Es ist einer der letzten freien Tage vor der Abreise an die WM in Neuseeland. Noelle Maritz (27) verbringt ihn in Romanshorn TG am Bodensee. Vor der Reise nach Down Under nochmals in der Heimat richtig durchatmen, die Batterien aufladen, Zeit mit der Familie verbringen. Denn die weite Reise in den neuseeländischen Winter machen weder die Eltern noch sonst jemand aus dem Umfeld von Maritz mit.
Ihre Mutter bringt sie in der Nähe des Romanshorner Hafens zum Restaurant «Schiff». Treffpunkt zum Gespräch mit SonntagsBlick. Der Kaffee kommt sofort. Kurz vor der WM schlägt Maritz neue Töne an. Offen wie noch nie redet die sonst stille Thurgauerin über ihren ungewöhnlichen Werdegang und ihr Privatleben.
Über ihre Freundin Marie-Laure spricht sie überhaupt erstmals öffentlich. «Sie ist Französin, lebt aber schon lange in London. Es passt wunderbar zwischen uns», sagt Maritz glücklich. «Wir haben uns direkt nach der Coronazeit auf einer App kennengelernt. Sie kommt nicht aus dem Fussball, was ich sehr geniesse, weil sich dann nicht immer alles um den Sport dreht.»
Privat ist der Nati-Star im Glück. Wie auch im Fussball. FCZ, Wolfsburg, Arsenal. Überall Stammspielerin. Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch. Aber nun enthüllt Maritz auch schwierige Lebensphasen, aus denen sie sich rauskämpfen musste. Viermal – zweimal als Kind mit der Familie, zweimal alleine – zieht sie noch vor ihrem 18. Geburtstag um, springt jedes Mal wieder ins kalte Wasser.
Mit fünf der Umzug von Kalifornien nach New Jersey
Maritz kommt wie ihr älterer Bruder in Kalifornien auf die Welt, hat dadurch auch schon immer den amerikanischen Pass. «Mein Vater hat im Marketing gearbeitet, meine Eltern sind hauptsächlich wegen seiner Arbeit ausgewandert», sagt sie. Nach fünf Jahren in Newport Beach zieht die Familie nach New Jersey.
Und dann, Maritz ist 10, kehrt die Familie in die Schweiz zurück. «Wir haben die Schweiz zwar von den Ferien gekannt. Aber es war dennoch ein fremdes Land. Als die Eltern uns Kinder eröffneten, dass wir nach Europa gehen, sagte ich: ‹Sicher nicht!› Der Umzug ins Ungewisse machte mir Angst. Ich habe viel geweint, als wir packten und für immer gingen.»
Es ist eine verblüffende Statistik: Fünf Schweizerinnen standen bei jedem einzelnen WM- und EM-Spiel, das die Nati jemals bestritten hat, in der Startelf. Ohne Noelle Maritz (27), Gaëlle Thalmann (37), Lia Wälti (30), Ramona Bachmann (32) und Ana Maria Crnogorcevic (32) hat noch nie ein Schweizer Endrundenspiel begonnen. Seit der Premiere auf der grossen Bühne vor acht Jahren an der WM 2015 kamen noch die EM 2017 in Holland und die EM 2022 hinzu.
Diese fünf Nati-Stars bilden seit vielen Jahren das Gerüst der Nati. Jetzt stehen die Turnier-Evergreens wie auch Eseosa Aigbogun (30) und Fabienne Humm (36) vor ihrem vierten Turnier. «Ich bin stolz, dass ich immer dabei war», sagt Rekordspielerin und -torschützin Crnogorcevic zu Blick.
Fühlt sich die Barcelona-Spielerin langsam alt, da einige ihrer Nati-Kolleginnen bei der WM 2015 noch Kinder waren? «So ist das Leben. Der Körper gibt mittlerweile schon andere Signale, er braucht mal ein Stündchen länger für die Erholung als früher. Aber die Fitness war bei mir nie ein Thema.» Wenn sie verletzungsfrei bleibt, steht für Crnogorcevic ausser Frage, dass sie an der Heim-EM 2025 ihre fünfte Endrunde bestreiten will.
WM-Erinnerungen als Muntermacher
Dann nicht mehr dabei ist Goalie Thalmann. Nach der WM macht sie Schluss. «Es ist ein Privileg, dass ich bei allen Turnieren mit der Schweiz dabei war», sagt die Freiburgerin, für die vor allem die WM-Premiere 2015 in Kanada unvergesslich war. «Ich hatte mich sieben Monate vor dem Turnier verletzt, aber habe es zurückgeschafft. Die Emotionen und die schönen Erinnerungen habe ich bis heute in mir drin. Ich erinnere mich gerne an die tolle Zeit in Vancouver, wenn ich mal einen schwierigen Moment habe.»
