Es läuft die 93. Minute des letzten Gruppenspiels der Gruppe B zwischen Ghana und Mosambik, als Richard Ofori, der Konkurrent von Lawrence Ati-Zigi im Tor von Ghana, auf die Idee kommt, einen Ball, der sowieso ins Aus gerollt wäre, völlig unnötig noch zu berühren. Den folgenden Eckball versenkt Atlético-Verteidiger Reinildo Mandava (30) per Kopf zum 2:2 im Tor, Ghana ist endgültig draussen. Das Ausscheiden am diesjährigen Afrika-Cup ist gleichzeitig auch der Beginn von heftigen Protesten – gegen Spieler, Trainer und Verband.
Noch am selben Abend entlädt sich die Wut ghanaischer Journalisten in den Katakomben des Stade Olympique Alassane Ouattara d’Ebimpé in der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan. Sie fordern Erklärungen für die mageren Afrika-Cup-Auftritte.
Die ghanaische Liga versinkt in der Bedeutungslosigkeit
Unter der Führung einer Handvoll ghanaischer Journalisten formiert sich immer mehr Widerstand gegen die Führungsriege des Ghanaian Football Association (GFA). Dies gipfelt am Mittwoch letztlich in einer Demonstration in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Mehrere Tausend Menschen gehen auf die Strasse, wollen den Machthabenden vor dem Sportministerium die Meinung geigen und ihnen eine Petition zur Rettung des ghanaischen Fussballverbands übergeben. In 15 Punkten verlangen die Demonstrierenden unter anderem die Entwicklung einer nationalen Fussballstrategie, den Bau eines nationalen Trainingskomplexes oder auch die Untersuchung der Geldflüsse an die GFA der letzten Jahre.
Denn gerade das Thema Geld ist ein grosser Streitfaktor im Land am Golf von Guinea. Immer wieder wurde hinter vorgehaltener Hand moniert, dass Spieler in den (U-)Nationalteams nur aufgeboten würden, wenn Geld fliesst. Weiterer Kritikpunkt: Der Verband und deren Funktionäre hätten Gelder, wie etwa von der Fifa oder dem afrikanischen Fussballverband CAF für Turnierteilnahmen, in die eigene Tasche gesteckt.
Bewiesen ist das nicht. Fakt ist jedoch, dass gerade die Infrastruktur mehr als zu wünschen übriglässt. Viele Stadien von Klubs der Ghanaian Premier League sind in die Jahre gekommen, die Rasen braun befleckt, die Tribünen – sofern es sie gibt – baufällig. Die höchste Liga im Land hat kaum mehr Stellenwert, wie auch Demonstrant David aufgebracht bestätigt: «Ich bin eigentlich Anhänger der Hearts of Oak, aber diese Liga ist nichts mehr, worüber man sich freuen kann. Der Fussball verschlechtert sich immer weiter und mitschuldig sind die, die das Geld in die eigene Tasche stecken.»
Hätte Ati-Zigi im Tor die Proteste verhindern können?
Für andere sind die Proteste für den ghanaischen Fussball nur ein Sinnbild für die Situation im Land. «Dieser Protest bringt so eigentlich überhaupt nichts. Wenn wir das Problem beim GFA gelöst haben, folgt schon das nächste. Zum Beispiel im Gesundheitssektor, in Sachen Ausbildung oder Arbeitslosigkeit. Es mangelt an allen Ecken und Enden im Land», meint etwa Ralph, der auf allen möglichen Demonstrationen gegen die Regierung zugegen ist. Die Hoffnung, dass die Wahlen im kommenden Herbst Veränderungen bringen, sei klein.
Weil Dutzende Polizisten in Vollmontur den Weg versperren, schafft es der Demonstrationszug am Mittwoch letztlich nicht bis zum Sportministerium und endet einige hundert Meter weiter vor dem Independence Arch, einer der Sehenswürdigkeiten der ghanaischen Hauptstadt. Dort übergibt man letztlich einigen Vertretern des Parlaments die Petition. Ob sich viel ändert, ist fraglich. Wahrscheinlich ist, dass die Verantwortlichen innerhalb des Verbandes und auch des Parlaments den unangenehmen Druck der Öffentlichkeit immer mehr spüren.
Gut möglich, dass sie diesen (vorübergehend) hätten verhindern können, hätte man sich am Afrika-Cup im Tor für einen Stammkeeper eines gewissen Ostschweizer Fussballklubs und nicht etwa für den Bankwärmer aus der südafrikanischen Liga entschieden. Denn ohne den gravierenden Fehler von Richard Ofori und dem darauf folgenden Aus in der Gruppenphase wären die Probleme wohl noch mal unter den Teppich gekehrt worden.