Darum gehts
- Lugano steht vor historischem Spiel, kämpft aber mit Formtief
- Experten sehen Verletzungen und Druck als Gründe für Krise
- Erstmals fünf Niederlagen in Serie unter Trainer Croci-Torti
«Die letzte Chance», schreibt Lugano am Mittwochvormittag unter einem Post auf Instagram. Zwar geht es dabei um eine Sonderaktion im Fanshop. Doch die Aussage passt auch perfekt zur sportlichen Situation. Denn die Tessiner stehen vor einem historischen Spiel. Zum ersten Mal in der Klubgeschichte könnten sie sich am Donnerstag gegen Celje für einen Europacup-Viertelfinal qualifizieren.
Zwar müsste die 0:1-Niederlage aus dem Hinspiel gegen einen Gegner von überschaubarer Qualität zu korrigieren sein. Aber da ist die aktuelle Form von Lugano. Und die lässt Zweifel an einem Weiterkommen gegen den Fünften der slowenischen Meisterschaft aufkommen.
Die fünf Niederlagen in Serie sprechen Bände. So etwas hat es unter Mattia Croci-Torti (42) noch nie gegeben. Nach dem Cup-Out gegen das drittklassige Biel droht Lugano zwei weitere Saisonziele zu verpassen. Alarmstufe Rot im Tessin.
Vor wenigen Wochen noch ein Szenario, das für unmöglich gehalten wurde. Viele Experten waren sich einig, dass vor allem im Meisterrennen kein Weg an Lugano vorbeiführe. Umso grösser sind jetzt die Fragezeichen. Blick hat bei drei Ex-Nati-Spielern aus dem Tessin nachgefragt: Alberto Regazzoni (41), Mario Gavranovic (35) und Toni Esposito (52).
Was sind die Gründe für das plötzliche Formtief?
Einen Punkt haben die drei Experten schnell ausgemacht: die verletzten Leistungsträger sowie eine Reihe von Einzelspielern, die ihrer Form hinterherlaufen. Man denke an Antonios Papadopoulos (25), Ousmane Doumbia (32), Milton Valenzuela (26) oder Allan Arigoni (26). Für Regazzoni ist das aber noch nicht alles. «Vor einem Jahr war Lugano noch der Outsider. Jetzt wird er von allen als erster Titelanwärter angesehen. Ob alle mit diesem neuen Druck umgehen können?» Esposito sieht ein weiteres Problem: «Im physischen Bereich hat die Mannschaft nachgelassen. Sie bekundet grosse Mühe, die Räume abzudecken.» Dazu passt Gavranovics Aussage: «Im Herbst kontrollierte Lugano die Spiele. Seit der Rückrunde haben sie viel grössere Schwierigkeiten, das eigene Spiel aufzuziehen.»
Wie sehr fehlt ein Stürmer?
«Fortemente», antworten die Experten allesamt. Sehr stark also. «Wenn man im Dezember Erster ist und Meister werden will, dann reicht es nicht, im Winter einen Koutsias von Partnerklub Chicago zu verpflichten», so Regazzoni. Auch Gavranovic bemängelt die Passivität im Wintertransferfenster. «Man hätte im Januar mehr tun können, um den Trainer auf der Mission Meistertitel zu unterstützen.» Und last but not least ergänzt Esposito: «Ich hätte mehr gewagt. Koutsias ist gut, aber jung. Und wenn man bedenkt, dass man Nsame hätte ausleihen können und es nicht getan hat, regt mich das stark zum Nachdenken an.»
Wie viel hat die Freistellung von Carlos Da Silva mit der Krise zu tun?
Seit Da Silvas Freistellung hat Lugano nicht mehr gewonnen. Ob das mehr als Zufall ist? «Als Fan und Journalist behaupte ich, dass man es besser hätte kommunizieren können und müssen. Sowohl von der Art als auch vom Zeitpunkt her. Es ist unumgänglich, dass eine solche Freistellung etwas innerhalb einer Mannschaft macht», ist sich Esposito sicher. Total anderer Meinung ist Gavranovic: «Als Spieler hat mich so was früher nicht im Geringsten berührt.» Ebenfalls weniger dramatisch sieht es Regazzoni. Trotzdem weist er auf den ungewöhnlichen Moment der Trennung hin: «Wohl in keiner anderen Liga hätte sich der Tabellenführer zu diesem Zeitpunkt der Saison einfach so vom Sportchef getrennt.»
Wie kommt Lugano aus dieser Situation heraus?
«Jetzt sind die Führungsspieler gefragt. Steffen, Grgic, Bislimi müssen vorangehen und den Karren aus dem Dreck ziehen», meint Regazzoni. Auch Gavranovic nimmt die erfahrenen Spieler in die Pflicht: «Es ist noch nichts verloren. Man muss weiter daran glauben.» Croci-Torti müsse nun vor allem im mentalen Bereich arbeiten. «Wenn es ihm gelingt, das Ruder herumzureissen, dann ist das auch für seine weitere Karriere von grossem Wert», so Regazzoni. Esposito schliesslich sieht die Partie gegen Celje auch als Chance: «Die Mannschaft muss das Selbstvertrauen zurückgewinnen. Die Qualifikation für den Conference-League-Viertelfinal wäre dabei von grundlegender Bedeutung. Es gäbe dem ganzen Team einen Schub.»