In den acht Jahren hat der internationale Frauenfussball Quantensprünge gemacht. Die Nati-Veteraninnen haben die ganze Entwicklung mitgemacht. Und sich auch angepasst: Aigbogun war an der WM 2015 noch Stürmerin und schoss das erste WM-Tor der Nati-Geschichte. Doch an der EM 2022 ist sie längst zur Aussenverteidigerin umfunktioniert worden. «Ich bin sehr stolz, dass ich seit zehn Jahren dabei bin. Es ist sehr cool, dass sich die Arbeit lohnte und ich mit diesem Team wachsen konnte», sagt die Zürcherin.
Was den ewigen Nati-Spielerinnen aber noch fehlt, ist ein Endrundencoup. Bei beiden EM-Teilnahmen war nach der Gruppenphase Feierabend. An der WM 2015 kam die Nati als Gruppendritter weiter (und scheiterte im Achtelfinal). In Neuseeland kommen durch die Aufstockung nur der Gruppenerste und -zweite weiter. Aigbogun: «Der Ehrgeiz ist gross, weit zu kommen. Wir sind physisch bereit. Das ist die Basis, dann kann man vieles schaffen. Es sind 90 Minuten und alle haben zwei Beine!» (md)
Es ist eine verblüffende Statistik: Fünf Schweizerinnen standen bei jedem einzelnen WM- und EM-Spiel, das die Nati jemals bestritten hat, in der Startelf. Ohne Noelle Maritz (27), Gaëlle Thalmann (37), Lia Wälti (30), Ramona Bachmann (32) und Ana Maria Crnogorcevic (32) hat noch nie ein Schweizer Endrundenspiel begonnen. Seit der Premiere auf der grossen Bühne vor acht Jahren an der WM 2015 kamen noch die EM 2017 in Holland und die EM 2022 hinzu.
Diese fünf Nati-Stars bilden seit vielen Jahren das Gerüst der Nati. Jetzt stehen die Turnier-Evergreens wie auch Eseosa Aigbogun (30) und Fabienne Humm (36) vor ihrem vierten Turnier. «Ich bin stolz, dass ich immer dabei war», sagt Rekordspielerin und -torschützin Crnogorcevic zu Blick.
Fühlt sich die Barcelona-Spielerin langsam alt, da einige ihrer Nati-Kolleginnen bei der WM 2015 noch Kinder waren? «So ist das Leben. Der Körper gibt mittlerweile schon andere Signale, er braucht mal ein Stündchen länger für die Erholung als früher. Aber die Fitness war bei mir nie ein Thema.» Wenn sie verletzungsfrei bleibt, steht für Crnogorcevic ausser Frage, dass sie an der Heim-EM 2025 ihre fünfte Endrunde bestreiten will.
WM-Erinnerungen als Muntermacher
Dann nicht mehr dabei ist Goalie Thalmann. Nach der WM macht sie Schluss. «Es ist ein Privileg, dass ich bei allen Turnieren mit der Schweiz dabei war», sagt die Freiburgerin, für die vor allem die WM-Premiere 2015 in Kanada unvergesslich war. «Ich hatte mich sieben Monate vor dem Turnier verletzt, aber habe es zurückgeschafft. Die Emotionen und die schönen Erinnerungen habe ich bis heute in mir drin. Ich erinnere mich gerne an die tolle Zeit in Vancouver, wenn ich mal einen schwierigen Moment habe.»
In den acht Jahren hat der internationale Frauenfussball Quantensprünge gemacht. Die Nati-Veteraninnen haben die ganze Entwicklung mitgemacht. Und sich auch angepasst: Aigbogun war an der WM 2015 noch Stürmerin und schoss das erste WM-Tor der Nati-Geschichte. Doch an der EM 2022 ist sie längst zur Aussenverteidigerin umfunktioniert worden. «Ich bin sehr stolz, dass ich seit zehn Jahren dabei bin. Es ist sehr cool, dass sich die Arbeit lohnte und ich mit diesem Team wachsen konnte», sagt die Zürcherin.
