Der England-Coach ist besser als sein Ruf
Warum das Southgate-Bashing gar nicht so angebracht ist

Das grosse Southgate-Bashing ist zur EM-Mode 2024 verkommen. Doch ist es in dieser Härte berechtigt? Eine kleine Lanze für den Coach von England.
Publiziert: 05.07.2024 um 09:34 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2024 um 09:42 Uhr
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Finale Lagebesprechung: Gareth Southgate (r.) mit Harry Kane am Donnerstag.
Foto: The FA via Getty Images
Alain Kunz, Blankenhain

Was da alles geschrieben wurde von Journalisten von links und rechts! Von englischen Experten oder auch deutschen, die man eigentlich für besonnen und reflektiert hält. Von einem Weltmeister wie Christoph Kramer oder von Plattwalzern wie Didi Hamann, wo das mit dem Reflektieren nicht immer oberste Doktrin scheint.

Das geht auf keine Kuhhaut.

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Die goldene Generation? Im Dress der Three Lions alles Loser

Was ist denn da passiert, dass man einen Mann als Coach fast schon vernichten will, der England aus der Erfolglosigkeit geführt und den Fussball der Three Lions revolutioniert hat?

Klar, der Titel blieb bisher aus. Man kam an der EM 2021 in den Final – und verlor im Penaltyschiessen gegen Italien. Wie auch 2018 nach einem Turnier mit erfrischendem Offensiv-Fussball gegen Kroatien im Halbfinal. 2022 schied man im Viertelfinal gegen Frankreich aus.

«Wir hatten einst ein Team mit Beckham, Rooney, Owen, Gerrard, Lampart, Scholes, Gary Neville, Ashley Cole, Terry, Ferdinand. Wie diese goldene Generation unterperformte, das war dramatisch», sagt Charlie Wyett, Star-Fussball-Journalist der «Sun». «Die kamen nie weiter als dorthin, wo Southgates Mannen aktuell stehen. Ohne gut zu spielen, klar. Aber sie sind da und können immer noch Europameister werden. Und man kann Europameister werden, ohne gut zu spielen, das hat Griechenland bewiesen. Nein, die Leute haben ein ganz schlechtes Erinnerungsvermögen.»

England war nie Europameister und ein zweifelhafter Weltmeister

Dabei war die Qualifikation makellos: unbesiegt, mit zwei Siegen gegen Italien. Das Bashing beginnt mit der zweiten Testspiel-Niederlage (die erste war gegen Brasilien), einem 0:1 gegen Island. Seither hört es nicht mehr auf.

Natürlich ist das bisher Gebotene an dieser EM schlecht, keine Frage. Aber die Kritik der TV-Experten und Journalisten überproportional extrem. Dann gesellen sich die Fans auf Social Media dazu. Und alle schaukeln sich hoch und höher.

«Die Erwartungshaltung war, dass wir alle wegputzen», sagt Wyett. «Aber warum? Wir waren nie Europameister. Weltmeister auch nur einmal, im eigenen Land. Dank eines Phantomtors. Da sehen die Bilanzen von Deutschland, Italien, Frankreich oder auch Spanien ganz anders aus.»

Winterbottom war besser als Southgate – in den 40er-Jahren ...

Und noch was fügt Wyett hinzu: «Im Moment haben wir Mühe mit dem Toreschiessen. Aber nur ein einziger England-Manager hatte eine bessere Torausbeute als Southgate. Das war Walter Winterbottom in den 1940er-Jahren …»

Klar. Der Coach bietet Angriffspunkte. Sein passives Coaching zum Beispiel. Gegen die Slowakei nimmt er in der 84. Minute seinen zweiten Wechsel vor in einem Spiel ohne Schuss aufs Tor. «Jordan Henderson von Liverpool nicht mitzunehmen, war auch ein Fehler. Der ist ein Winner, ein positiver Mensch, ein Vorbild von Bellingham», denkt Wyett.

Alles richtig gemacht, Gareth!

Aber da ist auch der Fall Bellingham und Kane. «Viele wollten die beiden Superstars gegen die Slowakei ausgewechselt sehen» erinnert sich Wyett. «Auch Experten. Dann machen sie die Tore. Weil sie eben dazu in der Lage sind. Southgate hatte ja auch gesehen, dass sie schlecht waren. Aber er liess sie bewusst drin.»

Da kann man sagen: Alles richtig gemacht. Aber auch das werden andere Experten anders sehen.

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