Ein Drittligist in Europa? «Unmöglich», denkt sich vor einigen Wochen auch Dietmar Faes, als plötzlich die Anmeldeformulare für die Uefa-Wettbewerbe auf dem Schreibtisch des Biel-Präsidenten liegen. Nachdem die Seeländer im Cup-Halbfinal völlig überraschend Meister YB aus dem Cup gekegelt haben und als erster Drittligist in der Geschichte in den Final eingezogen sind, ist dieses unmögliche Szenario ein kleines bisschen wahrscheinlicher geworden.
90 Minuten – vielleicht auch 120 und ein Penaltyschiessen – trennen den FC Biel von der ganz grossen Sensation. Mit einem Sieg gegen den FC Basel am 1. Juni wären die Seeländer in der Playoff-Runde der Europa League gesetzt – und hätten die Teilnahme an der Ligaphase der Conference League bereits auf sicher. «Jetzt muss ich mich wirklich um den Antrag kümmern. Das wäre ja himmeltraurig, wenn die Spieler am Ende bestraft werden, weil der Präsident geschlafen hat», sagt Faes zu Blick.
«Müssen unseren Weg weitergehen»
Nachdem er es im Vorfeld des Cup-Halbfinals «fast ein wenig verlaueret» habe, laufen die Abklärungen für eine mögliche Teilnahme an einem Uefa-Wettbewerb inzwischen auf Hochtouren. Reise-Anbieter oder Charterflug-Firmen klappert Faes aber noch nicht ab. Zunächst gilt der volle Fokus der Stadionfrage. Gespielt werden könnte entweder in Biel oder – falls aufgrund der Kunstrasenverlegung in der Tissot Arena in ein anderes Stadion ausgewichen werden muss – in Neuenburg.
Was bereits klar ist: Ein Cupsieg und die damit verbundene sichere Teilnahme an der Ligaphase der Conference League würden auf einen Schlag über drei Millionen Franken in die Klubkasse spülen. Was würde eine solche Mega-Summe beim FC Biel verändern, der ein Jahresbudget von 1,5 Millionen ausweist? «Den Kontostand», antwortet Faes lachend.
Sollte es tatsächlich zum grossen Geldsegen kommen, gelte es, dies sinnvoll zu investieren. «Der Verein soll weiterentwickelt werden, nicht die Kässelis des Präsidenten und der Spieler gefüllt werden», findet Faes. «Wir werden nicht von heute auf morgen ein Spitzenklub in der Challenge League. Wir müssen unseren Weg als gut geführter Ausbildungsklub weitergehen.»
Aufstieg ist das grosse Ziel
Diesen hat Faes im Sommer 2016 angetreten, als er unmittelbar nach dem Zwangsabstieg in die 2. Liga regional in Biel übernahm. «Wir haben diesen Verein aus den Trümmern neu aufbauen müssen», erinnert sich der Präsident. Neun Jahre später soll es endlich mit der Rückkehr in den Profi-Fussball klappen.
Vier Runden vor Schluss liegt Biel auf dem zweiten Tabellenplatz der Promotion League, einen Punkt hinter Leader Rapperswil. Die Seeländer haben aber noch ein Nachholspiel auf dem Programm. «Für die Region wäre der Aufstieg sehr wichtig», sagt Faes. «Und wir wären sicher auch ein Plus für die Challenge League. Wir sind immerhin die zehntgrösste Stadt der Schweiz und würden ein schönes Stadion und ein paar Zuschauer mitbringen.»
Für Faes ist darum völlig klar, wo in den kommenden Wochen der Fokus liegen muss. «Wenn ich mich zwischen Aufstieg und Cupsieg entscheiden muss, nehme ich den Aufstieg. Da gibt es gar nichts zu diskutieren», so der Bieler Präsident. Vielleicht klappt es am Ende ja mit beidem. Ein Zweitligist in Europa tönt schliesslich etwas weniger verrückt als ein Drittligist.