Was den ewigen Nati-Spielerinnen aber noch fehlt, ist ein Endrundencoup. Bei beiden EM-Teilnahmen war nach der Gruppenphase Feierabend. An der WM 2015 kam die Nati als Gruppendritter weiter (und scheiterte im Achtelfinal). In Neuseeland kommen durch die Aufstockung nur der Gruppenerste und -zweite weiter. Aigbogun: «Der Ehrgeiz ist gross, weit zu kommen. Wir sind physisch bereit. Das ist die Basis, dann kann man vieles schaffen. Es sind 90 Minuten und alle haben zwei Beine!» (md)
Was Maritz aber mitbringt, ist ihr Fussballtalent. Dass sie als Mädchen in den USA kickt, ist im Land der Weltmeisterinnen zwar normal. Nach dem Umzug nach New Jersey beginnt sie beim nächstgelegenen Klub. «Doch bald durften mein Bruder, der Goalie war, und ich in eine Akademie. Da sind wir sogar an Turniere in Florida geflogen.»
Darum hat die Ostschweizerin keinen Thurgauer Dialekt
Doch in der Schweiz beginnt alles von vorne. Die Familie hat zwar Aargauer Wurzeln, doch wegen des neuen Jobs des Vaters bei einer deutschen Firma ziehen die Maritz´ nach Erlen TG. Aus der Amerikanerin wird eine Ostschweizerin, nur den Dialekt nimmt sie nicht an – in den USA wurde stets im Dialekt der Eltern geredet.
«In der Schule musste ich aber Hochdeutsch lernen», sagt Maritz lachend. Die Unterrichtssprache der Primarschule ist ihr fremd. Beim nahe gelegenen FC Amriswil kommt sie in ein Mädchenteam, was ihr bei der Integration enorm hilft.
Maritz sticht bald derart heraus, dass wieder ein Umzug ansteht. Diesmal erstmals alleine, sie zieht auf einen Bauernhof zu einer Gastfamilie im Emmental. Sie bekommt einen Platz im Frauen-Ausbildungszentrum des SFV, das damals noch in Huttwil BE stationiert ist. Mit 13 Jahren schon der dritte Neuanfang in der Fremde, auch wenn sie die Wochenenden daheim verbringt und bei den U-Teams der Jungs vom FC Wil mitkickt.
Wenn die Schweiz auf Gastgeber Neuseeland trifft, wird einer der bekanntesten Männer des Inselstaats im Stadion sitzen: Ian Foster (58). Er ist Nationaltrainer der «All Blacks», dem neuseeländischen Rugby-Teams der Männer. Foster besucht die Fussball-WM aber nicht nur aus Anstand – seine Tochter Michaela (24) steht im Kader der Neuseeländerinnen.
Die jüngste WM-Spielerin ist jünger als BeneyMittlerweile sind alle WM-Kader offiziell, nun weist die Fifa auf einige Rekordzahlen hin. Die grösste Spielerin? Philippinen-Goalie Kaiya Jota (17) mit 1,90 Meter. Als Nummer 2 wird sie gegen die Schweiz aber kaum auflaufen. Die kleinste? Sambias Avell Chitundu (25) mit 1,40 Meter. Die älteste? Kanada-Ikone Christine Sinclair (40) spielt ihre sechste WM und steht bei unfassbaren 323 Länderspielen und 190 -toren, was Weltrekord ist. Die jüngste? Casey Phair wurde am 29. Juni erst 16 Jahre alt. Damit ist die Koreanerin (mit US-Wurzeln) sogar elf Monate und 6 Tage jünger als Iman Beney, die ohne ihren Kreuzbandriss das Schweizer WM-Küken gewesen wäre.
Testspielabbruch wegen zu harter SpielweiseIm Testspiel zwischen Irland und Kolumbien kommts zu einem Eklat. Die WM-Hauptprobe in Brisbane wird nach 23 Minuten abgebrochen. Irland zieht sich wegen übertriebener Härte der Gegnerinnen mitten im Spiel zurück. «Das Spiel wurde zu körperbetont. Es wurde nach Rücksprache mit der Spielleitung entschieden, das Spiel zu beenden», teilt der irische Verband mit. Starspielerin Denise O´Sullivan (29) musste zur Kontrolle einer Scheinbeinverletzung ins Spital, ihr Einsatz im ersten WM-Spiel ist ungewiss. (md)
Wenn die Schweiz auf Gastgeber Neuseeland trifft, wird einer der bekanntesten Männer des Inselstaats im Stadion sitzen: Ian Foster (58). Er ist Nationaltrainer der «All Blacks», dem neuseeländischen Rugby-Teams der Männer. Foster besucht die Fussball-WM aber nicht nur aus Anstand – seine Tochter Michaela (24) steht im Kader der Neuseeländerinnen.
