte, für einen anderen entschieden, oder für mich hat es nicht gestimmt.
Mit wie vielen Klubs haben Sie in dieser Zeit verhandelt?
Geredet habe ich mit fünf oder sechs Klubs. Anfragen hatte ich von gut zwölf Vereinen.
Wann redet man mit Klubverantwortlichen?
Im Normalfall, wenn man unter den letzten drei Kandidaten ist.
Haben Sie nie die Geduld verloren?
Nein. Aber klar habe ich mich manchmal gefragt, warum ich dieses oder jenes abgesagt habe. Sagen wir es mal so: Altach kam im richtigen Moment. Ich habe ein tolles Gefühl und denke, dass ich hier hinpasse.
Was hätten Sie getan, hätte Altach nicht geklappt? Das nächste, erstbeste Angebot angenommen?
Nein. Für mich war klar, dass ich lieber was ganz anderes machen würde, als in Panik eine Trainerstelle anzunehmen.
Wann wäre es so weit gewesen?
Wahrscheinlich bald. Ich habe seit meiner Aktivkarriere nie eine Pause gemacht, sofort mit der Trainerausbildung begonnen. Die Auszeit hat mir gutgetan. Aber ich bin nicht der Typ, der nur zu Hause sitzen kann.
Was hätten Sie getan, hätten Sie keine passende Trainerstelle gefunden?
Da wäre mir schon was eingefallen.
Sie sind ausgebildeter Primarlehrer. Zurzeit sind Lehrer sehr gesucht.
Ich weiss. Nicht lange her, da hat mich meine Frau auch daran erinnert. Wahrscheinlich wollte sie mich endlich aus dem Haus haben (lacht). Ich hatte diese Alternative sicher auch im Hinterkopf. Aber sie war noch weit hinten.
Wussten Sie immer, wer Ihre Konkurrenten um die Trainerstellen waren?
Nicht, dass ich jeweils gefragt hätte. Aber ich bin lange im Geschäft und kenne so viele Leute. Das kriegt man schon mit.
Sie und Ihr guter Kumpel Alex Frei waren nebst Mario Frick beim FC Luzern in der engeren Auswahl. Spielt man da mit offenen Karten?
Wir wussten es beide. Während dieser Zeit hatten wir kaum Kontakt miteinander. Nachdem der Entscheid gefallen war, haben wir zusammen telefoniert und mussten lachen, weil wir uns beim FC Luzern fast die Klinke in die Hand gegeben haben.
Freut man sich für einen anderen Trainer, wenn er den Job erhält? Oder ist die Solidarität unter Trainern nicht so gross?
Da kann ich nur für mich sprechen. Bin ich in der engeren Auswahl und ein anderer kriegt den Job, juble ich jetzt nicht gerade. Dann frage ich mich, weshalb und was ich bei meiner Präsentation hätte besser machen können. Diese Art von Bewerbungsgesprächen waren mir ja komplett neu – ich denke, ich bin von Videocall zu Videocall besser geworden.
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Auffallend ist, dass es sehr viele Kommentarschreiber gibt, sobald Sie oder Alex Frei als Trainer gehandelt werden ...
… meistens negative Kommentare.
Sie kriegen das mit?
Ja, ob ich will oder nicht.
Und?
Ich habe keine Probleme, wenn eine Person mit ihrem richtigen Namen hinstehen würde und meine Arbeit kritisiert. Aber ich habe Mühe, wenn irgendwelche anonymen Samichläuse Trainer, Spieler oder andere öffentliche Personen kritisieren oder beleidigen. Könnte ich bestimmen, würde ich auf den Websites der Medien und in Foren anonyme Kommentare verbieten. Ich habe gehört, dass einige Trainer sogar Personen organisieren, welche in ihrem Auftrag positive Kommentare in Foren schreiben.
Nicht Ihr Ernst?
Doch.
Nennen Sie Namen.
Nein. Nur so viel: Alex und ich sind es sicher nicht.
Sie haben in den letzten Monaten die Seiten gewechselt und bei Blue als Fussballexperte gearbeitet. Hat Ihnen der Job gefallen?
Sehr gut. Es war superspannend. Und es hat mir viel gebracht.
Was?
Ich sehe die Arbeit der Journalisten nun mit anderen Augen. Ich habe viel mehr Verständnis und Respekt für ihren Job. Ehrlich: Ich war überrascht, wie viel Arbeit dahintersteckt. Und die Spielanalysen!
Was ist damit?
Die sind ähnlich detailliert und aufwendig wie die Daten, welche die Analysten in den Klubs präsentieren. Nur, dass Trainer und Journalisten diese anders nutzen. Generell bin ich der Ansicht, dass man die Zusammenarbeit intensivieren müsste. Wir arbeiten im gleichen Geschäft. Vielleicht kapseln sich die Klubs auch zu stark ab. Ich denke, früher war man sich näher. Übrigens auch Schiedsrichter und Spieler.
Wie meinen Sie das?
Ich habe das Gefühl, dass heute die Kompetenzen viel mehr getrennt werden. Jeder lebt in seiner Bubble. Früher haben wir mit den Schiedsrichtern gescherzt, vor und sogar während der Partien.
Nicole Petignat soll oft geredet haben als Schiedsrichterin.
Das war lustig damals. Sie hat mir auf dem Platz immer gesagt, was ich zu tun habe. Und ich habe ihr gesagt, was sie pfeifen muss.
Jetzt sollen Sie beim österreichischen Tabellenletzten Altach den Abstieg verhindern. Schaffen Sie das?
Das werden wir sehen. Zumindest werde ich alles geben, was ich kann. Ich fordere von mir dasselbe wie von den Spielern: wenig Freizeit, viel Arbeit.
Die Ausgangslage ist nicht aussichtslos. In Österreich werden vor der Abstiegsrunde die Punkte halbiert, und dann spielt in den Playoffs jedes Team zweimal gegeneinander.
Es stimmt schon: Für uns als Tabellenletzter ist dieser Modus geil. Hätte ich jedoch ein Team an der Spitze übernommen, würde ich anders reden.