Die jüngste WM-Spielerin ist jünger als BeneyMittlerweile sind alle WM-Kader offiziell, nun weist die Fifa auf einige Rekordzahlen hin. Die grösste Spielerin? Philippinen-Goalie Kaiya Jota (17) mit 1,90 Meter. Als Nummer 2 wird sie gegen die Schweiz aber kaum auflaufen. Die kleinste? Sambias Avell Chitundu (25) mit 1,40 Meter. Die älteste? Kanada-Ikone Christine Sinclair (40) spielt ihre sechste WM und steht bei unfassbaren 323 Länderspielen und 190 -toren, was Weltrekord ist. Die jüngste? Casey Phair wurde am 29. Juni erst 16 Jahre alt. Damit ist die Koreanerin (mit US-Wurzeln) sogar elf Monate und 6 Tage jünger als Iman Beney, die ohne ihren Kreuzbandriss das Schweizer WM-Küken gewesen wäre.
Testspielabbruch wegen zu harter SpielweiseIm Testspiel zwischen Irland und Kolumbien kommts zu einem Eklat. Die WM-Hauptprobe in Brisbane wird nach 23 Minuten abgebrochen. Irland zieht sich wegen übertriebener Härte der Gegnerinnen mitten im Spiel zurück. «Das Spiel wurde zu körperbetont. Es wurde nach Rücksprache mit der Spielleitung entschieden, das Spiel zu beenden», teilt der irische Verband mit. Starspielerin Denise O´Sullivan (29) musste zur Kontrolle einer Scheinbeinverletzung ins Spital, ihr Einsatz im ersten WM-Spiel ist ungewiss. (md)
Damals findet der Schweizer Frauenfussball noch praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Aber Maritz sagt: «Dass Spiele im Fernsehen kommen, war in den USA normal. Das hat mich geprägt. Mir war von Anfang an bewusst, dass man es als Frau im Fussball zu etwas bringen kann.»
Tipps von FCZ-Mitspielerin Inka Grings
Nach Huttwil spielt sie kurz für Staad (die heutigen FCSG-Frauen) in der U18 und schon in der NLA. Dann für den FCZ, die jetzige Nati-Trainerin Inka Grings ist ihre Teamkollegin. «Mit ihr habe ich mich dann auch viel unterhalten, ob ich schon in die Bundesliga wechseln soll», sagt Maritz. Denn gleich beim A-Nati-Debüt beim Zypern-Cup als 17-Jährige entdeckt Wolfsburg das Abwehrtalent und will sie sofort verpflichten.
Mehr zur Frauen-Nati
Die Ami-Schweizerin wagt den Sprung als Teenager zum Frauen-Weltklub. Noch immer minderjährig, der vierte grosse Umzug ins dritte Land. «Am Anfang hatte ich enorm Heimweh», schildert die Thurgauerin, «es gab Momente, da fragte ich mich: ‹Will ich das wirklich durchziehen?›»
Viele Anrufe bei den Eltern helfen. «Ich habe eine innere Stärke gefunden, mich durchzubeissen», sagt sie und vermutet, dass ihr Biss auf und neben dem Platz etwas mit ihren amerikanischen Wurzeln zu tun hat. Maritz wohnt im ersten Wolfsburger Jahr mit der heutigen Nationaltorhüterin Merle Frohms in einer WG.
Mit riesiger Titelsammlung zu Arsenal nach London
Nach einer Saison zieht es Maritz vor, alleine in eine Wohnung zu ziehen. Obwohl es einsame Momente gibt: Bereuen tut sie es nicht, schon mit 18 Jahren alleine den Haushalt zu führen. Da ist sie ganz die Schweizerin: «Bei mir ist immer alles picobello aufgeräumt. Ich bin sehr ordentlich.»
SonntagsBlick zeigt Maritz Archivbilder von einem Besuch bei ihr in Wolfsburg vor der WM 2015. «Wie jung ich war», sagt sie und lacht. Beim VfL wird sie erwachsen, erst nach sieben Jahren mit einem Champions-League-Triumph, fünf Meistertiteln und sechs Pokalsiegen zieht sie weiter zu Arsenal. Wieder ein Neuanfang in einem neuen Land. Erstmals als Erwachsene. Diesmal hat sie kein Heimweh mehr.